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Den Glauben an der Front bewahren: Ein muslimischer Arzt, COVID-19 und das Gebet

Interview mit Dr. Muhammad Anwar Malik, der als Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin im RCSI-Verband der Krankenhäuser in Irland tätig ist. Er ist der nationale Präsident der Ahmadiyya Muslim Gemeinde in Irland. Das Team von The Review of Religions konnte ihn am 31. März 2020 über die aktuelle Pandemie und ihre Auswirkungen auf Irland interviewen.

Tariq Malik: Dr. Anwar, ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wir sind wirklich gespannt auf das Gespräch mit Ihnen..

Dr. Anwar Malik: Ich danke Ihnen vielmals. 

Tariq Malik: Dr. Anwar, natürlich ist in Irland im Moment viel los, wie Sie wissen, und wir möchten mit Ihnen über die aktuelle Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie sprechen und erfahren, wie Sie persönlich damit umgehen und welche Vorkehrungen Sie getroffen haben, um Ihre Familie davor zu schützen. 

Dr. Anwar Malik: Wie Sie wissen, haben alle Länder der Welt mit dieser Epidemie zu kämpfen haben und da ich an vorderster Front im Gesundheitswesen tätig bin, bin ich einem höheren Risiko ausgesetzt. Im Allgemeinen folgen wir also den Richtlinien, die von unserem Land, unserer Regierung, erlassen wurden. Die Schulen sind also geschlossen, die Kinder sind zu Hause, sie gehen nicht aus dem Haus. Ich und meine Frau gehen nicht aus dem Haus, außer zum Einkaufen von essentiellen Lebensmitteln. Ich muss in einem Krankenhaus arbeiten und habe mit Covid-19-Patienten zu tun. Wenn ich also nach Hause komme, stelle ich sicher, dass ich im Krankenhaus dusche und wenn ich dann zu Hause bin, versuche ich, mich von meiner Familie fernzuhalten. Ich schlafe also auch in einem separaten Raum. Ich erlaube meinen Kindern nicht, in meine Nähe zu kommen. Das sind also allgemeine Maßnahmen, die wir hier ergriffen haben. Abgesehen davon wird auch viel Wert auf Gebete gelegt, denn spirituell betrachtet glauben wir an die Wirkung von Gebeten. So schreiben wir Seiner HeiligkeitABA um Gebete und genauso wird auch zu Hause viel Wert darauf gelegt.

Zubair Hayat: Herr Doktor, wie ist die Situation in den Krankenhäusern in Irland, denn ich befinde mich in London in Lockdown, Tariq dagegen in Amerika. Haben die Covid-19-Patienten begonnen, die Intensivstationen zu überfluten? Oder sind sie immer noch ziemlich leer? Und wie bewältigen die Ärzte die Arbeitslast? Ich weiss, dass Ärzte manchmal zwanzig Stunden am Tag arbeiten müssen. Wie funktioniert das? 

Dr. Anwar Malik: Ja, der Ansturm hat offiziell schon begonnen, so auch in Irland und auch die Intensivstationen füllen sich jetzt. Aber wir haben noch nicht den Höhepunkt der Welle erreicht, wie vorausgesagt. Aber wir haben viel geplant, wir wussten, dass sie kommen wird. Glücklicherweise ist unser Premierminister ein Arzt. Daher denke ich, dass man im Vergleich zu anderen führenden Politikern in der Welt vielleicht ein besseres Verständnis hatte. Wir haben also sehr viel geplant, obwohl Irland ein kleines Land mit sehr begrenzten Ressourcen ist, aber wir haben die Kapazität unserer Intensivstationen um das Drei- bis Vierfache der normalen Kapazität erhöht. Wir sind also bereit. Wenn die maximale Auslastung erreicht ist, so hoffen wir, dass wir das effektiv verwalten können.

Zubair Hayat: Dr. Malik, Sie wissen, dass man auf Instagram, auf YouTube und im Internet im Allgemeinen viele Ärzte und Krankenschwestern mit Gesichtsmasken sieht. Sie arbeiten schon so lange, dass die Gesichtsmaske anfängt, auf ihre Haut zu reiben und Schäden zu verursachen, weil sie zwanzig Stunden am Tag gearbeitet haben, [sie arbeiten] viele lange Schichten. Haben Sie das dort gesehen, wo Sie arbeiten und wie viele Stunden investieren denn die Menschen, um die Ausbreitung dieses Virus zu verhindern? 

