Wissenschaft

Die Evolutionstheorie und der Heilige Qur’an

Eine Betrachtung basierend auf einer Rede anlässlich der Jalsa Salana Deutschland 2014

von Dr. Mohammad Dawood Majoka

Eine der wichtigsten Debatten unserer Zeit ist die Diskussion um die Evolution und die Stellung der Religion zu dieser Theorie. Im Folgenden wird versucht darzustellen, warum diese Diskussion wichtig ist und was der Heilige Qur’an zu der Evolution sagt. Anschließend wird geschildert, inwieweit diese Aussagen mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft übereinstimmen.

Mit der Evolution wird im Allgemeinen eine schrittweise Entwicklung gemeint. Dies, im Gegensatz zu einer spontanen, plötzlichen Erschaffung.

Die Evolution bezieht sich hier einerseits auf die Entstehung des Universums, der Galaxien, der Sterne und der Planeten. Andererseits bezieht sich die Evolution auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde und insbesondere auf die Herkunft des Menschen.

Die Frage nach der Herkunft des Menschen und des Universums hat die Menschheit seit jeher beschäftigt. Schon die altgriechischen Philosophen haben sich dieser Frage angenommen und dazu ihre Überlegungen festgehalten. Wir lernen, dass Hesiod (700 BC) dachte, dass die Erde aus einem chaotischen Zustand entstanden ist. Er dachte auch, dass die Frau aus der Erde und Wasser geschaffen wurde.

Die grundlegende Frage ist, ob das Universum erschaffen worden ist oder existiert es von sich aus? Und folglich: Sind die Menschen erschaffen worden oder ist unsere Existenz nur ein Zufall? Wenn das Universum und die Menschen erschaffen worden sind, dann muss es etwas außerhalb des Universums geben, das diese erschaffen hat. Wenn das Universum und das Leben nur zufällig entstanden sind, dann bedarf er auch keines Gotts.

Bekanntlich führen die heiligen Bücher der großen Religionen die Existenz des Universums und der Menschheit auf Gott zurück. Sie beschreiben sogar in groben Zügen die Erschaffung des Universums wie auch die des Menschen. Auch der Heilige Qur’an bestätigt diese Ansicht. Es heißt:


„Allah ist es, Der die Himmel und die Erde erschuf.“ (14:33)

Und:


„O ihr Menschen, dienet eurem Herrn, Der euch erschuf.“ (2:22)

Die Fragestellung geht aber über die einfache Aussage zur Erschaffung des Universums und des Menschen hinaus. Nicht nur die Erschaffung an sich, sondern auch der Prozess der Erschaffung ist Gegenstand der Diskussion.

Die Wissenschaft hat in den letzten Jahrhunderten herausgefunden und bewiesen, dass das Universum und die Menschen nicht auf einmal in einem einzigen Akt entstanden sind, sondern über einen sehr langen Zeitraum, der Milliarden von Jahren umfasst, und schrittweise geschah. Die einzelnen Schritte folgten graduell aufeinander und die Entwicklung von einer Stufe zur nächsten war sehr klein. Diese Erkenntnisse haben dazu geführt, dass ein Erschaffer als nicht notwendig, von einigen Wissenschaftlern gar als nicht Existent, angesehen wird. Es wurde angenommen, dass die einzelnen Schritte bei dieser Entwicklung zufällig erfolgt sind. Die besten unter vielen zufälligen wurden dabei nach dem Prinzip „Survival of the fittest“ bevorzugt. So entwickelte sich das Leben zu seiner heute hervorragend an die Umwelt angepassten Form fort.

Warum ist diese, eigentlich wissenschaftliche, Frage wichtig für die Religion? Deshalb, weil damit die Frage nach der Existenz eines Schöpfers verbunden ist. Auch die Erkenntnis, wenn es einen Schöpfer gibt, so muss er mit seiner Schöpfung etwas bezweckt haben. Der Heilige Qur’an sagt:


„Wir erschufen den Himmel und die Erde und was zwischen beiden ist nicht zum Spiel.“ (21:17)

Wenn aber alles von sich selbst sei und sich nur durch Zufall entwickelt hat, dann kann es auch keinen Schöpfer und keinen längerfristigen Zweck des Lebens geben. Verbunden mit dem Glauben an einen Schöpfer-Gott ist auch die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod und der Vergeltung bzw. Belohnung der Taten im nächsten Leben. Kurz, die Daseinsberechtigung der Religionen steht hier zur Debatte.

