Syed Amer Safir, Großbritannien – Chefredakteur & Manager
The Review of Religions hat das Projekt über die Existenz Gottes mit dem Titel »The Existence Project« initiiert, welches auf der Vision Seiner Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA für The Review of Religions beruht, jenen Zweck zu erfüllen, für den Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, der Verheißene Messias, dieses Magazin ins Leben gerufen hat: die Existenz Gottes zu beweisen.
Dieses Projekt wird einen gesonderten Bereich ausmachen, der sich mit allen Fragen rund um die Existenz Gottes, von persönlichen Erfahrungen bis hin zu rationalen Argumenten beschäftigt.
Zu Beginn dieses Vorhabens haben wir die große Ehre, ein Spezialinterview mit Seiner Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA, Khalifatul Masih V [Fünfter Nachfolger des Verheißenen MessiasAS] und weltweites Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, zu präsentieren.
Kürzlich hatte ich die segensreiche Möglichkeit, Seiner HeiligkeitABA eine Reihe von Fragen zu stellen, die sich auf Gott beziehen. Einige Fragen sind theoretischer Natur, und einige beziehen sich auf die persönlichen Erfahrungen Seiner HeiligkeitABA. Ich hoffe und bete, dass die Leser und Leserinnen großen Nutzen aus den gesegneten Worten Seiner HeiligkeitABA ziehen, die mit immenser Einsicht, Weisheit und Wissen gefüllt sind.
Interview mit Seiner Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA
Amer Safir: Eure Heiligkeit, eine Frage, die von Jugendlichen oft gestellt wird, lautet: Warum setzt Gott nach den islamischen Lehren, sowohl Gläubige als auch Ungläubige Prüfungen, Nöten, Leid und Strafe aus? Die Frage, die mir konkret gestellt wurde, lautet: »Sollte es nicht eine klare Unterscheidung geben, die Gott zwischen den Lebensumständen eines Gläubigen und eines Ungläubigen vornimmt, anstatt beide durch Leid zu prüfen, und wie kann beides parallel existieren?«
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Wir müssen verstehen, dass es im Islam Belohnung und Bestrafung gibt. Wir beobachten, dass in den Epochen der Propheten, die vor dem Heiligen ProphetenSAW kamen, Bestrafungen in Form von Erdbeben, Stürmen, Feuer etc. [auf die Menschen] herabkamen. Die gleichen Bestrafungen erschienen nicht in der Ära des Heiligen ProphetenSAW. Der Verheißene MessiasAS erklärte, dass während der Ära des Heiligen ProphetenSAW die Kriege an sich eine Form der Bestrafung waren. Zum Beispiel gab es die Schlacht von Uhud und die Schlacht von Hunain;[1] jedoch wurden in diesen Schlachten auch viele Muslime zu Märtyrern. Auch in der Schlacht von Badr erlitten viele Muslime den Märtyrertod. Obwohl dies eine Form der Bestrafung für die Ungläubigen war, erlitten auch die Muslime Verluste. Wenn diese [Schlachten] nur die Ungläubigen betreffen sollten, hätten alle Muslime überleben müssen, aber auch Muslime fielen in ihnen.
Dies zeigt uns, dass Allah der Allmächtige ein Naturgesetz geschaffen hat, dessen Resultat es u.a. ist, dass im Falle eines Krieges Menschen beider Seiten sterben. Allah hatte die Muslime im Voraus darüber in Kenntnis gesetzt, dass auch sie selbst Verluste erleiden würden, wenn sie in den Krieg ziehen, obgleich sie den Gegner auch dezimieren würden. Letztendlich ist es jedoch die Belohnung des Paradieses, die der Gläubige und die Bestrafung der Hölle, die der Ungläubige im Jenseits erhalten werden. Das wahre Leben ist nicht dieses Leben, sondern das Zukünftige. Uns wurde also eindeutig das Konzept vermittelt, dass das Leben nach dem Tod unser wahres Leben darstellt, und nicht unser jetziges.
Außerdem hat Allah der Allmächtige denen, die den Märtyrertod erleiden, einen hohen Rang und Status verliehen. Allah der Allmächtige verlautbart: ›sagt nicht, die Märtyrer seien tot, sondern dass sie lebendig sind‹. Während die Märtyrer von Badr und die Gefährten, die in verschiedenen Schlachten gefallen waren, sich im Paradies befinden, sind ihre Namen heute noch lebendig, und wir erinnern uns an ihre Tugenden. Die üblen Menschen jener Kriege jedoch sind vergessen und niemand erinnert sich an sie. Wenn sich irgendjemand ihrer erinnert, dann lediglich in Bezug auf ihren schlechten Ruf und ihre Ehrenlosigkeit, zum größten Teil jedoch sind die Erinnerungen an sie völlig ausgelöscht.
Ich erwähnte kürzlich, wie der Sohn Abu Jahls, Ikramah, sich beim Heiligen ProphetenSAW beschwerte, die Leute würden ihn immer noch beim Namen seines Vaters nennen, der ein Gegner des Islam war. Sogar nach dem Tod [der Feinde] wollten die Kinder dieser unehrenhaften Menschen sich aufgrund der Schändlichkeit [ihrer Vorfahren] von ihrem Namen dissoziieren. Die Namen der Märtyrer blieben jedoch lebendig, während wir weiterhin ihrer gedenken. Dies sind Tatsachen, die sie voneinander unterscheiden.
Kurz gesagt ist dies der Grund, warum Allah der Allmächtige verlauten ließ: ›sagt nicht, die Märtyrer seien gestorben‹, denn ihr Leben wird weiterhin in Erinnerung bleiben. Deshalb verhält es sich so, dass es Allah der Allmächtige ist, der Belohnung und Strafe gibt.
In Bezug darauf, warum auch Gläubige Leid erfahren, sagte der Heilige ProphetSAW einst, dass die Schwere des Fiebers, das ihn befallen hatte, von solchem Ausmaß war, dass andere es nicht hätten ertragen können. Hätte der Heilige ProphetSAW ein Leben in Bequemlichkeit geführt, so würden andere fragen, welche Erfahrungswerte er in Bezug auf Leiden hat. So führte Allah der Allmächtige ihn durch Schwierigkeiten. Und eben aus diesem Grund führt Allah der Allmächtige wahre Gläubige durch Leiden und Prüfungen.
Weiters sagt Allah der Allmächtige im Heiligen Qur’an: ›denken die Gläubigen, dass sie, nur weil sie glauben, nicht auf die Probe gestellt würden?‹. Der Verheißene MessiasAS erklärt die Philosophie des Gebets erläuternd, dass die Menschen zum einen sich dazu bekennen, an folgende Tatsache zu glauben:
(Betet zu Mir; Ich will euer Gebet erhören.)[2]
Doch auf der anderen Seite tut Allah der Allmächtige was Er will. Es ist nicht notwendig, dass jedes Bittgebet angenommen wird.
