Geschichtliches Weltreligionen

Adam, Vater der Menschheit?

In allen Religionen ist, wenn von Adam gesprochen wurde, nicht immer nur von einer Person die Rede gewesen.

von Bilal Aslam

Adam, der als Vater der Menschheit gilt, ist eine bekannte Figur in allen drei monotheistischen Religionen. Er legte quasi die ersten Grundsteine für die bekannten Religionen der Zeit. Wer aber war diese Person und wann hat Adam wirklich gelebt? 

In diesem Artikel geht es darum, den Begriff Adam und seine Persönlichkeit mit verschiedenen Anschauungen zu vergleichen. Zuerst soll die hinduistische Anschauung dargelegt werden, welche der biblischen sehr ähnelt, die dieser nachfolgt. Danach wird die traditionelle muslimische Perspektive bezüglich der Geschichte Adams erörtert, bevor schließlich die Ahmadiyya Sichtweise behandelt wird. 

Bezieht man übrigens den Begriff Adam auf eine einzige Person, wird seine Bedeutung nicht voll ausgeschöpft. Denn es fällt auf, dass in allen Religionen, wenn von Adam gesprochen wird, nicht immer nur von einer Person die Rede ist. Adam1 ist eine relativ generelle Bezeichnung, damit ist auch der – oder ein Mensch im Allgemeinen gemeint. 

Die hinduistische Sichtweise 

Von Adam ist, wie gesagt, in verschiedenen Religionen die Rede. Auch im Hinduismus spricht man von Adama und seiner Frau Havyavat. Sie lebten hinduistischen Schriften zufolge in einer Stadt Namens »Pradan«. Neben dieser Stadt gab es einen geheimnisvollen Wald. Von Gott war es demnach verboten worden, diesen zu betreten sowie daraus etwas zu essen. Nachdem Adama auf seine Frau unter dem Papa-Vriksha Baum gewartet hatte, überredete eine Schlange die beiden von diesem Baum zu essen.2,3

Wenn wir diese Geschichte genauer betrachten, dann finden wir große Parallelen mit der in der Bibel erwähnten Erzählung über Adam und seine Frau Eva, die auch von einer Schlange verführt worden sind, im Garten Eden vom Baum der Erkenntnis zu essen. Es würde diesen Artikel sprengen, nachzuforschen, inwiefern die Bibel hier vom Hinduismus beeinflusst worden ist. Indes kann in einem gesonderten Beitrag auf die möglichen hinduistischen Quellen des Alten Testaments eingegangen werden. 

Die biblische Geschichte Adams 

Die Geschichte von Adam und Eva wird in der Bibel wie folgt erzählt. Gott erschuf den Menschen und nannte ihn Adam, er setzte ihn in den Garten Eden und erlaubte, von allem zu essen, außer vom Baum der Erkenntnis.4 Danach erschuf Gott, weil der Mensch allein war, aus seiner Rippe eine Gehilfin.5 

Die Frau Adams, Eva, wurde im Garten Eden allerdings von der Schlange verführt und aß nicht nur selbst vom Baum der Erkenntnis, sondern ließ auch Adam daran teilhaben. Daraufhin ist Gott erzürnt und ließ Adam und Eva aus dem Paradies vertreiben.6

So heißt es in der Bibel: »… Und Gott der HERR machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. … Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn baute und bewahrte. Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten; aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon isst, wirst du des Todes sterben.«7 

Weiters ist zu lesen, wie sie doch von diesem Baum essen und aus dem Paradies vertrieben werden. »Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von den Früchten der Bäume im Garten? Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esst nicht davon, rührt’s auch nicht an, dass ihr nicht sterbt. Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben; sondern Gott weiß, dass, welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist … und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß. Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürze … Und zu Adam sprach Er: Dieweil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes und hast gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen, verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.«8
Anhand dieser biblischen Geschichte wird Adam verantwortlich gemacht für die Erbsünde. Dementsprechend wird diese Sünde von Anfang an weiter an Menschen vererbt. Diese Erbsünde wird aber laut Christentum von JesusAS durch sein Leid bei der Kreuzigung wieder aufgelöst. 

Traditionelle Sichtweise der Muslime 

Nun komme ich zu einer Exegese von einem bekannten muslimischen Gelehrten, Hafez Imad- ud-Din Abu Al-Fida Ibn Kathir, der die Geschichte Adams aus seiner Sicht interpretiert. Er schreibt in seiner Exegese, dass Adam im himmlischen Paradies geboren sei und dort gelebt habe. Er und seine Frau Eva (Hawa auf arabisch) seien auch daraus vertrieben worden, weil Iblis sie verführte und sie von jenem Baum aßen, von dem es verboten war zu essen. 