Die Entstehung des Universums und des Lebens ist dabei nur ein Teil der Frage. Der andere ist, dass die heiligen Bücher der Religionen diesen Schöpfungsakt Gottes auch detailliert beschreiben und ausführen, wie und in welcher Reihenfolge die Schöpfung erfolgt ist. Diese Beschreibungen der Schöpfung wurden von den Wissenschaftlern nicht nur infrage gestellt, sondern auch als falsch erachtet.

Man braucht nicht explizit hervorzuheben, dass, wenn eine Aussage eines Buches sich als falsch herausstellt, dann auch dem Rest seiner Aussagen nicht mehr geglaubt werden kann. Entscheidend für die Religionen ist zudem, dass eine Aussage Gottes, der Allwissend ist, nicht falsch sein kann. Wer auch nur in einem Punkt irrt, kann nicht Allwissend und dementsprechend auch nicht Gott sein. Es muss also überprüft werden, ob die Aussagen der Religionen mit den bewiesenen Erkenntnissen der Wissenschaft übereinstimmen oder gibt es vielmehr einen unüberbrückbaren Widerspruch zwischen den beiden?

Der Gründer der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS sagt: „Dies ist ja unsere Aufgabe, und dies zeigen wir ja, dass es zwischen der Wissenschaft und der Religion überhaupt keinen Widerspruch gibt. Im Gegenteil, die Religion steht mit der Wissenschaft im Einklang. Und die Wissenschaft kann noch so viele Fortschritte erzielen, aber sie wird die Lehren des Qur’an und die Prinzipien des Islam nie und nimmer widerlegen können.“ (Malfūẓāt, Bd. 5, Seite 677)

Entstehung des Universums

Wenden wir uns zuerst der Erschaffung des Universums zu. Was sagt der Islam zu dessen Evolution? Über die Schöpfung des Universums heißt es im Heiligen Qur’an:


„Wir erschufen die Himmel und die Erde und das, was zwischen beiden ist, in sechs Tagen.“ (50:39)

Diese Aussage ist leider oft so ausgelegt worden, als ob Allah das Universum in sechs Tagen zu je 24 Stunden erschuf. Die Gelehrten beriefen sich auf jene Stellen aus dem Heiligen Qur’an, in denen es zum Beispiel heißt:


„Unser Wort zu einem Ding, wenn Wir es wollen, ist nur, dass Wir zu ihm sprechen: „Sei!“, und es ist.“ (16:41)

Daraus wurde gefolgert, dass die Erschaffung des Universums für den Allmächtigen nichts Schweres sei und Er auf eine stufenweise Entwicklung, sprich Evolution, nicht angewiesen sei. Dies widerspreche eher der göttlichen Allmacht, die durch eine plötzliche Manifestation besser zur Geltung komme.

Diese Leute haben jedoch die naheliegende Tatsache ignoriert, dass, wenn ihre Vorstellung Gottes richtig wäre, dann hätte Gott das Universum statt in sechs Tagen auch in einem Augenblick erschaffen können. Schließlich würde dies die Allmacht Gottes noch eindrucksvoller demonstrieren! Die Tatsache aber, dass Gott für die Erschaffung des Universums sechs Tage beansprucht hat, ist eher ein Hinweis darauf, dass diese Schöpfung in einem Prozess – Stufe um Stufe – geschehen ist. Sie haben auch ignoriert, dass hier das Wort „Yaum“ benutzt worden ist, das eigentlich „Zeitabschnitt“ bedeutet. Hazrat Imam Ragib schrieb zu diesem Wort vor Jahrhunderten:


„Eine Menge an Zeit, welche Menge es auch immer sei.“ (Raghib, Mufradat unter Yaum)

Ein flüchtiger Blick im Qur’an zeigt, dass Yaum auf keinen Fall ein 24-Stunden-Tag sein kann. Es heißt:


„Wahrlich, ein Tag bei deinem Herrn ist gleich tausend Jahren nach eurer Rechnung.“ (22:48)

Aber auch:


„Die Engel und der Geist steigen zu Ihm in einem Tage, dessen Maß fünfzigtausend Jahre sind.“ (70:5)