Wenn Sie dieses Leben als alles betrachten, werden Sie das nicht verstehen. Wenn Sie jedoch das kommende Leben als das wahre Leben betrachten, werden Sie begreifen können.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, beim Versuch, die Menschen von der Existenz Gottes zu überzeugen, haben mir einige Leute die Frage gestellt, wie man über das Thema des Leidens in Bezug auf Gott sprechen kann, wenn einer Person persönlich gerade Leid widerfährt. Zum Beispiel durchlebt eine Person ein Unglück, eine Naturkatastrophe oder wie gegenwärtig die Covid-19-Pandemie. Diese Leute sagen, es sei sehr schwierig über Gott zu sprechen und sie erfahren mitunter negative Reaktionen, wenn sie anderen über Gott und das Leiden in der Pandemie erzählen, während diese das Leiden erfahren.
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Tatsächlich und unabhängig davon, ob mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:30, 1:60 oder 1:100 zu versterben – handelt sich um eine Pandemie, bei der Menschen, die eventuell anfällig sind, wohl oder übel angesteckt werden können. Das ist das Gesetz der Natur.
Es ist ein Naturgesetz, dass bei einigen Menschen eine Anfälligkeit und somit die Möglichkeit besteht, dass sie sich anstecken und nach diesem Naturgesetz wird eine Person infolge der Übertragung der Krankheit erkranken. Das Naturgesetz unterscheidet nicht unter den Schwachen etc. Es gibt einige, die resistent sind und überleben mögen. In manchen Fällen gibt es Ältere, die überleben, während es auf der anderen Seite Jugendliche gibt, die sich infizierten und verstarben. Heutzutage erkranken immer mehr jüngere Menschen. Es gibt also auch ein Naturgesetz, das wirkt, und es ist nicht so, dass ein Einzelner allein betroffen ist.
In Bezug auf das Leiden hat Allah der Allmächtige in einem Hadith [Ausspruch des Heiligen ProphetenSAW] gesagt, Allah der Allmächtige sühnt die Sünden für jemanden, der in dieser Welt an einer Krankheit oder einer Qual leidet, im Jenseits. Wenn man glaubt, dieses Leben ist nur vorübergehend und es gibt ein ewiges Leben, so kann Allah der Allmächtige im nächsten Leben eine Besserung für den Leidenden schaffen.
Man muss die individuelle Psyche der Person, die man anspricht, berücksichtigen – aber warum mit diesem Thema beginnen? Wir sollten es vermeiden, blind, ohne Nachdenken oder Vernunft, in eine Diskussion mit einer Person einzusteigen, bei der man anfängt, jemandem, der ein gewisses Leid erfahren hat, zu vermitteln, es sei eine Folge seiner Nichterfüllung von Rechten gegenüber Allah. Es ist möglich, dass die Person die Rechte Allahs erfüllt hat, und so muss man jeden Umstand zunächst einschätzen bevor man fortfährt.
Manchmal werden Menschen zu emotional und scheitern daran, diese Sache mit Verstand anzugehen.
Statt über Leiden zu diskutieren, bringen Sie sie zuerst zum Glauben an Gott – das ist der erste Schritt. Sprechen Sie mit ihnen über Gottes Barmherzigkeit und Mitgefühl. Leiden ist ein Thema, das zu einem späteren Zeitpunkt angesprochen werden sollte. Manchmal fangen wir sofort an, über Leiden zu sprechen und das stößt sie ab. Es muss also eine Reihenfolge geben, einige Schritte, die Sie auf richtige Weise befolgen, wenn Sie sich diesem Thema nähern und mit den Menschen diskutieren. Sie sollten diese Reihenfolge einhalten und angemessen durchdenken, wie Sie vorgehen werden.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, wir hören, dass sich einige Menschen während der Pandemie Gott mehr zugewandt haben, und Eure Heiligkeit hat dies auch in Ihren Freitagsansprachen angesprochen. Es gibt jedoch einen wachsenden Trend, dass Menschen »spirituell, aber nicht religiös« werden. Sie wünschen sich eine Form von Spiritualität, wollen aber nicht unbedingt einer Religion beitreten. Eure Heiligkeit, könnten Sie bitte Licht darauf werfen, was Ihre Ansicht dazu ist?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Zuerst müssen Sie sehen, wie viele Menschen tatsächlich religiös sind. 80 % der Welt haben sich von der Religion entfernt, wobei unter ihnen der überwiegende Anteil jener ist, der sich vom Christentum entfernt.
Wenn sich die Menschen zur Spiritualität hingezogen fühlen, dann ist das etwas Gutes, aber man muss einen wissenschaftlichen Ansatz wählen, um eine Umkehr herbeizuführen. Allah der Allmächtige hat auch sein eigenes Gesetz der Spiritualität aufgestellt und für diese spirituelle Revolution hat er die Propheten geschickt. Die Moral, welche wir besitzen, wurde von eben diesen Propheten überbracht. Die Propheten kamen, um den spirituellen Stand der Menschen zu verbessern und sie brachten wahre Religionen von Gott. Daher wird die Religion benötigt und ist unverzichtbar, und man muss letztendlich auf die Religion zurückgreifen und sich über ihre Notwendigkeit Gedanken machen.