In seiner Interpretation schreibt Ibn Kathir, dass Adam und Eva im himmlischen Paradies gelebt hätten und Iblis, ein Jinn oder Teufel, sie verführt habe, von diesem Baum zu essen. Bezüglich des Baums wird nicht deutlich interpretiert, was damit genau im Qur’an gemeint sein könnte. Wie Iblis ins Paradies eindringen konnte, obwohl er ja ein Teufel war und kein Recht besaß, ins Paradies einzutreten, darüber gibt er verschiedene Erklärungen. Er schreibt, dass Iblis sich in einer Schlange versteckte und dadurch ins Paradies eindringen konnte, oder er verführte Adam und Eva erst, als sie sich schon außerhalb des Paradieses aufhielten.

Die Geschichte Adams nach qur’anischer Lehre (die rationale Sichtweise des Qur’an, erläutert durch Schriften des Verheißenen MessiasAS und seines zweiten KalifenRA

Was sagt also der Qur’an wirklich über dieses Ereignis? Um dies nach islamischer Lehre zu verstehen, werde ich hier eine Zusammenfassung aus zwei Exegesen und anderen erläuternden Büchern vorlegen, die aus der Feder des Verheißenen Messias, Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS und des zweiten Kalifen, Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA stammen. 

Jener Adam, von dem im Qur’an die Rede ist, war, wie oft missverstanden wird, nicht der erste Mensch, sondern vor dem bekannten Adam gab es auch viele andere Adam, die ihr Volk leiteten. 

Wenn wir die Evolutionsgeschichte verfolgen, dann sehen wir, dass die Menschheit schon seit mehreren zigtausend Jahren existiert. Wir sehen, dass verschiedene Menschenarten zu verschiedenen Zeiten gelebt haben und auch ausgestorben sind oder sich zu neuen Völkern vergangener Zeiten entwickelt haben. 

Der Verheißene MessiasAS schreibt dazu: »Wir sind nicht überzeugt davon und folgen auch nicht der Lehre der Bibel in dieser Hinsicht, dass die Erde ihren Anfang mit Adam vor etwa 6000 bis 7000 Jahren hatte und dass vor ihm die Welt nicht existierte. Und wir sind auch nicht der Meinung, dass die derzeitige Spezies der Menschheit, die in verschiedenen Teilen der Erde verstreut ist, allein von dem letzten Adam abstammt. Wir sind sogar davon überzeugt, dass es vor diesem Adam auch Menschen gegeben hat, wie es auch im Qur’an steht: ›Ich will einen Statthalter (Kalifen) auf Erden einsetzen.‹9 Da ein Kalif ein Stellvertreter ist, heißt dies, dass es vor ihm auch Menschen gegeben haben muss. Dementsprechend ist es auch schwer zu sagen, von welchem Adam die Generation der amerikanischen – und australischen – Ureinwohner stammt.«10 

Der zweite Kalif der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA schreibt über die Evolution der Menschen in seiner Exegese: »Wie wir in den oben genannten Versen sehen können, ist die Entstehung der Menschheit nicht in einem Durchgang erfolgt und Adam war auch nicht der erste Mensch, sondern mit (diesem) Adam wurde die Menschheit zu ihrem höchsten Stand entwickelt und zwar zu der Stufe, die Lehre Gottes auf Erden zu verbreiten …«11

Die Menschheit hat demnach nicht nur einen einzigen Adam erlebt. Wie die Bedeutung dieses Begriffs schon zeigt, ist Adam nur eine Personifizierung von vielen seines Gleichen. In einer Erzählung des historischen islamischen Gelehrten Muhyyuddin Ibn ArabiRH wird auch deutlich, dass vor Adam schon viele Adam seiner Art gelebt haben müssen. Er schreibt, dass er in einem Traum einen Mann bei der Pilgerfahrt sah, der ihm als Adam vorkam. Ibn Arabi fragte ihn, ob er Adam sei. Der Mann fragte ihn zurück, von welchem Adam er sprach, da es Tausende von Adam vor seiner Zeit gäbe.12

Dazu schreibt der zweite KalifRA in seiner Exegese: »… durch diesen Traum wird auch deutlich, dass diese Ära der Menschheit schon eine sehr lange Zeit andauert und wenn in den Ahadith (Überlieferungen des Prophet MuhammadSAW) von 7000 Jahren die Rede ist, dann bezieht dies sich nur auf den letzten Adam unserer Zeit.«13 

Demnach würde es heißen, dass jede Ära einen Adam als eine führende Person gehabt haben muss, die ihr Volk und die Menschen vertritt. 

