In der heutigen Zeit werden muslimische Frauen oft als unterdrückt, ungebildet und eingeschränkt dargestellt. Sie würden davon abgehalten, ihren Träumen nachzugehen, doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Tatsächlich sind im Islam Männer und Frauen beim Wissenserwerb gleichermaßen gefordert. Eine von ihnen ist Munazza Alam. Sie ist Astronomin, eine junge Entdeckerin von National Geographic und Absolventin der Harvard University. Sie studierte Physik am CUNY Hunter College, New York City, und arbeitete in verschiedenen Forschungsgruppen der Abteilung für Astrophysik, wie im amerikanischen Museum für Naturkunde. Aufgewachsen in Staten Island bei Eltern mit pakistanisch-muslimischer Wurzeln, Alams Leistungen stehen ihrem jungen Alter entgegen.
Munavara Ghauri (MG), Redakteurin der Frauenrubrik des Magazins The Review of Religions, hatte die Gelegenheit, Munazza über ihre Arbeit, ihren Glauben und ihr Bestreben, den Zwillingsstern der Erde zu entdecken, zu befragen.
MG: Wann und wie wurde Ihr Interesse an Astronomie geweckt?
MA: In meiner Kindheit hatte ich kein großes Interesse an Astronomie. Wahrscheinlich lag das daran, dass ich in New York City aufwuchs, wo es zu viel Lichtverschmutzung herrscht, um den Nachthimmel erkennen zu können. Mein Interesse an Astronomie wurde stattdessen als Studentin geweckt, als ich mit einer Forschungsgruppe in der astrophysikalischen Abteilung des American Museum of Natural History zu arbeiten begann. Als Teil der Gruppe begann ich mein eigenes Forschungsprojekt und hatte das Glück zu Beobachtungsstätten an nationalen Einrichtungen zu reisen, um Daten für meine Forschung zu erheben. Meine erster Beobachtung am Kitt Peak National Observatory in Arizona war das erste Mal, als ich wirklich den von hunderttausenden von Sternen erleuchteten Nachthimmel gesehen hatte. Es war ein atemberaubender Anblick, der mich in meiner Absicht bestärkte, langfristig in der Astronomie zu arbeiten.
MG: Sie sind derzeit Doktorand in Harvard. Können Sie uns etwas über Ihre Forschungsarbeit erzählen?
MA: Meine Forschung konzentriert sich auf den Nachweis und die Charakterisierung der Atmosphären von Exoplaneten oder Planeten außerhalb des Sonnensystems. Wir können etwas über die Atmosphären von Planeten lernen, indem wir einen Planeten beobachten, wenn er seinen Gaststern durchläuft (vor ihm vorbeizieht). Während des Transits durchdringt ein Bruchteil des Sternenlichts die Atmosphäre des Planeten. Wir können Informationen über die Atmosphäre des Planeten erkennen, indem wir das Licht des Sterns sorgfältig analysieren. Für diese Arbeit verwende ich Beobachtungen, die ich mit dem Weltraumteleskop Hubble und großen bodengestützten Teleskopen in Chile und Hawaii gemacht habe.
MG: Sie sind Trägerin des National Geographic Young Explorers-Stipendiums. Wofür werden die Stipendien vergeben und wie hat es Ihrer Forschung geholfen?
MA: Das National Geographic Young Explorers-Programm unterstützt Projekte, die von Nachwuchsforschern in den Bereichen Forschung, Naturschutz und Entdeckung geleitet werden. Ich habe mich um diesen Zuschuss beworben, um meine Astronomieforschung als Studentin zu unterstützen. Auch nachdem die Bedingungen meines Stipendiums erfüllt waren, hat dieses Stipendienprogramm meiner Forschung geholfen, weil es eine Reihe von Möglichkeiten eröffnet hat. National Geographic lud mich ein, an einer Reihe von Workshops zur beruflichen Weiterbildung zu Themen wie public speaking und Fotografie teilzunehmen. Ich habe auch an lustigen Projekten teilgenommen, u. a. war ich als Beraterin für Mattel an einer Astrophysikerin-Barbie-Puppe beteiligt und habe das Vorwort sowie Kapiteleinführungen für ein Kinderbuch über den Weltraum geschrieben.
MG: Zu Beginn Ihres Physikstudium lernten Sie Astronominnen kennen, die eine Forschungsgruppe am American Museum of Natural History leiten. Wie war es, in einem Team zu arbeiten, das mehrheitlich aus Frauen bestand?