Yaum ist demgemäß ein Zeitabschnitt, der je nach Begebenheit verschieden lang sein kann. Der Verheißene MessiasAS hat hierzu gesagt: „Wir haben aus dem Qur’an selbst gelernt, dass die Tage Gottes nicht gleich den Tagen des Menschen sind. An einer Stelle steht im Qur’an geschrieben, dass ein Tag bei Gott so ist wie tausend Jahre bei euch. An einer anderen Stelle steht, dass der Tag Gottes fünfzigtausend Jahre ist. Deshalb können wir nicht sagen, wie lang diese sechs Tage waren. Wir können jedoch mit Sicherheit sagen, dass mit diesen sechs Tagen nicht jene Tage gemeint sind, die die Tage des Menschen sind.“ (Chašma-e maʿrifat, Rūḥānī ḫazāʾin, Bd. 23, S. 223)

Wir folgern daraus: Das Universum ist gemäß dem Heiligen Qur’an in sechs Zeiten oder Epochen oder Phasen erschaffen worden. Diese Phasen können unterschiedlich lang gewesen sein. Welche Phasen das sind, auch dazu gibt es Hinweise im Qur’an. Es heißt:


„die Himmel und die Erde waren in einem einzigen Stück, dann zerteilten Wir sie.“ (21:31)

Dieser Qur’an-Vers deutet auf eine Zeit hin, zu der das Universum in einem Punkt zusammengeballt gewesen ist. Die Wissenschaft hat durch die Bewegung verschiedener Sterne und deren Geschwindigkeit herausgefunden, dass das Universum expandiert. Diese Entdeckung zeigt, dass das Universum in der Vergangenheit viel kleiner war als heute. Gemäß den Berechnungen der Wissenschaftler war das Universum vor ca. 14 Milliarden Jahren so klein, dass es in einem Punkt verdichtet war. Das, was man in der Physik die Singularität nennt. Durch die Explosion dieser Singularität, „Big Bang“ genannt, ist unser Universum in Existenz gekommen. Der Widerhall dieser Explosion ist noch heute zu hören. Im ganzen Universum gibt es nämlich ganz schwache Strahlung, die uns aus allen Richtungen mehr oder weniger gleich stark erreicht und nicht mit einem Stern oder einer Galaxie verbunden ist. Es sind die Reste eben jener Explosion der Singularität, die auch die kosmische Hintergrundstrahlung genannt werden.

„Es gibt keine neuen Forschungen und keinen wissenschaftlichen Fortschritt, der den Heiligen Qur’an besiegen könnte. Und es gibt keine Wahrheit, die jetzt aufgetreten und die nicht schon vorher im Heiligen Qur’an vorhanden gewesen ist.“ (Der Verheißene Messias und Imam MahdiAS, Malfūẓāt Bd. 5, Seite 652.)

Danach sind in verschiedenen Stufen im Universum immer wieder Sterne entstanden und wieder vergangen. Dabei entstanden immer schwere Atome. Auf diese Weise kamen zuerst der Himmel, also die Galaxien und Sterne, ins Dasein und anschließend die Erde und andere Planeten. Auch der Heilige Qur’an beschreibt diese Tatsache:


„Seid ihr denn schwerer zu erschaffen oder der Himmel, den Er gebaut? … [und danach] breitete Er die Erde aus.“ (79:28,31)

Die Aussage des Qur’an entspricht den Erkenntnissen der Moderne, die gezeigt haben, dass zuerst die Galaxien und die Sterne und dann, erst vor nur vier Milliarden Jahren, die Erde aus der Akkretionsscheibe um die Sonne entstanden ist. Der Qur’an-Vers zeigt zudem, dass die Entstehung des Universums in ihrer Komplexität sogar die Entstehung des Menschen übertrifft. Die wissenschaftliche Forschung ist hierbei noch in den Anfängen und der größte Teil des Universums, wie gleich zu sehen sein wird, liegt noch im Dunkeln.

Das Universum ist auch nicht starr, wie früher angenommen, sondern gemäß dem Heiligen Qur’an expandiert es:


„Und den Himmel haben wir erbaut mit eigenen Kräften, und sicherlich vergrößern wir ihn“ (51:48)

Die Astronomen haben festgestellt, dass sich fast alle Sterne von uns entfernen. Interessant ist dabei nicht nur, dass alle Sterne mit einer hohen Geschwindigkeit unterwegs sind, sondern noch wichtiger ist, dass sie alle von uns wegfliegen. Außerdem wurde entdeckt, dass sich jede Galaxie umso schneller von uns wegbewegt, je weiter sie von uns entfernt ist. Dies beweist, dass das Universum expandiert. Nur in diesem Fall können alle Sterne von uns und voneinander wegfliegen und zwar umso schneller, je weiter sie weg sind.