In Ḥaqīqatu l-Waḥyi [Das Wesen der Offenbarung] bezieht sich der Verheißene MessiasAS auf Abdul Hakim Khan. Er glaubte auch, es bestünde keine Notwendigkeit einer Religion, um Spiritualität zu erlangen und dass der Glaube an einen einzigen Gott alles sei, was man brauchte. Wie kann dies jedoch der Wahrheit entsprechen? Würde man so argumentieren, bedeutete dies, der Heilige ProphetenSAW wäre nicht vonnöten. Der Verheißene MessiasAS erklärt, dass er (Abdul Hakim Khan) im Irrtum war und dass die Religion ebenfalls benötigt wird. Es sind die Propheten, die den Menschen die Existenz Gottes durch Zeichen und Wunder demonstrieren. Ohne die Propheten wäre niemand in der Lage gewesen, vollständige Gewissheit über die Existenz Gottes zu erlangen.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, ein Argument, das einige Atheisten vorbringen, lautet, die bloße Behauptung, eine große Anzahl von Menschen habe Gott wahrgenommen oder erfahren, beweise nicht, dass Gottes Existenz real ist. Sie deklarieren, dass viele Menschen gleichermaßen behaupten, sie hätten UFOs oder Außerirdische gesehen, was gleichermaßen nicht deren Existenz beweist. Eure Heiligkeit, wie können wir darauf antworten?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Wir beobachten, dass der Heilige Qur’an Dinge wie den Urknall und schwarze Löcher beschreibt. Der Qur’an macht zahlreiche Prophezeiungen und spricht vom Zusammenschluss der Meere und vielem mehr. Darüber hinaus machte der Verheißene MessiasAS viele Prophezeiungen. Hadhrat Musleh Mau’udRA [Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud Ahmad, Zweiter Nachfolger des Verheißenen MessiasAS] erwähnte Prophezeiungen über den Fortschritt der Ahmadiyyat, wie zum Beispiel in Einladung zur Ahmadiyyat. Viele dieser Prophezeiungen oder Beschreibungen konnte damals niemand verstehen, doch alle diese Prophezeiungen erfüllen sich bis heute und die Welt ist Zeuge, wie diese Prophezeiungen wahr werden. Heute beobachten wir, dass viele dieser vergangenen Prophezeiungen ans Licht kommen und all dies sagt uns, dass es ein gewisses Wesen gibt. Ob man nun Christ oder Muslim oder andersgläubig ist, diese Dinge sagen uns, dass es einen Gott gibt. Und Gott informierte die Propheten im Voraus über Dinge, die eintreten würden. Zum Beispiel sagte Gott dem Verheißenen MessiasAS, dass ein Ereignis x und Ereignis y eintreten würden, und dann geschah es genau so. Der Verheißene MessiasAS prophezeite, dass die Pest (ausbrechen) und Kriege stattfinden würden und so geschah es. Viele Erfüllungen der von ihm gemachten Prophezeiungen dauern bis heute an. Sogar Astrologen sagen Dinge über Menschen voraus, indem sie in die Sterne schauen. Das zeigt, dass es bei den Menschen eine gewisse Vorstellung diesbezüglich gibt. Allein die Frage lautet, woher ihre Kenntnisse stammen. Sie müssen prüfen, welcher Prozentsatz ihrer eigenen Vorhersagen im Vergleich zu dem der Prophezeiungen von Propheten sich bewahrheitet. Sie müssen die Stärke der Vorhersagen von Astrologen mit der Stärke der Prophezeiungen von Propheten vergleichen. Und so gibt es viele Faktoren, die zu berücksichtigen sind.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, ist Kommunikation mit Gott und die Möglichkeit der Gotteserfahrung auf die Menschheit beschränkt oder können auch Tiere mit Gott kommunizieren?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Tiere haben Instinkte erhalten, die für ihre Bedürfnisse und Handlungen, die sie ausführen müssen, relevant sind. Manchmal wurden den Tieren besonders ausgeprägte Sinne gegeben. Hunde besitzen zum Beispiel einen hervorragenden Geruchssinn. Sie können ihn nutzen, um Beute effektiv zu jagen und aus diesem Grund werden auch Spürhunde bei der Rauschgiftsuche eingesetzt. Andere Tiere verfügen über andere Arten von Eigenschaften und Merkmalen für ihre Bedürfnisse. Sie können die ihnen von Allah dem Allmächtigen verliehenen Eigenschaften weder überschreiten noch reduzieren. In der Tat kann man ein Tier trainieren, um seine Eigenschaften besser zu nutzen. Jedoch können die Eigenschaften, mit denen sie ausgestattet sind, weder reduziert noch überschritten werden und nach einer gewissen Ausbildung können sie dies nicht mehr übertreffen. Tiere sind alle mit einzigartigen Eigenschaften ausgestattet. Unter manchen Umständen bilden wilde Tiere eine Herde, um sich zu schützen. So hat Gott den Tieren Instinkte verliehen, um ihre Bestimmungen zu erfüllen.
Dem Menschen wurde jedoch zusätzlich der Verstand gegeben. Im Sinne einer äußeren Form wurden alle Tieren sowie die Menschen mit einem Denkvermögen ausgestattet, jedoch wurde den Menschen darüber hinaus die Fähigkeit zur Anbetung sowie ein Verstand gegeben. Tiere sind hinsichtlich der Funktionen, die ihre Körper ausbilden können, in ihrem Zweck beschränkt, während dem Menschen zusätzlich zu seinem grundlegenden Zweck auch eine weitere Bestimmung auferlegt wurde, auf die im Heiligen Qur’an wie folgt verwiesen wird:
»Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen.«[3]
Daher haben Menschen und Dschinn einen Zweck, der bei Tieren nicht zu finden ist. Dem Mensch ist eine höhere Bestimmung zu eigen und so wird die Seele dadurch natürlicherweise mehr Kommunikation mit Gott erleben.
Spiritueller Fortschritt und das Konzept von Himmel und Hölle beziehen sich nur auf menschliche Seelen, denn diesen wurde ein [höherer] Zweck im Leben verliehen, wohingegen Tiere eine spezifische Funktion im Leben innerhalb der Natur erfüllen und ihnen eine Rolle zugeteilt wurde, die sie in ihrem Leben ausüben, während sie nicht in der Lage sind, irgendetwas außerhalb dieses Rahmens zu vollbringen.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, ich hätte folgende Frage in Bezug auf die Kommunikation mit Gott: Woher weiß ein Prophet oder Khalifa [Kalif bzw. Nachfolger eines Propheten][4], dass er über etwas direkt von Gott informiert wurde, und es nicht seinen eigenen Gedanken entsprungen ist?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Zunächst einmal gibt es einen Unterschied im Status und Rang zwischen Propheten und den Kalifen. Wir müssen die Grade der Ränge verstehen. Ein Kalif kann nicht alle Eigenschaften eines Propheten besitzen. Hadhrat Musleh Mau’udRA [wörtl. der Verheißene Reformer; gemeint ist der Zweite Kalif der Ahmadiyya Muslim Jamaat] hat sehr detailliert erklärt, dass Propheten einen einzigartigen Status innehaben und ein Kalif nicht alle Eigenschaften eines Propheten besitzen kann. Alle Kalifen des Verheißenen MessiasAS bis zu mir haben Anteile des Charakters und der Farbe des Verheißenen MessiasAS widergespiegelt und einige haben bestimmte Lehren oder Eigenschaften mehr betont. Jedoch kann keiner von uns Kalifen alle Eigenschaften des Verheißenen MessiasAS widerspiegeln. Hadhrat Musleh Mau’udRA war durch seine besonderen Eigenschaften einem Propheten weitestgehend nah, doch selbst er besaß ebenso wie die Kalifen nach ihm nicht alle Eigenschaften des Verheißenen MessiasAS. Daher ist es zunächst wichtig, den Unterschied zwischen Propheten und Kalifen zu verstehen.