MA: In der Astronomie ist das Geschlechterverhältnis etwas besser verglichen zu anderen Bereichen der physikalischen Wissenschaften, auch wenn noch Verbesserungen dringend erforderlich sind. In den letzten Jahren haben Frauen etwa 40 % der Astronomie-Doktorate erworben[1] – doch neigen Frauen dazu, verglichen mit den Männern, das Fach frühzeitig zu verlassen.[2] In einem Team mit mehrheitlich weiblicher Beteiligung zu arbeiten, insbesondere auf der Führungsebene, bedeutet, dass ich mit Frauen gearbeitet habe, die es trotz verschiedener Hindernisse den Weg in leitende Funktionen der Astronomie geschafft haben. Durch meine Erfahrungen in dieser Arbeitsgruppe lernte ich viel über Durchhaltevermögen und Ausdauer trotz aller Widrigkeiten.
MG: In Hunter waren Sie Teil des John P. McNulty Stipendienprogramms, dessen Ziel die Förderung von Frauen in allen MINT-Bereichen ist. Sie haben auch den Rosalyn S. Yalow Achievement in Science Award gewonnen – benannt nach der Nobelpreisträgerin und ersten weiblichen Hunter-Studentin mit dem Schwerpunkt Physik. Warum ist es für Frauen wichtig, sich wissenschaftlich zu engagieren?
MA: Persönlich glaube ich, dass es für Frauen wichtig ist sich wissenschaftlich zu betätigen, weil es für sie eine Möglichkeit sein kann, etwas Größeres anzustreben. Gleichzeitig können sie einen Einfluss auf ihre Umgebung auszuüben. Besonders als muslimische Frau ist es wichtig der Wissenschaft nachzugehen, um dadurch der Welt zu zeigen, dass wir durch unseren Glauben und unsere Identität nicht eingeschränkt, sondern vielmehr bereichert werden.
MG: Sie arbeiten aktiv daran, Schülerinnen und Schüler zu inspirieren, sich für Wissenschaft und Astronomie zu interessieren. Worum handelt es sich dabei?
MA: Ich habe mich dazu entschlossen, meine Liebe zur Wissenschaft, zur Astronomie und zum forschungsorientierten Entdecken mit anderen zu teilen. Ich habe eine Vielzahl verschiedener Programme und Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler organisiert, darunter das Darstellen von Planetenbahnen, die Verwendung von Kunst zur Aufschlüsselung wissenschaftlicher Konzepte und die Durchführung praktischer Experimente. Jeder hat eine einzigartige Art zu lernen, deshalb halte ich es für wichtig, bei der Durchführung von Aktivitäten flexibel vorzugehen. Was die Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe anbelangt, so bin ich auch bestrebt, sie bei der Vorbereitung auf das College zu betreuen.
MG: Ein Großteil Ihrer Arbeit findet zu ungeselligen Zeiten statt. War das für Sie als Frau jemals problematisch?
MA: Häufig beobachte ich in nationalen Observatorien, was bedeutet, dass ich für meine Arbeit manchmal die ganze Nacht aufbleiben muss, um Daten für meine Forschung zu sammeln. Observatorien befinden sich an abgelegenen, trockenen Orten in großer Höhe – auf Berggipfeln und in Wüsten – und sind nur von wenigen Menschen bewohnt. Durch Allahs Gnade habe ich es nicht als Frau problematisch empfunden, zu diesen späten Stunden an abgelegenen Orten zu arbeiten. Ich achte immer besonders darauf, wachsam zu bleiben und ich greife auf alle verfügbaren Vorkehrungen zurück, die es mir ermöglichen, mich in diesen Situationen besser zu schützen.
MG: Der Heilige Qur’an hat muslimische Frauen dazu angewiesen, Purdah zu vollziehen – d. h. ihre Köpfe zu bedecken und sich sittsam zu kleiden und zu verhalten. Hat Ihnen dies jemals Schwierigkeiten bei Ihrer Arbeit bereitet?