Ferner heißt es im Heiligen Qur’an:


„An dem Tage, da Wir die Himmel zusammenrollen werden, wie die Schriftrollen zusammengerollt werden.“ (21:105)

Trotz der Expansion wird das Universum letztendlich zusammengerollt. Dann wird es eine neue Schöpfung geben:


„Wie Wir die erste Schöpfung begannen, (so) werden Wir sie erneuern – bindend für Uns ist die Verheißung; wahrlich, Wir werden (sie) erfüllen.“ (21:105)

Eine weitere wunderbare Offenbarung des Heiligen Qur’an ist die Aussage, dass im Universum nicht nur Licht erschaffen worden ist, sondern auch die Dunkelheit. Dies steht im Gegensatz zu der normalen Erkenntnis, dass die Dunkelheit im Universum einfach das Fehlen des Lichts ist. Aber der Heilige Qur’an sagt:


„Aller Preis gehört Allah, Der die Himmel und die Erde erschaffen und die Finsternisse und das Licht ins Sein gerufen hat.“ (6:2)

Diese Tatsache hat die Wissenschaft 1.400 Jahre nach dem Heiligen Qur’an im Jahre 1998 entdeckt. Es war lange bekannt, dass sich alle Galaxien voneinander wegbewegen und gemäß dem Gesetz der Gravitation sich auch alle gegenseitig anziehen. Demnach müsste ihre Fluchtgeschwindigkeit mit der Zeit abnehmen. Aber die Forschung entdeckte, dass diese Geschwindigkeit immer weiter zunimmt. Dadurch wurde gefolgert, dass es im Gegenzug zu der Gravitation eine weitere Kraft oder Energie geben muss, die der Gravitation entgegenwirkt und für die Zunahme der Geschwindigkeit verantwortlich ist. Die meisten Wissenschaftler erkennen daher die Existenz einer „dunklen Energie“ an, die für diese Zunahme der Fluchtgeschwindigkeit verantwortlich ist. Gemäß ihren Berechnungen soll sie etwa 70%, also mehr als zwei Drittel des Universums, ausmachen. Dies ist eine Art der Dunkelheit im Universum.

Desgleichen haben die Forscher entdeckt, dass manche Galaxien sich um ihr Zentrum so schnell drehen, dass ihre Sterne trotz der Schwerkraft längst hätten auseinanderfliegen und die Galaxien auflösen müssen. Es wurde dann gefolgert, dass neben der für uns sichtbaren Masse weitere Art der Masse existieren muss, die diese Galaxien zusammenhält. Diese Masse wird „dunkle Materie“ genannt. Dies ist also eine zweite Art der Dunkelheit im Universum. Und sie ist vorherrschend. Denn gemäß den Berechnungen macht sie etwa 80 % der Gesamtmasse des Universums aus.

Die dritte Art der Dunkelheit ist jene, die man „schwarze Löcher“ nennt. Wegen der Schwerkraft zieht sich Materie gegenseitig an. Dies führt auch zur Bildung von Sternen. Bei sehr großen Sternen kann die Schwerkraft so groß sein, dass der Stern, nachdem sein Brennstoff ausgebrannt ist, in sich zusammenfällt. Dadurch können seine Dichte und die Schwerkraft so sehr zunehmen, dass selbst das Licht ihr nicht mehr entkommt. Dann wird er zu einem schwarzen Loch.

Die dunkle Energie und die dunkle Masse sind zusammen 96 % des Universums. Das heißt, das sichtbare Universum, alle Galaxien, Milliarden von Sternen und Planeten sind nur 4% des Universums.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass im Heiligen Qur’an das Licht in Zusammenhang mit dem Himmel und der Erde im Singular genannt wird. Aber die Dunkelheit ist im Plural genannt worden, was gemäß der arabischen Grammatik auf mindestens drei hindeutet. Das heißt, es gibt mindestens drei Arten der Dunkelheit aber das Licht ist von einer Art. Alles Licht im Universum ist elektromagnetische Strahlung, gleich welcher Quelle es entstammt, ob Feuer, einem Stern oder sonst etwas. Die Dunkelheit ist, wie eben berichtet, von mindestens dreierlei Art.

Zusammengefasst bedeuten die bisher angeführten Stellen aus dem Heiligen Qur’an, dass die Schöpfung des Universums nicht schlagartig geschehen ist, sondern über verschiedene Phasen Schritt für Schritt erfolgt ist. Aus einer Singularität entstanden als Folge einer Explosion die Himmel die Galaxien und Sterne und anschließend die Erde. Die Expansion dauert bisher an. Aber sie wird sich irgendwann umkehren und alles wird wieder zusammengerollt werden. Danach gibt es eine Neuerschaffung. Über die Entstehung des Universums gibt es auch weitere Aussagen des Heiligen Qur’an die eines eigenen Artikels bedürfen.