Um ein neues Volk zu leiten und zusammenzubringen, wird ein Führer unter ihnen auserwählt. Im Heiligen Qur’an wird von Kalifen gesprochen, wenn es heißt: »Ich will einen Statthalter (Kalifen) auf Erden einsetzen.«14 Ein Kalif Gottes, eine Bezeichnung, die auch auf einen Propheten zutrifft, wird von Gott gesandt, um das Volk zusammenzubringen. Diese Aufgabe hatte auch jeder Adam, der für sein Volk erschienen ist. Da die Menschen in völliger Unwissenheit und Unkenntnis lebten, setzte Gott Seinen Statthalter auf Erden ein, um aus einem unzivilisierten Volk ein zivilisiertes Volk zu machen. 

Diese Bedeutung trifft sehr wahrscheinlich auf jeden Adam zu, der am Anfang jeder menschlichen Epoche erschienen ist. Der verheißene MessiasAS schreibt, dass er in einer Offenbarung auch als »Adam« bezeichnet wurde.15 Aber der allererste Mensch, der sich aus einem primitiveren Wesen zu einem Menschen entwickelt hat, kann natürlich auch als Adam bezeichnet werden. 

Schlussfolgerung

Der Adam, der am Beginn unserer Epoche erschienen ist und im Heiligen Qur’an als Kalif16 und Prophet17 bezeichnet wird, wurde vor etwa 6000 Jahren in Mesopotamien, dem heutigen Irak18, geboren und hatte die Aufgabe, eine soziale Struktur zu entwickeln und die Menschen zu einem Volk zu machen.19 Er bildete mithilfe göttlicher Offenbarung eine soziale Gemeinde und verbreitete die Lehre von Gottes Einheit (Monotheismus) unter seinem Volk. 

Er war schließlich in seiner von Gott erhaltenen Aufgabe erfolgreich, indem er ein zivilisiertes Volk initiierte und war damit der Gründer unserer ersten Hochkultur, woraus wiederum neue Kulturen entstanden sind. 

_____________

1 Adam ist das hebräische Wort für »Mensch« und bezeichnet im Tanach den ersten Menschen. In Genesis (1. Mose 2,7) wird dieser Name in Bezug gebracht zum hebräischen Wort adamah für den Erdboden, aus dessen »Staub« (hebr. afar) der Mensch von Gott gebildet wurde. Wahrscheinlich kann man adam und adama zurückführen auf die Grundbedeutung »Hautoberfläche« ( Vgl. Claus Westermann: Genesis (Biblischer Kommentar AT I1). Neukirchen-Vluyn 3. Aufl. 1983, S. 275.).
2 Bhavishya Purana Parva III 4–7.
3 Asiatic Researches Vol. 1. Published 1979, pages 234-235. First published 1788.
4 Die Bibel, Genesis 2,17.
5 Die Bibel, Genesis, 2,19.
6 Die Bibel, Genesis, 3,1 und folgend.
7 Die Bibel, Genesis, 2,5-17.
8 Die Bibel, Genesis, 3,1-20.
9 Der Heilige Qur’an 2:31.
10 Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, Malfūẓāt, Band 10, S. 432.
11 Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA, Tafsīr-e kabīr, Band 1, S.294.
12 Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA, Tafsīr-e kabīr, Band 1, S.301.
13 Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA, Tafsīr-e kabīr, Band 1, S.301.
14 Der Heilige Qur’an 2:31.
15 Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, Malfūẓāt, Band 6; S. 31.
16 Der Heilige Qur’an 4:27.
17 Der Heilige Qur’an 3:34.
18 The Review of Religions: Januar 2006, S. 40.
19 Der Heilige Qur’an 20:119-120.

Weiterführende Literatur:

– A history of the literature of Adam and Eve: Michael E. Stone, 1992, Scholars 
– Adam, der Mythos vom Menschen: Ernst Benz; München 1955.
– Adam im Islam: Cornelia Schöck; Berlin 1993.
– Bibel Korrektur: Paul Hengge, 1979 
– Der Heilige Qur’an 
– Die Bibel 
– John R. Levison, Portraits of Adam in Early Judaism (JSP Supplement Series 1; Sheffield: Sheffield Academic Press, 1988) 
– Malfūẓāt, Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, 1984
Tafsīr Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad QadianiAS, Band 1, August 2004
Tafsīr-e kabīr, Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA, 1986 
– The life of Adam and Eve and related literature, Marinus de Jonge & Johannes Tromp, 1997, Sheffield Academic Press. 
– W.L. Lipscomb, The Armenian Apocryphal Adam Literature (University of Pennsylvania Armenian Texts and Studies, 8; Atlanta: Scholars, 1990) 

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