MA: Es ist mir sehr wichtig während meiner Arbeit, mein Aussehen und auch meine Manieren dem Purdah-Vorschriften anzupassen. Ich trage meine Burka und mein Hijab zu jeder Zeit, wenn ich außer Haus bin, was auch jede arbeitsbezogene Veranstaltung oder Versammlung einschließt, an der ich jemals teilgenommen habe. Ich habe Teleskope an nationalen Observatorien betrieben, auf Konferenzen präsentiert und mich mit Nobelpreisträgern in meinem vollen Purdah an Veranstaltungsorten auf der ganzen Welt getroffen. Ich gebe Männern nicht die Hand, und ich habe festgestellt, dass diese Praxis besonders effektiv ist, um von Anfang an eine physische Grenze zu den nicht verwandten Männern zu setzen, denen ich begegne. Ich habe einige Leute kennengelernt, die glauben, dass ein Purdah oder die Verweigerung des Handschlags Frauen in ihrer beruflichen Laufbahn benachteiligen könnte, aber das ist meiner Erfahrung nach nicht der Fall. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass Purdah meine Fähigkeit, eine professionelle Wissenschaftlerin zu sein, in irgendeiner Weise behindert hat. Tatsächlich haben mir viele Leute gesagt, dass sie meinen Mut bewundern und mich mehr dafür respektieren, obwohl es mich im beruflichen Umfeld herausstechen lässt. Wir leben heute in einer Welt, in der die Gesellschaft zunehmend Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund einbezieht, was auch die Vertretung der Muslime im MINT und in anderen Bereichen einschließt. Darüber hinaus haben wir das Recht, uns in unserem Purdah als muslimische Frauen zu kleiden und die Diskriminierung ist illegal. Wir sollten uns nicht scheuen, der Welt zu zeigen, wer wir sind.
MG: Hat die Tatsache, eine Ahmadi-Muslima zu sein, Sie in irgendeiner Weise im Hinblick auf Ihren Berufswunsch behindert?
MA: Ich habe nie das Gefühl gehabt, nur weil ich eine Ahmadi-Muslima bin, meine Berufswünsche in irgendeiner Weise behindert wurden. Vielmehr inspirierten mich die Worte von Hadhrat Musleh Mau’udRA (Zweites Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat), der die Ahmadi-Muslime ermutigte, sich für jede säkulare Aktivität, Kompetenz und Beruf zu engagieren und herauszuragen, um das Versprechen Gottes zu erfüllen, dass die Ahmadiyya Jamaat die Welt prägen wird[3]. Im Lichte dieses Versprechens glaube ich, dass es mir als Ahmadi-Muslima helfen wird, meine Berufswünsche zu verwirklichen.
MG: Als Muslime verrichten wir das Gebet fünf Mal am Tag und fasten im Monat Ramadan. Wie haben Sie es geschafft, die Erfüllung Ihrer religiösen Verpflichtungen mit Ihrer Arbeit und einen vollen Tagesplan zu vereinbaren?
MA: Aller Preis gebührt Allah, denn ich bin durchaus in der Lage, meine religiösen Verpflichtungen während meiner Arbeit ungehindert zu vollziehen. Ich habe ein Büro, in dem ich meine täglichen Gebete ungestört verrichten kann, während ich bei der Arbeit bin. Was den Ramadan betrifft, so ist es ein Segen von Allah, dass ich eine verständnisvolle und unterstützende Dissertationsberaterin habe. Sie stammt von den Kanarischen Inseln in Spanien, die nahe bei Marokko liegen und daher muslimische Einflüsse haben. Während des Ramadan erlaubt sie mir, den ganzen Monat über aus der Ferne zu arbeiten, damit ich nach Hause gehen und während des Fastens bei meiner Familie sein kann. Sie befürwortet diese Regelung sehr. Letztes Jahr, einige Wochen vor dem Ramadan, sagte sie mir sogar: »Warum bist du noch hier auf dem Campus? Du solltest dich zu Hause mit deiner Familie auf den Ramadan vorbereiten.«
MG: Professor Abdus Salam, der erste Ahmadi-Muslim, der einen Nobelpreis für Physik erhielt, erwähnte oft, dass der Heilige Qur’an als eine Inspirationsquelle für seine Forschung diente. Woher nehmen Sie sich ihre Inspiration?
MA: Meine Forschungsarbeit ist inspiriert von der Weisheit des Heiligen Qur’an sowie der Botschaft von Hadhrat Musleh MaudRA an die Jugend aus einer Ansprache aus dem Jahr 1936, die ich unten aufgeführt habe. Sie erinnert mich daran, dass es für einen Ahmadi-Muslim eine Art Anbetung ist, Forschung zu betreiben und zu wissenschaftlichen Erkenntnissen beizutragen, um die Prophezeiung des Verheißenen MessiasAS zu erfüllen, dass Ahmadis auf jedem Gebiet, so Allah will, erfolgreich werden.
»Ihr solltet euch selbst kompetenter und fähiger machen, nicht nur in eurer Religion, sondern auch in jeder säkularen Tätigkeit, jeder Fertigkeit und jedem Beruf. So sehr, dass es keinen Bereich mehr gibt, in dem die Welt jemanden finden kann, der kompetenter ist als die Mitglieder der Jamaat Ahmadiyya.