Entstehung des Menschen

Wenden wir uns nun dem zweiten Teil der Evolution, nämlich der Entstehung des Menschen zu. Die Frage ist: Ist der Mensch plötzlich in einem einzigen Schöpfungsakt erschaffen worden, oder gibt es vielmehr auch hier einen evolutionären Prozess, der zu seiner Entstehung geführt hat? Ob er aus einer früheren primitiveren Lebensform erschaffen worden ist? Stammt der Mensch von den Affen ab?

Einige alte Philosophen, z. B. Platon, dachten, dass die heute bekannten Lebensformen eher als Ergebnis einer Devolution entstanden sind, i. e. zuerst kam der Mensch, und dann als Folge einer Reihe von Verschlechterungen die anderen Lebewesen.

Die Schriftgelehrten der abrahamitischen Religionen beziehen sich auf ihre heiligen Bücher und behaupten, dass Adam als der erste Mensch aus der Erde erschaffen worden sei. Somit steht für sie fest, dass es keine Evolution des Menschen gegeben hat. Die Fundamentalisten unter ihnen gehen sogar davon aus, dass Adam als erster Mensch vor nur 6.000 Jahren erschaffen wurde. Die Erkenntnisse der Wissenschaft lehnen diese Gruppierungen gänzlich ab oder behaupten, dass Gott zwar alles vor 6.000 Jahren erschaffen hat, aber auf eine Weise, dass es viel älter erscheint.

Was sagen die Wissenschaften dazu? Allgemein wird heute unter den Wissenschaftlern übereinstimmend akzeptiert, dass der Mensch nicht in einem einzigen Schöpfungsakt entstanden ist. Er ist vielmehr das Ergebnis einer Jahrmillionen dauernden Evolution, während der zuerst das Leben sich auf der Erde in Form von Einzellern bildete. Es gab dann die Weiterentwicklung zu den Einzellern mit Zellkern und zu den ersten mehrzelligen Lebensformen. Der Baum des Lebens besteht demnach aus drei Zweigen: die Bacteria, die Zellen ohne Zellkern. Die Archaea, die zwar auch keinen Zellkern besitzen, sich aber von den Bakterien unterscheiden. Und die Eucarya, die Zellen mit einem Zellkern. Alle uns bekannten Tiere, Pflanzen etc. gehören diesem dritten Zweig an.

Das Tierreich entwickelte sich zuerst in Wasser, dann wurden die Landmassen besiedelt. Auch der Mensch ist das bisherige Endprodukt einer Evolutionskette. In Millionen von Jahren und der Umwelt entsprechend habe sich das Leben zu verschiedenen Formen fortentwickelt. Vor etwa 20 Millionen Jahren entstanden die ersten Hominiden oder menschenähnliche Lebewesen. Aus ihnen ging der Homo erectus hervor, der Aufrecht gehen konnte. Dann kamen die Homo sapiens, und erst vor etwa zweihunderttausend Jahren die Homo sapiens sapiens, also der moderne Mensch.

Wenn wir uns in diesem Zusammenhang an den Heiligen Qur’an wenden, so finden wir darin auch Aussagen über die Entstehung des Menschen. Es heißt z.B.:


„[Der] euch aus einem einzigen Wesen erschaffen hat; aus diesem erschuf Er ihr den Gefährten, und aus beiden ließ Er viele Männer und Frauen sich vermehren.“ (4:2)

Somit steht für den Heiligen Qur’an fest, dass der Stammbaum aller Menschen, unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit, auf einen Ursprung zurückgeht. Dies widerspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Moderne nicht. Auch die Wissenschaften haben herausgefunden, dass alle Menschen auf einen Ursprung zurückgehen. Gemäß der „Out of Africa“-Theorie, die mittlerweile als sicher gilt, stammen wir alle von einer kleinen Gruppe von Menschen ab, die in Afrika gelebt haben. Die Analyse der DNA zeigt zudem, dass diese kleine Gruppe durch Auswanderung in den Nahen Osten und von dort einerseits nach Europa und andererseits nach Asien und weiter von Asien einerseits nach Australien und andererseits nach Amerika die ganze Erde besiedelte. In diesem Punkt stimmen die Wissenschaft und die Religionen also überein.