Was die Kalifen betrifft, so legt Allah durch besonderes Gebet eine tiefe Zufriedenheit in unser Herz, dass dieses und jenes geschehen soll und so wissen wir, dass es vorteilhaft sein wird und der richtige Weg ist. Wenn ein Kalif etwas selbst entscheidet (worüber er nicht direkt von Allah informiert wurde) und wenn die Entscheidung des Kalifen die Jamaat [Ahmadiyya Muslim Gemeinde] betrifft und zu ihrem Nutzen ist, gewährt Allah der Allmächtige Schutz vor jeglichen negativen Auswirkungen, selbst wenn der Kalif einen Fehler begeht. So behaupten wir nicht, ein Kalif könne keine Fehler machen. Dies ist etwas, was ich auch schon in der Vergangenheit erklärt habe.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, wenn ich fragen darf, könnten Sie uns bitte darüber aufklären, wie Sie persönlich mit Gott kommunizieren?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Durch Gebete oder einen Traum, oder auf die eine oder andere Weise legt Allah mir ins Herz, was geschehen soll und lässt mich wissen, dass dies von Allah dem Allmächtigen stammt und somit die beste von mir auszuführende Handlung darstellt. Bisweilen geschieht es im Gebet, manchmal ist es ein Gefühl im Herzen und gelegentlich sehe ich einen Traum und gelange zu der Erkenntnis, dieser sei von Allah. Manchmal ist es ein Gefühl, das von Allah so tief in mein Herz eingeprägt wird oder während des Gebets immer wieder auftaucht und mir die feste Einsicht vermittelt, es sei Gottes Wille. Ich sage nicht, dass ich Offenbarungen erhalte, aber manchmal informiert mich Allah durch einen Qur’an-Vers und ich weiß, durch dessen Bedeutung und Interpretation, dass der Inhalt von Allah ist.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, erfahren Sie kašf (Visionen)?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Während ich für eine Person bete, erscheint mir manchmal ihr Gesicht. Ich kann nicht sagen, dass dies notwendigerweise ein kašf ist oder dass ich ein kašf gesehen habe, aber es entsteht ein besonderer Zustand während der Gebete.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, ich war fasziniert, als Sie einmal in einer Predigt erwähnten, dass dem Verheißenen MessiasAS manchmal eine Vision von Allah dem Allmächtigen über den Zustand von Menschen gezeigt wurde, die kamen, um ihnAS zu treffen. Eure Heiligkeit, wenn Menschen kommen, um Sie zu treffen, informiert Gott der Allmächtige Sie auch über den Zustand dieser Person?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Das ist möglich, aber manchmal kann ich es nur durch das Lesen des Gesichtsausdrucks einer Person erkennen. Manchmal teile ich Leuten etwas über sie mit oder über etwas, das geschehen wird, und sie denken, ich sei von Allah darüber informiert worden, während ich es nur durch das Lesen ihres Gesichts, aus ihrer Körpersprache oder durch allgemeine oder bloße Beobachtung weiß. Sogar Psychiater können dies auch durch Beobachtung ableiten. Und manchmal informiert mich Allah auch in meinem Herzen über eine Person oder über ein schwerwiegendes Laster oder eine Unzulänglichkeit in ihr und dies entwickelt dann ein Gefühl von tiefem Abscheu in meinem Herzen.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, in diesen Tagen sammeln wir gemäß Ihrer Anleitung persönliche Erfahrungen von Ahmadi-Muslimen, deren Gebete von Gott angenommen wurden. Meine Frage bezieht sich auf Menschen anderer Glaubensrichtungen, die ähnliche Behauptungen über die Annahme ihrer Gebete durch Gott aufstellen. Wir beobachten bei Fernsehsendern oder in Call-in-Shows, dass christliche Priester oder Nicht-Ahmadi Imame für Menschen beten und dann wird behauptet, dass die Gebete scheinbar sofort gewirkt hätten. Sollten wir solche persönlichen Berichte für wahr halten?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Wir müssen weiterhin unsere Ansichten verbreiten, unabhängig davon, was andere sagen. Ob ihre Behauptungen wahr oder falsch sind, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen. Das sollte nicht unsere Sorge sein und wir sollten uns darauf konzentrieren, unsere persönlichen Erfahrungen zu schildern. Manchmal stellen Menschen auch falsche Behauptungen auf. Selbst der Heilige ProphetSAW beschrieb, die Menschen würden ihm einstweilen falsche Behauptungen unterstellen. Es gibt Nicht-Ahmadi Muslime, die behaupten, sie hätten Träume gehabt, in denen sie jeden Propheten seit AdamAS gesehen hätten. Ob sie dies wirklich gesehen haben, obliegt ihnen selbst. Wir können das nicht beurteilen und unsere Aufgabe ist es, unsere Erfahrungen weiterzugeben. Der Verheißene MessiasAS sagte, JesusAS meinte, wenn man auch nur ein Jota Glauben besäße, so wäre man in der Lage, Lepra oder allgemein Kranke zu heilen. Dies geschah im Ǧang-e muqaddas [Der Heilige Krieg], als der Verheißene MessiasAS zu den christlichen Priestern sprach, sie sollten genau dies beweisen, indem sie die kranken Menschen, die anwesend waren, durch Handauflegen heilen sollten, um zu zeigen, dass sie wahre Gläubige wären und die Erlösung erlangt hätten. Die Priester schafften es jedoch nicht, dies zu zeigen und flohen.
Außerdem besteht hier das Problem, dass viele von Ihnen glauben, es obläge ihnen, dass die Menschen konvertieren, obwohl das falsch ist. Wir können niemanden konvertieren. Wir legen lediglich persönliche Erfahrungen dar. Es wäre anmaßend anzunehmen, wir würden den Glauben der Menschen ändern. Allah der Allmächtige teilte sogar dem Heiligen ProphetenSAW mit, nur die Botschaft zu übermitteln, nicht aber dass er selbst ihre Herzen ändern würde. Vielmehr deklarierte Allah, es sei allein Sein Werk, die Herzen der Menschen zu ändern.
Wir können keine eindeutigen Schlüsse ziehen, wenn andere solche Behauptungen aufstellen. Nehmen Sie z. B. einen Astrologen oder einen atheistischen Arzt, der eine Behandlung durchführt oder Medizin verabreicht. Sie können nicht sagen, dass die Behandlung nicht wirken wird, weil er Atheist ist. Bei einer Person, die an einen Heiler glaubt, kann die durch ihn verabreichte Medizin oder angewandte Therapie immer noch eine Wirkung haben, selbst wenn dieser Heiler ehebrecherisch oder unmoralisch ist. Mitunter jedoch mag es sich bei solchen Leuten um einen psychologischen Effekt handeln, der während einer solchen Behandlung auftritt. Man wird von diesem psychischen Zustand eingenommen und nicht wirklich geheilt. Die Person erlebt vorübergehende Gefühle und Emotionen, die sie glauben lassen, sie sei geheilt und fühlt sich besser, obgleich keine unbedingte dauerhafte Heilung vorliegt. Die wirkliche Frage lautet, ob eine solche Person wahre innere Zufriedenheit und Ruhe im Herzen erlangt. In Afrika gibt es Menschen, die Kreuze tragen und sagen, sie hätten Frieden im Herzen. Aber werden wir diese Ansicht akzeptieren? Wir werden es nicht tun, weil dies Götzendienst gleichkommt, d.h. Gott etwas beizugesellen. Tatsache ist, andere können Behauptungen aufstellen, aber Allah weiß es am besten und es ist ihre Sache. Wir jedenfalls werden weiterhin unsere eigenen Erfahrungen anbringen.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, ein weiterer Einwand, der aufgeworfen wurde, lautet folgendermaßen: Wenn jemand eine persönliche Erfahrung mit Gott erlebt hat, könnten Nicht-Muslime die Authentizität in Frage stellen, weil es keine unabhängigen Zeugen gibt, die diese Erfahrung bezeugen.