Dr. Anwar Malik: Ja, die Gesichtsmasken, die man in den sozialen Medien und im Fernsehen sieht, sind speziell entworfene, eng anliegende Gesichtsmasken. Sie werden ‘N-95’-Gesichtsmasken genannt. Wenn man sie lange trägt, können sie schon einige Gesichtsverletzungen oder Risswunden oder sehr starke Abdrücke verursachen. Im Idealfall sollte man sie nicht sehr lange tragen, aber aufgrund des knappen Angebots dieser Masken in verschiedenen Ländern ist das Personal gezwungen, sie für längere Zeit zu tragen. Im besten Fall sollte man diese Masken abnehmen, nachdem man einen Patienten behandelt hat und wieder herauskommen. Also, Alhamdulillah, in Irland verfügen wir bisher über einen ausreichenden Vorrat an persönlicher Schutzausrüstung und wir kommen damit zurecht. Die Zeit ist also noch nicht so weit gekommen, dass wir ein solches Bild sehen werden. Bislang ist unser Personal gut geschützt. Bisher verfügen wir über genügend persönliche Schutzausrüstung, aber ich weiß nicht, was in Zukunft passieren wird. Wir gehen davon aus, dass wir in zwei bis drei Wochen den Höhepunkt erreichen werden. 

Zubair Hayat: Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie im Umgang mit den Coronavirus-Patienten nervös werden oder Angst haben, dass Sie sich anstecken könnten oder wie fühlen Sie sich im Umgang mit ihnen? Denn offensichtlich ist dies für viele Ärzte etwas Neues.

Dr. Anwar Malik: Ja, während wir in Krankenhäusern arbeiten, wissen Sie, wir sind professionell ausgebildete Leute, sehr professionell ausgebildete Leute. Wissen Sie, wenn ich selber im Krankenhaus bin, kommt mir diese Frage gar nicht in den Sinn. Ich gehe einfach hin und kümmere mich um diese Patienten. Ich bin ein Spezialist auf der Intensivstation und habe auch einen anästhesiologischen Hintergrund, aber ich arbeite auf der Intensivstation. Und der intensivmedizinische Teil der Patientenbetreuung ist der risikoreichste Teil, bei dem wir die Patienten intubieren müssen, was bedeutet, dass wir einen Schlauch in ihre Luftröhre einführen müssen, um sie an ein Beatmungsgerät anzuschließen und dies gilt als das risikoreichste Verfahren im Hinblick auf die Aerosolerzeugung, so dass wir dem sehr ausgesetzt sind. Aber wir behandeln die Patienten mit der richtigen Ausrüstung. Im Krankenhaus kommt mir das also nicht in den Sinn. Ich gehe damit einfach sehr professionell um. Aber wenn meine Schicht zu Ende geht und wenn ich dann Geschichten höre, dass Kollegen krank werden und dass Familien betroffen sind, dann mache ich mir natürlich ein wenig Sorgen, aber ich treffe alle Vorsichtsmaßnahmen. Wie gesagt, ich gehe nach Hause und vergewissere mich, dass ich geduscht habe, ich ziehe mich um, wenn ich zu Hause ankomme, und ich versuche, den größtmöglichen Abstand zur Familie zu halten. 

Tariq Malik: Dr. Malik, wenn jemand krank ist, wissen Sie, dass viel Wert darauf gelegt wird, mental stark zu bleiben. Es gibt den Aspekt der Willenskraft, dass man die meisten Dinge bewältigen kann, wenn man stark genug ist. Wenn Sie diese Covid-19-Patienten sehen, die sich der Situation bewusst sind, ebenso der hohen Sterblichkeitsrate auf der ganzen Welt. Was ist Ihnen aufgefallen hinsichtlich ihrer Haltung und ihres Kampfgeistes gegen dieses Virus? 