Die entscheidende Frage, an der sich die Geister scheiden, ist die des Ursprungs dieser Urahnen der heutigen Menschen. Die Wissenschaft hat mithilfe der Archäologie, der Paläontologie und der DNA-Analysen festgestellt, dass der Mensch mit anderen Lebewesen verwandt ist. Alle Lebewesen haben demnach einen gemeinsamen Ursprung. Einige Gelehrte sehen hierin einen Widerspruch mit den heiligen Büchern. Unter den Muslimen sehen sie sich von Aussagen wie folgt in ihrer Meinung bestätigt:


„Als dein Herr zu den Engeln sprach: „Ich bin im Begriffe, den Menschen aus Ton zu erschaffen.“ (38:72)

Daraus folgern sie, dass Gott den Menschen nicht aus einer früheren Lebensform, sondern direkt und unmittelbar aus der Erde erschaffen habe. Er habe ihn zu Recht geformt, wie eine Statue, und ihm dann das Leben eingehaucht. Diese Ansicht widerspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Wissenschaft sagt nicht, wie ihr leider oft unterstellt wird, dass der Mensch vom Affen abstammt. Die Wissenschaft zeigt nur, dass alle Lebewesen auf der Erde – Vögel, Insekten, Säugetiere, wirbellose Tiere – einen gemeinsamen Ursprung haben. Sie zeigt zudem, dass die zu Wasser lebenden Lebewesen älter sind als die auf dem Land lebenden, d. h., dass der Ursprung aller Lebewesen im Wasser liegt.

Der Heilige Qur’an sagt zum Ursprung des Lebens:


„Er ist es, Der euch aus Lehm erschaffen (hat).“ (6:3)


„Er erschuf euch aus Erde.“ (30:21)


„Sie [i. e. die Menschen] haben Wir aus bildsamem Ton erschaffen.“ (37:12)


„Wir haben den Menschen aus trockenem, tönendem Lehm erschaffen, aus schwarzem, zu Gestalt gebildetem Schlamm.“ (15:27)

Einige muslimische Religionsgelehrte sehen sich hierin bestätigt, dass der Mensch direkt aus dem Lehm erschaffen wurde und seiner Erschaffung keine Evolution zugrunde liegt. Leider ignorieren sie auch hier die Tatsache, dass Gott für denselben Akt verschiedene Wörter benutzt hat. „Erde“, „Ton“, „Schlamm“ und so weiter. Da muss doch eine Weisheit dahinter sein! Der Heilige Qur’an sagt auch:


„Und Wir machten aus Wasser alles Lebendige.“ (21:31)

Es besteht nun die Frage: Falls der Mensch direkt aus der Erde erschaffen worden wäre, wieso heißt es dann, dass alles Lebendige aus Wasser gemacht wurde? Es heißt aber auch:


„Er kennt euch sehr wohl (von der Zeit her), da Er euch aus der Erde hervorbrachte.“ (53:33)


„Und Allah hat euch aus der Erde wachsen lassen wie eine Pflanzung.“ (71:18)

D.h. in den Worten des vierten KalifenRH, dessen Buch „Revelation Rationality and Truth“ viele der hier dargelegten Ansichten entnommen sind: „Die Entwicklung des Menschen musste eine Zeit durchlaufen, in der sie nur vegetativ gewesen ist.“ (Übersetzung des Heiligen Qur’an von Hadhrat Khalifat-ul-Masih IVRH)

Diese Aussagen des Heiligen Qur’an sind nur so zu verstehen, dass das Leben verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen hat. Die Erschaffung des Menschen also schrittweise, evolutionär, erfolgt ist. Zu verschiedenen Zeiten haben verschiedene Substanzen zu seiner Entwicklung entscheidend beigetragen und deshalb wird der Mensch mal als aus dieser Substanz, mal aus der anderen entstanden bezeichnet.

Dies ist die Redensart des Heiligen Qur’an, dass er verschiedene Stufen einer Entwicklung auf diese Weise bezeichnet. Über die Geburt des Menschen heißt es z. B. an einer Stelle:


„Wir erschufen den Menschen aus einem Mischtropfen.“ (76:3)

Dann aber an einer anderen Stelle:


„[Er] erschuf den Menschen aus einem Klumpen Blut.“ (96:3)

Hier sind eigentlich zwei verschiedene Phasen des menschlichen Embryos im Mutterleib erwähnt worden. Der Heilige Qur’an hat sie beide an zwei verschiedenen Stellen und an beiden Stellen jeweils ausschließlich eine Phase erwähnt. Aber es ist eine bekannte Tatsache, dass es sich hierbei um zwei Phasen der Entwicklung des Embryos im Mutterleib handelt.