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Wenn jemand eine persönliche Erfahrung macht und Gott findet und Gott mit ihm kommuniziert, wodurch er zur Jamaat hingezogen wird, erfährt die einzelne Person eine innere Veränderung in ihrem Charakter. Diese Veränderung wird dann von ihrer Familie und ihrem Haushalt bezeugt, die bestätigen, wie ihre moralischen Standards sich erhöhen und weiter entwickeln. Durch einen Traum oder auf eine andere Weise erfährt eine Person eine Veränderung durch die persönliche Erfahrung. Es gab ein Beispiel eines Vaters, der zu seinem Sohn, der eine solche persönliche Erfahrung gemacht hatte, sprach: ›Deine Religion ist wahr und ich habe eine positive Veränderung in dir gesehen, dennoch werde ich deine Religion nicht akzeptieren.‹ Im Grunde gibt es irgendeine Macht, irgendeine Kraft, die diese Veränderungen in ihnen hervorruft. Es handelt sich dabei nicht um äußerlich sichtbare Erfahrungen, sondern um Veränderungen, die im Inneren eines Menschen stattfinden.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, wenn ich fragen darf, könnten Sie etwas über persönliche Erfahrungen mit Gott oder die Annahme von Gebeten erzählen?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Von Kindheit an, als ich 12 oder 15 war, betete ich und manchmal wurden meine Gebete innerhalb von 15 Minuten erhört. In der Schule betete ich für meinen Lernerfolg und Allah erhörte meine Gebete und ich konnte bestehen. Ich zögere, meine eigenen Erfahrungen zu schildern, weil es nicht in meiner Natur liegt. Ich beziehe mich im Allgemeinen indirekt darauf in meinen Predigten usw., aber ich versuche, es nicht direkt auszusprechen. Tatsache ist, dass der Verheißene MessiasAS sagte, es sei Allah, der die frommen Wünsche eines Menschen erfüllt und Träume zeigt und dies geschieht gemäß Allahs Entscheidung und nicht aufgrund der Frömmigkeit des Menschen. Es sind nicht jemandes eigene Qualitäten oder Leistungen, die das möglich gemacht haben, sondern es ist Allahs Gnade.
«Allah ist das Licht der Himmel und der Erde.«[5]
Ich sah diese Worte in meinem Traum, wo sie über den ganzen Himmel geschrieben waren, so weit ich von einer Seite zur anderen sehen konnte. Dies steigerte mein Wissen und meine Weisheit in Bezug auf die Attribute Allahs mehr als zuvor.
Allah allein weiß alles.
Ich habe bereits erwähnt, dass ich manchmal bete und ich die Lösung für das Problem, mit dem ich konfrontiert bin, durch Allah in meinem Gebet finde und Allah mich darüber in Kenntnis setzt.
ينصرك رجال نوحي إليهم من السماء
«Menschen, die Wir vom Himmel aus leiten werden, werden dir helfen.»
Dies war eine Offenbarung des Verheißenen MessiasAS. Ich sah diese Worte in meinem Traum geschrieben und während ich aufwachte, sprach ich diese auf meiner Zunge aus. Ich befand mich vielleicht in einem Zustand zwischen Träumen und Aufwachen. Ich verstand die Bedeutung dieser Worte so, dass Allah der Allmächtige mir auf außergewöhnliche Weise helfen würde. Auch vor dem Kalifat gewährte mir Allah der Allmächtige Seine Hilfe unter jedweden Umständen. Doch nach dem Kalifat gewährte Allah der Allmächtige Seine Hilfe auf unzählige und vielfältige Weise. Während ich zutiefst besorgt war, ließ mich Allah der Allmächtige jedoch die Bedeutung Seiner Hilfe verstehen und zeigte sie mir. Die Hilfe und der Beistand Allahs wurden dauerhaft und Seine Hilfe ist ständig und immer mit mir. Die Bedeutung davon war, dass Allah Seine Hilfe gewährt, indem Er solche Menschen schickt, die Er Selbst zu meiner Unterstützung einsetzt. Auf diese Weise gewährt Allah der Allmächtige mir weiterhin Seine Hilfe.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, ich bin daran interessiert, mehr über das Konzept des »Dam« (Pusten) mit der Sure Fatiha zu erfahren.[6] Ich habe von einigen Leuten gehört, dass Sie, als sie Sie besuchten, Ihre Hand auf sie legten und beteten, und später berichteten jene, sie seien von ihren Beschwerden geheilt worden. Was ist das Konzept des Pustens mit dem Atem beim Dam oder des physischen Auflegens der Hand auf eine Person, wenn man ein Gebet spricht?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Gemäß einem Hadith erkundigte sich der Heilige ProphetSAW, als er erfuhr, dass ein Gefährte eine kranke Person behandelt hatte, wie er diese behandelt hätte. Der Gefährte antwortete, er habe die Sure Fātiḥa rezitiert und der Heilige ProphetSAW fragte, woher er wisse, dass er die Sure Fātiḥa verwenden solle. Daraufhin erwiderte der Gefährte, in ihr sei šifāʾ (Heilung) und deshalb habe er sie verwendet. Der Heilige ProphetSAW war darüber erfreut und bekundete, es sei richtig, die Sure Fātiḥa zu rezitieren.
Das Erste ist, die völlige Überzeugung zu besitzen, dass derjenige, zu dem man betet oder an den man denkt, Gebete beantworten kann und die Macht hat, zu heilen. Der Verheißene MessiasAS sagte, dass Glaube und Überzeugung wesentlich sind.
