Abdullah Cheema, Deutschland
Waqf-e-Arzi – ein gängiger und wohlbekannter Begriff unter Ahmadi-Muslimen. Das Wort Waqf impliziert einen Dienst und unter Arzi ist eine temporäre Zeitspanne zu verstehen. Wie die Begriffserklärung erahnen lässt, handelt es sich beim Waqf-e-Arzi um einen freiwilligen Dienst, in dem man seine Zeit temporär für die Arbeit in der Ahmadiyya Gemeinde opfert. Dabei gibt es für das Waqf-e-Arzi in der Regel keine Entlohnung per se, sondern wir Ahmadi-Muslime glauben fest daran, dass Gott selbst uns für diesen Dienst belohnen wird und wir dadurch Seine Segnungen erlangen können.
Ich habe mein Waqf-e-Arzi im März 2022 in Argentinien vollzogen. Dabei war meine Motivation vor allem, auch an den Segnungen dieses besonderen Dienstes teilzuhaben. Außerdem hat mich auch die spanische Sprache und Kultur interessiert. In der Schule hatte ich Spanisch als Fremdsprache gehabt, was mir eine gewisse Starthilfe gab, obwohl man auch keine großen Schwierigkeiten hat, wenn man die Sprache nicht beherrscht. Vor allem die jüngeren und gebildeten Menschen können dort Englisch sprechen. Kurz vorab: Argentinien ist das achtgrößte Land weltweit und beherbergt verschiedene Nationalitäten und Kulturen. Die Hauptstadt Buenos Aires ist sehr europäisch im Vergleich zum restlichen Land, das wird einem dort auch sofort gesagt. Allerdings sind Armut und Korruption große Probleme in Argentinien. Die Argentinier selbst sind sehr gastfreundlich und, wenn man sich die dortige Gesellschaft und die Geschichte Argentiniens anschaut, weltoffen. Die Bereitschaft, Neues zu lernen und den Menschen gegenüber näher kennenzulernen, sind Eigenschaften, die die Argentinier besitzen und auch leben.
Während meines dreiwöchigen Waqf-e-Arzi konnte ich dort mit einigen unserer Gemeindemitglieder eine enge brüderliche Bindung aufbauen, die man sonst nur unter langjährigen Freunden bzw. Kindheitsfreunden kennt.
Am 09. März 2022 begann ich mit einer Gruppe bestehend aus dem dortigen Imam, Herrn Marwan Gill und drei weiteren Ahmadi-Muslimen eine Reise aus der Hauptstadt Buenos Aires in Richtung Norden Argentiniens. Wir besuchten also die Provinz Chako, wobei dies der erste Besuch unserer Gemeinde in dieser Provinz war. Dabei ging es bei diesem Besuch darum, den dortigen Behörden unsere Gemeinde vorzustellen und die Friedensbotschaft des Islam zu übermitteln. Islam heißt wortwörtlich übersetzt Frieden und genau das lehrt dieser auch. Wir wurden sehr respektvoll vom Arbeitsminister, dem Direktor für Religionsausübung und dem Staatssekretär empfangen und hatten die Möglichkeit, den Islam und unsere Gemeinde vorzustellen. Der Arbeitsminister brachte die Notwendigkeit der Aufklärung auf den Punkt, indem er anmerkte, dass so, wie die Menschen bei Südamerika sofort an Drogenhandel , die meisten an Terrorismus dachten, wenn es um den Islam gehe. Es folgte ein Interview im örtlich bekanntesten Fernseh- und Radiosender mit unserem Imam und er erläuterte nochmals unser Vorhaben.