Dieses Beispiel zeigt, dass der Qur’an eine Entwicklung manchmal auch so beschreibt, dass er zu einer Zeit nur eine Phase erwähnt. Dies solle uns nicht dazu verleiten zu denken, es gäbe ausschließlich nur diese eine Phase. Im Gegenteil, so wie wir nicht schließen können, dass das Embryo direkt aus der Phase des Mischtropfens oder des Klumpens Blut als Kind geboren wird und sonst keine Phasen durchläuft, genauso gilt dieses Prinzip für die Entstehung des Lebens. Wenn also der Heilige Qur’an die Entstehung des Lebens aus einer Substanz beschreibt, so ist sie als eine von verschiedenen Phasen zu verstehen, bei der diese Substanz eine wichtige Rolle gespielt haben mag. Zu einer Zeit war dies das Wasser, zu einer anderen die Erde, zu einer weiteren gedieh das Leben wie die Pflanzen.

Einige Wissenschaftler nehmen an, dass Ton oder Erde bei der Erschaffung des Lebens eine entscheidende Rolle gespielt haben. Experimente und theoretische Überlegungen zu Tonmineralien gab es bereits in den 1960er Jahren. Auch wenn sich diese Ansichten noch nicht durchgesetzt haben, ist die Idee vom Ton als Katalysator bei chemischen Reaktionen nicht von der Hand zu weisen. Das Tonmineral Montmorillonit wird als das wichtigste Mineral für die Untersuchungen zur Geschichte des frühen Lebens betrachtet. Experimente haben ferner gezeigt, dass Tonmineralien bei der Synthese von Glucosephosphaten bei hohen Temperaturen im Wasser eine entscheidende Rolle spielen.

Der Heilige Qur’an verkündet eindeutig, dass der Mensch nicht die erste Lebensform auf der Erde gewesen ist. Vielmehr gab es bereits andere Lebensformen, die für uns unsichtbar sind, z. B. Bakterien und Viren. Diese haben ihre Energie aus der Wärme bezogen und nicht vom Licht, wie die Pflanzen. Es heißt:


„Und die Jinn erschufen Wir zuvor aus dem Feuer des heißen Windes.“ (15:28)

Interessanterweise erkennt auch die moderne Wissenschaft an, dass vor den Eucarya, also den Lebewesen mit Zellkern, zu denen auch wir Menschen gehören, die Archaea aufkamen. Im Gegensatz zu den Bacteria sind die Archaea uns näher verwandt. Die Eucarya gingen aus Archaea-ähnlichen Organismen hervor. Ausgerechnet einige Archaea, auch Hyperthermophile genannt, können bei ungewöhnlich hohen Temperaturen gedeihen, z. B. im kochenden Wasser. Im Gegensatz zu normalen Lebensformen, die im kochenden Wasser sterben. Genau deshalb wird zum Töten von Keimen das Kochen von Wasser empfohlen und zum Desinfizieren von Instrumenten Wasserdampf benutzt.

Die Tatsache, dass hyperthermophile Organismen sowohl bei den Archaea als auch bei den Bacteria die ältesten Lebewesen darstellen, zeigt, dass die frühsten Lebensformen in sehr heißer Umwelt gelebt haben. Dies bestätigt wiederum die eben zitierte Aussage des Heiligen Qur’an, dass vor den Menschen andere Lebewesen aus dem Feuer erschaffen worden sind, was so viel bedeutet, dass Feuer bei ihrer Entwicklung eine wichtige Rolle gespielt hat.

Der Mensch war somit weder die erste Lebensform auf der Erde, noch erfolgte seine Erschaffung spontan. Vielmehr gibt es eine Reihe von Entwicklungsstufen. Der Verheißene MessiasAS sagt: „Von jeher ist sein Naturgesetz so, dass Er alle Schöpfung schrittweise entstehen lässt.“ (Āʾina kamālāt-e islām, Rūḥānī ḫazāʾin, Bd. 5, Seite 201)

Das Universum, das Leben oder der Mensch, alle Formen von Schöpfung haben die Evolution durchlaufen.