Zweitens sollte es kein Element des širk [Gott Partner beizugesellen] geben. Man sollte in seinem Herzen bedenken, dass dies nur die Segnungen und die Gnade Gottes sind.Manchmal, wenn ich dies tue, sinne ich in meinem Herzen darüber nach, dass der Verheißene MessiasAS sprach, Allah habe ihm offenbart:
بادشاہ تیرے کپڑوں سے برکت ڈھونڈیں گے
»Könige werden Segnungen an deinen Gewändern suchen.«
Des Weiteren basiert der Ring des Verheißenen MessiasAS auf einer Offenbarung:
«Genügt Allah Seinem Diener nicht?«[7]
Deshalb habe ich das Gefühl, dass ein gewisser Segen damit verbunden sein muss. Also reibe ich den Ring manchmal auf diese Weise an Menschen und bete für sie. Allerdings tue ich das nur, wenn Allah mich in meinem Herzen dazu bestärkt. Oder wenn jemand wiederholt darum bittet, pflege ich dies bisweilen zu tun, wenn ich in meinem Herzen von Allah, Der sagt, es schade nicht, dies zu tun, dazu angeregt werde. Ich tue dies nicht für jede einzelne Person, sondern nur für diejenigen, für die ich von Allah dazu inspiriert wurde.
In der Form, wie wir physische Heilungen erfahren, so stellt dies eine spirituelle Heilung dar. Aber es ist nicht der Fall, dass diese immer notwendigerweise zu 100 % wirkt, weil die Heilung nur durch Allah stattfindet, wenn Er es will und gestattet.
Normale Gebete und Bittgebete werden in der Tat für etwas (bestimmtes) gesprochen, aber das zusätzliche Element hier ist die Tabarukat.[8] Diese Offenbarung beinhaltet Allahs eigene Worte aus dem Qur’an und war auch eine Offenbarung an den Verheißenen MessiasAS. Die Wahrheit ist, dass, wenn Allah genügt, dann ist Er auch genügend, um hierin Segen zu legen.Ich habe gesehen, dass gelegentlich Menschen auf wundersame Weise geheilt und von ihren Krankheiten befreit wurden. In manchen Fällen hatte ich nicht einmal so viel Erwartung, dass überhaupt Heilung eintritt, aber als die Menschen zurückkehrten, berichteten sie, sie seien geheilt worden. Und das passierte, weil Allahs Wirken dies möglich gemacht hat. Ich bin jedoch nicht wie die Pire oder Faqire (sogenannte religiöse Asketen und spirituelle Heiler und Führer), die dies wie eine professionelle Aufgabe handhaben und die dies routinemäßig für jede einzelne Person, die zu ihnen kommt, machen.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, was das Gebet selbst und das Beten zu Gott angeht, war ich immer fasziniert, wenn der Verheißene MessiasAS sagte, man solle Gesichtsausdrücke machen, »als würde man weinen, um im Gebet tatsächlich zu weinen, wenn man dazu nicht in der Lage ist«. Ich wollte schon immer mehr darüber erfahren. Kann Eure Heiligkeit bitte erklären, was das eigentlich bedeutet und wie man das erreicht?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Das liegt daran, dass unser äußerer Zustand unseren inneren und geistigen Zustand beeinflusst. Wenn wir Ausdrücke und Bewegungen machen, tun wir das, damit Allah der Allmächtige möglicherweise unsere Ausdrücke sieht und dies eine Wirkung hat.
Ein Beispiel: Manchmal kann eine Person äußerliche Merkmale von Wut zeigen und dann tatsächlich wütend werden. In meiner frühen Kindheit kam es vor, dass ich als Scherz mit meinem Freund äußerliche Ausdrücke machte, als ob ich wütend wäre. Mein Freund dachte dann, ich sei wirklich wütend und revanchierte sich auf eine Art und Weise, die dann dazu führte, dass ich tatsächlich wütend wurde. Ich habe also in meiner Kindheit diese Dinge durch solche Vorfälle erlebt.
Der Verheißene MessiasAS sagte, dein äußerer Zustand habe eine Wirkung auf deine Seele. Wenn du äußerlich versuchst, Züge des Weinens zu entwickeln und solche Ausdrücke zu zeigen, wirst du vielleicht anfangen, eine Träne zu vergießen. Und wenn du eine Träne vergießt, wirst du die innere Sehnsucht und den Schmerz spüren, was dazu führt, dass du wirklich anfängst zu weinen, was dann deine Aufmerksamkeit auf das Gebet richten wird.
Es ereignete sich einst eine amüsante Begebenheit, dass unser Missionar, Mirza Lutfur Rahman Sahib, zum Hadsch (Pilgerfahrt) fuhr und in der Masjid-e Nabawi [Moschee des Heiligen Propheten MuhammadSAW] saß. Er versuchte sein Bestes, um viel zu weinen, was ihm jedoch nicht gelang. Er sagte: ›Ich war gerade dabei, von der saǧda [Niederwerfung] aufzustehen, als sich eine Menschenmenge näherte und jemand aus ihrer Mitte mir einen kräftigen Tritt in den Rücken verpasste, woraufhin ich laut aufkreischte und schrie.‹ Er sagte: ›Ich fing vor Schmerz an zu schreien und fiel dann instinktiv vor Schmerz in die Niederwerfung und weinte ausgiebig und konnte in diesem Zustand zu Gott beten.‹ Er sagte also, dass manchmal ein Tritt in den Rücken einem helfen kann, den Zustand des Gebets weiterzuentwickeln!
Der Verheißene MessiasAS sagte, der physische Zustand habe eine Auswirkung auf die Seele, und die Seele habe eine Auswirkung auf den äußeren Zustand.
Wenn Sie unmoralische oder unreine Gedanken hegen, wird sich das in Ihrem äußeren Zustand manifestieren und wenn Sie nach außen hin dem Gebet die gebührende Aufmerksamkeit schenken, um zu versuchen, Frömmigkeit zu entwickeln, dann wird Ihre Seele letztendlich fromm werden.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, basierend auf Ihrer Erklärung lautet meine Frage: Wenn wir zum faǧr [das Gebet, das vor der Morgendämmerung verrichtet wird] oder früher aufwachen, tragen wir normalerweise lockere Kleidung oder einen Schlafanzug. Ich habe gehört, es sei besser, sich richtig zu kleiden, wenn man betet?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Wir vollziehen die rituelle Waschung aus demselben Grund, um uns zu reinigen, unsere Sinne zu schärfen und sauber und rein zu werden, um für das Gebet vorbereitet zu sein.
Die Vorbereitung desjenigen, der jedoch nicht einmal über angemessene Kleidung verfügt, würde darin bestehen, sich für das Gebet einfach nur zu waschen und bereit zu machen.
Im Allgemeinen sollte man nicht seinen Schlafanzug tragen und dann mit dem Gebet beginnen; vielmehr sollte man sauber sein und sich richtig kleiden, um sich auf das tahaǧǧud [freiwilliges Gebet vor dem Morgengrauen] vorzubereiten. Die äußere Reinheit hat eine Auswirkung auf die innere Reinheit.