Danach wurde in einem offiziellen Meeting unsere Gemeinde in der Hauptstadt Resistencia der Provinz Chako offiziell anerkannt. Argentinien ist ein sehr christlich geprägtes Land, wobei viele die Religion auch noch praktizieren. In Chako gibt es aber so gut wie keine Muslime und so waren alle sehr erfreut über unser Kommen. Das merkte man auch später in einer Kirche in Resistencia, wo wir zu einem interreligiösen Dialog eingeladen wurden. Da es dort auch wenig bis keine Informationen über den Islam gibt, legten wir den Heiligen Qur’an mit spanischer Übersetzung und Bücher über den Islam in lokalen Bibliotheken aus.
Am nächsten Tag reisten wir als argentinische Delegation zur Jalsa Salana (jährliche Versammlung) in Paraguay, Asunción. Die Jalsa Salana der Ahmadiyya Jamaat findet in nahezu jedem Land statt, wo die Gemeinde vertreten ist. Sie stellt ein jährliches Highlight für alle Mitglieder dar. Während an der Jalsa Salana in Deutschland bis zu vierzigtausend Personen teilnehmen, waren es in Paraguay um die hundert TeilnehmerInnen. Ziel dieser Versammlung ist es, dass sich jeder spirituell und moralisch weiterentwickeln kann. Dazu tragen die verschiedenen Vorträge, gemeinschaftlichen Gebete etc. bei.
Die Atmosphäre unter den Ahmadi-Muslimen aus Paraguay war familiär und sehr herzlich. Am zweiten Tag der Jalsa konvertierte ein Bruder aus Brasilien zum Islam und trat in die Ahmadiyya Gemeinde ein. In den nächsten Tagen besuchten wir gemeinsam mit einer kanadischen und bolivianischen Delegation die Iguazú-Wasserfälle in Brasilien. Man sagt sich dort, dass diese Wasserfälle bei Weitem schöner wären als die viel berühmteren Niagarafälle!
Später ging es für uns nach Uruguay, Montevideo. Dies ist eine sehr schöne Stadt, direkt am Meer. Dort wurde auch ein interreligiöser Dialog für den Frieden durch unsere Gemeinde organisiert. Es kam zu regem Austausch und man spürte, dass die Leute großes Interesse daran hatten, den Islam näher kennenzulernen.
Die letzte Woche verbrachte ich in Buenos Aires, Argentinien. Um den Leserinnen und Lesern ein Beispiel der engen, brüderlichen Atmosphäre zu geben, möchte ich von einem Freund der Gemeinde in Buenos Aires erzählen, der mir seine Zweitwohnung als Bleibe anbot, und das nach einer Woche des gegenseitigen Kennenlernens! Es kamen einige Journalisten für Interviews, wobei mir hier die deutsche Zeitung „Argentinisches Tageblatt“ erwähnenswert erscheint, die einen ausführlichen Artikel über unseren dortigen Imam und unsere Gemeinde publizierte. Wir organisierten auch mehrere Dialogaktionen („Ich bin ein Muslim – haben Sie eine Frage?“) und Flyerverteilungen. Natürlich durfte ein Abendessen in der berühmten Pizzeria Güerrin und ein Spaziergang durch die Innenstadt nicht fehlen.
In all diesen Veranstaltungen unserer Gemeinde ging es darum, über das verzerrte Bild des Islam, dass in den Medien präsentiert wird, aufzuklären und aufzuzeigen, dass der Islam eine friedliche Religion ist. Auf der Durchreise erkannte uns eine ältere Dame an unseren Shirts mit der Aufschrift „Muslime für Frieden“ und sie erzählte, dass sie uns im Fernsehen gesehen hatte und äußerte Lob für unsere Aktionen.
Das Waqf-e-Arzi in Argentinien hat mir geholfen, meinen Horizont zu erweitern und neue Kulturen und Menschen kennenzulernen. Außerdem konnte ich neue Freunde hinzugewinnen. Es hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig in einer pluralistischen Gesellschaft der interreligiöse Dialog und der Austausch untereinander für ein friedliches und harmonisches Zusammenleben ist.
Über den Autor:
Abdullah Cheema studiert zurzeit Translation, Sprache und Kultur am FTSK Germersheim
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