Im Gegensatz zu den Kreationisten lehnt der Heilige Qur’an auch die Überzeugung ab, dass der Mensch vor nur 6.000 Jahren erschaffen worden ist. Wissenschaftlich erwiesenermaßen sind hunderttausend Jahre alte Skelette der frühmenschlichen Spezies entdeckt worden. Deshalb ist es falsch, dass der Mensch vor nur 6.000 Jahren entstanden ist und es davor keine Menschen gegeben hat. Es ist zwar richtig, dass ein Adam auch vor 6.000 Jahren lebte, aber er ist nicht der Urahn aller Menschen. Der Verheißene MessiasAS sagt: „Wir zählen diese Zeit [also die 6.000 Jahre] seit AdamAS, aber das bedeutet nicht, dass es davor keine Menschen gab oder dass es die Erde nicht gab. Vielmehr wird diese Zeit seit einem Vorahn gezählt, der AdamAS hieß.“ (Malfūẓāt Bd. 5, Seite 152)

Und: „Wir glauben, dass es viele Adams gab.“ (Malfūẓāt Bd. 5, Seite 676)

„Wir sind weder der Ansicht, dass … seit nur sechs- bis siebentausend Jahren, seit dieser Adam geboren wurde, die Welt angefangen hat und davor nichts war … noch behaupten wir, dass alle Menschen, die zurzeit in den verschiedenen Gegenden der Welt leben, Nachkommen dieses letzten Adams sind. Wir glauben auch an die (Existenz der) Menschen vor diesem Adam … also können wir über die Menschen in Amerika und Australien etc. nicht sagen, ob sie die Nachkommen dieses letzten Adams oder die Nachkommen eines anderen Adams sind.“ (Malfūẓāt Bd. 5, Seite 675)

Auch hier können wir also zusammenfassend sagen, dass gemäß den Lehren des Heiligen Qur’an der Mensch stufenweise in einem evolutionären Prozess entstanden ist. Wasser, Ton in verschiedenen Formen und verschiedene Energiequellen haben zu der Entwicklung des Lebens auf der Erde entscheidend beigetragen. Alle Menschen haben einen gemeinsamen Ursprung. Der Verheißene MessiasAS hat gesagt, es sei seine Aufgabe zu zeigen, dass es keinen Widerspruch zwischen den Wissenschaften und der Religion gibt. Es sind leider die Fehlinterpretationen des Heiligen Qur’an, die einen scheinbaren Widerspruch aufkommen ließen. Die wahre Bedeutung des Heiligen Qur’an haben wir aber durch Hadhrat Masih-e-MaudAS erhalten und diese hat gezeigt, dass die Lehren des Qur’an mit den Wissenschaften übereinstimmen. Wenn es in einem bestimmten Bereich einen scheinbaren Widerspruch gibt, so entweder deshalb, weil die wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu noch am Anfang sind oder weil die Gelehrten die Verse des Qur’an nicht richtig interpretiert haben. Deshalb sagt der Verheißene MessiasAS: „Ich bin entsandt worden damit ich … der Welt die Wahrheiten des Qur’an zeige.“ (Malfūẓāt Bd. 3, Seite 9)

„Gott hat mich gesandt, damit ich der Welt diese verborgenen Schätze gebe. Und diese funkelnden Juwelen von dem Schmutz der unseligen Einwände befreie, mit dem sie verunreinigt worden sind.“ (Malfūẓāt Bd. 1, Seite 38)

„Gott hat mir das Wissen über den Qur’an gegeben und die Wahrheiten und Erkenntnisse seines Buchs offenbart. Also, kommt zu mir, damit auch ihr an dieser Gnade teilhabt.“ (Barakātu d-duʿā, Rūḥānī ḫazāʾin, Seite 36)

Zum Verheißenen MessiasAS müssen wir schauen, wenn wir die wahre Bedeutung des Qur’an lernen wollen. Und zu den Kalifen, die nach ihm seine Aufgaben weiter ausführen und den Heiligen Qur’an gemäß den Anforderungen der Zeit interpretieren. Auch die Wissenschaften verbreiten sich zunehmend infolge der Verbreitung des Lichts zur Zeit des Verheißenen MessiasAS und viele Annahmen, die früher als wahr angenommen wurden, haben sich als falsch herausgestellt und stattdessen sind Erkenntnisse ans Licht gekommen, die mit den Lehren des Qur’an übereinstimmen.

Bibliographie
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A.W.A. Pauldrach: Das dunkle Universum, Spriger Spektrum, Berlin 2015.
M. Ratcliffe: Cosmology and the Evolution of the Universe, Greenwood press, Santa Barbara, USA 2009.
H. Rauchfuss: Chemical Evolution and the Origin of Life, Springer, Berlin, Germany 2008.
D. Sedley: Creationism and its Critics in Antiquity, University of California Press, Berkeley, USA 2007.

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