Wenn man an den weltlichen Hof einer einflussreichen Person geht, würde man sich in angemessener Weise pflegen und vorbereiten, und so sollten Sie sich gut vorbereiten und reinigen, wenn Sie den Hof Gottes betreten.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, es wird gesagt, dass während der saǧda persönliche Gebete verrichtet werden dürfen und dies die Position ist, in der wir Gott am nächsten sind. Ich habe viele verschiedene Meinungen über die Reihenfolge der Gebete gehört, die man bei der Niederwerfung einhalten sollte. Betet man zum Beispiel zuerst für sich selbst, oder betet man für etwas anderes und dann für sich selbst? Eure Heiligkeit, was sollte die Reihenfolge der persönlichen Gebete während des Zustandes der Niederwerfung (saǧda) sein?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Es kommt auf den persönlichen Zustand an und darauf, welcher Umstand oder welche Angelegenheit ihn oder sie mehr beschäftigt. Bei Angelegenheiten, die für Sie von Bedeutung sind, werden Sie natürlicherweise weinen und emotionaler sein, und deshalb sollten Sie für solche Anliegen beten.
Der Verheißene MessiasAS sagte, er betet für sich selbst, um seine Verbindung mit Allah zu stärken, für den Fortschritt der Jamaat und dann für seine Familie und Freunde. Der Verheißene MessiasAS hat eine Reihenfolge des Gebets erklärt. Jeder Mensch hat einen anderen Zustand – es gibt bestimmte Angelegenheiten, die einen emotionaler machen. Eine Person steht vielleicht vor einem dringenden Problem und man kann mit dem Gebet für diese Angelegenheiten beginnen, da sie einem helfen, den richtigen Zustand des Gebets zu entwickeln.
Es gibt keine feste Regel, aber jeder sollte für die Belange beten, die den Gebetszustand entwickeln und für die Angelegenheit, die für ihn oder sie am emotionalsten ist.
Sie sollten zuerst für Ihre Vergebung beten. Wenn Sie darüber hinaus über die Gunst und Gnade Gottes nachsinnen, die Er Ihnen gewährt hat und wenn Sie Ihren eigenen Zustand und Ihre Schwächen betrachten, wird Sie allein dies schon überwältigen und emotional machen.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, heutzutage verrichten die meisten von uns ihre Gebete zu Hause mit ihren Familien. Mitunter passiert es, dass meine beiden Kinder während meines Gebets dazu kommen und anfangen zu spielen oder um den Gebetsplatz herum laut zu sein. Eure Heiligkeit, verhält es sich ähnlich mit Ihren Enkelkindern zu Hause und wenn ja, was ist der beste Weg, in solchen Situationen mit Kindern umzugehen?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Wenn ich zu Hause bete, kommen sie selten. Ab und zu tritt mal eines meiner Enkelkinder ein, normalerweise jedoch nicht, wenn ich bete. Wenn sie hinzukommen, dann ja, gelegentlich verhalten sie sich unangemessen und spielen und dann halte ich ihre Hand, damit sie aufstehen und das Gebet mit mir sprechen oder ich deute ihnen an, dass sie das tun sollen. Dann beten sie mit mir mit. Wenn mein Gebet jedoch länger dauert, werden sie bald müde und verlassen dann irgendwann das Gebet. Oder manchmal beten sie auch alleine neben mir und entfernen sich dann wieder. Das gilt für meine jüngeren Enkelkinder. Meine älteren Enkelkinder stören nicht, da sie ihre eigenen Gebete verrichten.
Während der Zeit des Heiligen ProphetenSAW kamen seine Enkelkinder und saßen auf seinem Rücken. Hadhrat Imam HussainRA kam einmal und setzte sich auf den Rücken des Heiligen ProphetenSAW, woraufhin der Heilige ProphetSAW eine lange Saǧda verrichtete. Der Heilige ProphetSAW hatte beschlossen, seine saǧda zu verlängern, und nachdem das Gebet beendet war, fragten die Gefährten den Heiligen ProphetenSAW, was passiert sei, dass er sich so lange niedergeworfen habe. Der Heilige ProphetSAW antwortete, er hätte, nachdem sein Enkelkind auf seinen Rücken gestiegen war, entschieden, von der Niederwerfung erst aufzustehen, wenn es wieder hinabgeklettert wäre. Und so stand er anschließend auf.
Der Heilige ProphetSAW verlängerte also sein Gebet, weil sein Enkelkind auf seinem Rücken saß. Und so sagt uns dies, es ist nicht nötig, ein Kind zu schelten, sondern es ihm mit Liebe zu erklären. Nachdem Sie das Gebet beendet haben, erklären Sie ihnen, dass sie mit Ihnen beten sollen, wann immer sie hinzukommen.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, in Bezug auf die Erhörung von Gebeten, die an Gott gerichtet werden, erhalten Sie eine beträchtliche Anzahl von Briefen mit Bitten um Gebete von Menschen aus der ganzen Welt. Ich habe mich immer gefragt, wie es für Sie möglich ist, für jeden, der Sie um Gebete bittet, zu Gott zu beten, angesichts der vielen Ersuche?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Bei jedem Brief, den ich erhalte, bete ich unmittelbar während ich ihn lese, dass Allah Seine Gnade und Seinen Segen schenken möge. Der Verheißene MessiasAS sagte ebenfalls, dass er die Briefe einen nach dem anderen las und während des Lesens jedes einzelnen Briefs betete.
Außerdem bete ich in der saǧda (Niederwerfung) für die Menschen und denke an die vielen Bitten, die sie in den vielen Briefen, die ich erhalte, an mich gerichtet haben. Manche Menschen sind krank, manche haben finanzielle Probleme, es gibt Eheprobleme zwischen Ehemännern und Ehefrauen oder andere Probleme, mit denen die Menschen konfrontiert sind und ich bete, Allah möge sie alle von ihren Schwierigkeiten befreien. Ich bete auch für diejenigen, die mir nicht um Gebete geschrieben haben, und ich bete für die gesamte Jamaat.
In meiner saǧda, meinen nawāfil [freiwillige Gebete] und im tahaǧǧud [freiwillige Gebete vor dem Morgengrauen] bete ich für jeden.