Ihr werdet die geschickteste Schmied; Ihr werdet der tüchtigste Zimmermann. Ihr werdet der überragendste Architekt. Ihr werdet der beste Chemiker. Ihr werdet der ideale Arzt. Ihr werdet der makelloseste Künstler. Ihr werdet der tadelloseste Stoffweber. Ihr werdet der perfekte Konstrukteur von Geräten. Wenn du mit dieser Entschlossenheit aufstehst und dich weit in die Länder der Welt ausbreitest, dann werden die Engel Gottes Gnade auf dich herabregnen lassen und was auch immer du arbeitest, selbst wenn es eine weltliche Aufgabe zu sein scheint, du wirst dafür belohnt werden. Denn jeder Schritt, den du unternimmst, wird der Vollendung des Versprechens Gottes dienen, das darin besteht, dass die Jamaat Ahmadiyya die Welt bestimmen wird.
Wenn also der Schmied, der versucht, die übrige Welt beim Schmieden von Eisen zu übertreffen, aus dem einzigen Grund, weil es ein Versprechen Gottes gibt, dass die Jamaat Ahmadiyya die Welt dominieren wird und er an der Erfüllung dieser Prophezeiung teilhaben möchte, dann schmiedet er kein Eisen, sondern er übt tatsächlich Gottesdienst aus.
Wenn ein Ingenieur unter euch, der die ganze Welt durch Fortschritte im Ingenieurwesen zu überwinden versucht, weil es ein Versprechen Gottes gibt, dass die Jamaat Ahmadiyya die Welt dominieren wird und er an der Erfüllung dieser Prophezeiung teilhaben möchte, dann ist er nicht im Ingenieurwesen tätig, sondern er ist in der Tat in der Anbetung Allahs engagiert.
Ähnlich verhält es sich mit dem Bauern unter euch, der seinen Ertrag mit der Absicht und Entschlossenheit steigert, dass es ein Versprechen Gottes gibt, dass die Jamaat Ahmadiyya die übrige Welt dominieren wird und er an der Erfüllung dieser Prophezeiung teilhaben möchte, dann betreibt er keine Landwirtschaft, sondern er ist tatsächlich am Fortschritt des Glaubens beteiligt.
Deshalb sollte Fortschritt in jedem Beruf, in jeder Fertigkeit und in jeder Kunst geschehen, ganz frei von den Beschränkungen der Länder und Gebiete, denn ein rechtschaffener Mensch kann nicht durch die Umzäunungen irgendeines Staates oder Landes zurückgehalten werden. Von dort aus werdet ihr beobachten, wie Allahs Segen auf euch niederprasselt.«[4]
MG: Ihr Ziel ist es, einen Zwillingsplaneten der Erde zu entdecken, der möglicherweise andere Lebensformen beherbergt. Es gibt Hinweise auf andere mögliche Lebensformen im Heiligen Qur’an (z.B. 42:30). Haben Sie sich dafür von Ihrem Glauben inspirieren lassen?
MA: Unbedingt. Der Heilige Qur’an sagt kategorisch über die Existenz von Leben im Universum aus, eine Behauptung, die Astronomen derzeit nicht mit Sicherheit auf der Grundlage von Beobachtungen aufstellen können. Geleitet von der wunderbaren Weisheit des Heiligen Qur’an bin ich inspiriert, meine Forschungen fortzusetzen.
MG: Was sind Ihre zukünftigen Ziele und Ambitionen?
MA:Ich würde gerne in der Astronomie und im akademischen Bereich weiterarbeiten, so Allah will. Mein Ziel ist es, Universitätsprofessorin zu werden, unser Verständnis des Universums voranzubringen und die Studentenforschung zu betreuen. Insbesondere möchte ich junge muslimische Frauen und andere Ahmadi-Studenten dabei unterstützen, akademische Forschung zu betreiben. Ich bete, dass ich dieses Ziel erreiche, so Allah will, wenn es für mich richtig ist.
MG: Vielen Dank, Munazza, dass Sie sich die Zeit genommen haben, einige Ihrer Gedanken und Erfahrungen mit uns zu teilen. Wir wünschen Ihnen viel Glück für Ihre zukünftigen Ziele, so Allah will.
Referenzen:
[1] American Institute of Physics, Women in Physics & Astronomy 2019 Report. https://www.aip.org/statistics/reports/women-physics-and-astronomy-2019#files.
[2] Flaherty, K. The Leaky Pipeline for Postdocs: A study of the time between receiving a PhD and securing a faculty job for male and female astronomers (2018). https://arxiv.org/pdf/1810.01511.pdf.
[3] Khutbat-e-Mahmood 1936, S. 36-37
[4] Ibid.
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