Nachts, wenn ich Quls oder Ayatul Kursi[9] vor dem Schlafengehen rezitiere und (mit meinem Atem) puste, bete ich zu Allah und denke dabei an die Ahmadis, wo auch immer sie sind, und bete für sie, dass Allah sie segnen möge und Erbarmen mit ihnen hat. So wie alle Eltern, wenn sie diese Gebete in der Nacht verrichten, auf ihre Kinder pusten, bevor sie schlafen, so puste ich, wenn ich diese Gebete in der Nacht verrichte, auf die ganze Jamaat, die wie meine Kinder sind.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, in Bezug auf die Anbetung Gottes sagen wir, dass nur Gott angebetet werden sollte und Er keinen Partner hat. Einige Frauen stellen das Hadith in Frage, in dem es heißt, dass der Heilige ProphetSAW sagte, wenn er die Erlaubnis gegeben hätte, jemand anderen anzubeten, hätte er einer Frau gesagt, sich vor ihrem Ehemann niederzuwerfen. Könnte Eure Heiligkeit dies näher erläutern?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Erstens sagen einige Leute, dass dieses Hadith schwach sein könnte und andere sagen, es sei rechtmäßig. Der Verheißene MessiasAS sagte, das Hadith bedeute bei dessen Betrachtung, dass es niemandem erlaubt ist, zu irgendjemandem außer Gott zu beten. Ein guter Ehemann ist etwas, wofür eine Ehefrau immer dankbar sein sollte. Die Niederwerfung bedeutet hier, dass man für etwas dankbar ist und nicht, dass man sich verbeugt. Es bedeutet, völligen Gehorsam zu zeigen. Als die Engel angewiesen wurden, sich vor AdamAS niederzuwerfen – so sagen es uns die Exegesen -, bedeutete dies nicht, sich tatsächlich zu verbeugen, sondern völligen Gehorsam und Hingabe zu zeigen. So sollte eine Frau ihrem Mann vollständig gehorchen.
Unsere Eltern, die uns erzogen und ernährt haben, werden im Heiligen Qur’an als rabb [»Herr oder Versorger«] bezeichnet. Das Hadith untermauert dies auch. Daher bedeutet saǧda hier,
man sollte dem Ehemann vollständig gehorchen, wenn dieser ein guter Ehemann ist. Dies bedeutet nicht, dass man sich vor streitenden Ehemännern »verbeugen« soll, denn Frauen haben im Islam Rechte erhalten.
Wir sollten uns auch besinnen, dass der Heilige ProphetSAW die Menschen oft abhängig von ihren jeweiligen Umständen rechtleitete. Einmal kam eine Person zum Heiligen ProphetenSAW und fragte: ›Was ist der größte Dschihad?‹ (Kampf, den man führen sollte), woraufhin der ProphetSAW antwortete: ›Der Dschihad des Schwertes.‹ Dies war die Antwort, weil die Person, die fragte, mutlos war und Angst hatte, in den Krieg zu ziehen. Also war dies für ihn die höchste Tugend.
Als eine andere Person den Heiligen ProphetenSAW fragte, was die beste Tat sei, erwiderte der Heilige ProphetSAW, die größte Tugend für ihn bestünde darin, finanzielle Opfer zu erbringen, denn diese Person besaß Schwächen beim Geben von Almosen. Zu einer anderen Person sagte der Heilige ProphetSAW, es sei die größte Tugend, seinen Eltern zu dienen, weil diese Person ihren Eltern nicht richtig diente. Zu einer vierten Person sagte der Heilige ProphetSAW, dass es für sie die beste Tat sei, gut zu ihren Familienmitgliedern zu sein, weil diese Person ihre Familie nicht fürsorglich behandelte.
Wir kombinieren also normalerweise all diese Hadithe, ohne den Kontext zu betrachten oder zu verstehen, es sei denn, er wird von Gelehrten erklärt oder wir lesen die Hadith-Kommentare. Die Menschen verallgemeinern alle Hadithe, aber manchmal bezieht sich eine bestimmte Anleitung auf einen bestimmten Umstand bzw. Kontext.
Amer Safir: Eure Heiligkeit, wo früher das eigene Heim ein Rückzugsort war, werden jetzt Familien innerhalb der Häuser durch die Unsittlichkeiten des Internets und des Fernsehens schwer geprüft. Und so sind nun die Versuchungen sowohl im als auch außerhalb des Hauses und überall.
Welchen Rat hat Eure Heiligkeit angesichts einer Flutwelle an Versuchungen in der hiesigen Gesellschaft, um diese Beziehung zu Gott aufrecht zu erhalten, wenn wir sie einmal aufgebaut haben?
Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, Khalifatul Masih VABA: Man sollte istiġfār [Gesuch um Vergebung der Sünden] sprechen und lāḥaul sagen [bezeugen, dass es keine Kraft und Stärke gibt außer in Allah]. Wenn istiġfār richtig gesprochen wird, kann es sehr mächtig sein. Der Verheißene MessiasAS sagte, man solle istiġfār sprechen, um sich vor Sünden zu bewahren und um diesen Zustand zu erhalten. Die Propheten sprachen istiġfār um ihrer Leute und Anhänger willen, nicht für sich selbst und sie sagten es, um ihre Dankbarkeit dafür auszudrücken, dass ihnen in der Vergangenheit Schutz gewährt wurde. Um sich von begangenen Sünden zu reinigen und Dankbarkeit zu zeigen, um vor zukünftigen Sünden bewahrt zu werden, sollte man sich [das Beten von] istiġfār angewöhnen.
Anmerkungen:
[1] Dies waren Kriege, die zur Selbstverteidigung geführt wurden, nachdem die Muslime angegriffen wurden.
[2] Der Heilige Qur’an, 40:61.
[3] Der Heilige Qur’an, 51:57. Dschinn kann sich auf alles beziehen, was etwas mit Verborgenheit, Unsichtbarkeit, Abgeschiedenheit oder Zurückgezogenheit zu tun hat.
[4] Ein Khalifa oder Kalif ist ein spiritueller Nachfolger. Die ḫulāfāʾ-e rāšidīn [rechtgeleitete Kalifen] waren die ersten vier Nachfolger des Heiligen ProphetenSAW. Derzeit ist Seine Heiligkeit der Fünfte spirituelle Nachfolger des Verheißenen MessiasAS.
[5] Der Heilige Qur’an, 24:36.
[6] Dam ist eine Form des Bittgebets, bei der Gebete aus dem Qur’an oder Hadithen für eine kranke Person rezitiert werden. Nachdem man das Gebet beendet hat, pustet man sanft in die Hände oder auf die kranke Person in physischer Form, um die Barmherzigkeit Gottes zu erbitten. Die Sure Fatiha ist das erste Kapitel des Heiligen Qur’an.
[7] Der Heilige Qur’an, 39:37. Dieser Qur’an-Vers wurde auch dem Verheißenen MessiasAS in einer Offenbarung gezeigt. Er ließ diesen Vers in einen Ring eingravieren, den er trug und der sich heute im Besitz Seiner HeiligkeitABA befindet.
[8] Taburukat bezeichnen eine Reliquie, die einer heiligen Person gehört. Der Ring des Verheißenen MessiasAS ist ein Beispiel dafür.
[9] Quls beziehen sich auf die letzten drei Kapitel des Heiligen Qur’an, die alle mit dem Wort qul, oder sag beginnen. Ayatul Kursi bezieht sich auf Kapitel 2, Vers 256 des Heiligen Qur’an.
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