Anwar Malik: Ich habe mit der Patientengruppe zu tun, die sehr krank sind, wissen Sie. Wenn ich mich im Management engagiere, weil ich nicht im normalen Covid-Kampf tätig bin. Im Allgemeinen kommen die Patienten in die Notaufnahme und werden in Covid- und Nicht-Covid-Stationen eingeteilt. Und die anfängliche Betreuung besteht darin, dass sie einfach isoliert werden und nur Sauerstoff und Medikamente erhalten, die nicht erwiesen sind, aber die Leute probieren verschiedene Medikamente aus. Sie rufen uns an, wenn diese Patienten sehr krank werden und nicht atmen können. Und dann werden wir eingeschaltet. Wenn wir eingeschaltet sind, haben diese Patienten das Gefühl, dass sie sterben und unsere Aufgabe ist es, sie wiederzubeleben: wir geben ihnen Sauerstoff, wir müssen ihnen Schlafmittel geben, wir versetzen sie in ein Koma, damit sie keine Qualen und Schmerzen verspüren. Dann setzen wir sie an ein Beatmungsgerät und während der Zeit, in der sie am Beatmungsgerät bleiben, sind sie tief tief betäubt oder befinden sich im Koma. Dies ist ein medikamentös eingeleitetes Koma. Sie fühlen also nichts, und wenn sie aufwachen, so ist bisher noch keiner meiner Patienten aufgewacht. Es ist also sehr schwer zu sagen, aber es ist definitiv ein schreckliches Gefühl, denke ich, wenn man in dieses Stadium kommt. Ich kann verstehen, dass Patienten das Gefühl haben, dass sie bald sterben werden.

Zubair Hayat: Meine letzte Frage wäre, Sie sind Arzt, Sie sind Facharzt, aber Sie sind auch Muslim, wie halten Ihr Glaube, Ihre Spiritualität Sie auf dem Boden der Tatsachen und ermöglichen es Ihnen, weiter voranzukommen? 

Dr. Anwar Malik: Es ist sehr wichtig für uns als Muslime und Ahmadi-Muslime. Wir haben einen sehr starken Glauben an Allah, den Allmächtigen, und wir haben eine große Unterstützung von unserem Kalifen, Seiner Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA. Wir erhalten also viel Trost, wenn wir ihm Briefe schreiben. Wie ich eingangs sagte, befolgen wir in dieser Pandemie von Anfang an auch die Anweisungen unseres Kalifen und er hat uns angewiesen, den Anweisungen der Regierung zu folgen und viel zu beten und viel Wert auf Gebete zu legen. Und in der Freizeit sollte man Bücher lesen und das Niveau des religiösen Wissens und der Spiritualität erhöhen. Und es ist eine Tradition unter den Ahmadis oder der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Seiner HeiligkeitABA regelmäßig für Gebete zu schreiben und von Kindern bis zu Erwachsenen, ob jung oder alt, jeder schreibt ihm regelmäßig. Wenn man einen Brief schreibt, spürt man so viel Trost und Frieden im Herzen, denn wir glauben, dass er ein Mann Gottes ist und Gott ihm zuhört. In schwierigen Zeiten ist das eine große Hilfe.

Tariq Malik: Sehr schön. Dr. Anwar, ich habe nur noch eine letzte Frage. Sie sind der nationale Präsident der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Irland. Von Seiner HeiligkeitABA wurde ein homöopathisches Mittel verschrieben. Einige Ärzte stehen dem wirklich skeptisch gegenüber. Können Sie dazu Stellung nehmen? Sollten wir das als Anhänger Seiner HeiligkeitABA einnehmen? Ist die Wirkung erwiesen bzw. funktioniert das Mittel?

Dr. Anwar Malik: Ich bin ein Mediziner und kein Homöopath. Daher fällt es mir sehr schwer, diese Frage zu beantworten. Ich glaube, dass jede Medizin oder jede medizinische Behandlung eine Rolle spielt. Nun zur modernen Medizin: um etwas zu beweisen, muss man einige Studien auf eine bestimmte Art und Weise durchführen. Selbst die Medikamente, die zur Behandlung von Covid-19 eingesetzt werden – entweder Chloroquin oder Hydroxychloroquin oder verschiedene andere Namen, die Sie in den sozialen Medien hören – auch sie sind nicht bewiesen. Es handelt sich also um den wohlwollende Einsatz dieser Medikamente, die die Menschen ausprobieren. Als Ahmadi-Muslime sehen wir, dass unsere Kalifen die Homöopathie in der Vergangenheit praktiziert haben und wir glauben fest an [die Wirkung] dieser Medikamente. Ich gehe davon aus, dass jeder Ahmadi diese Medikamente prophylaktisch einnimmt. Als Arzt nehme ich diese Medizin auch. Diese Frage ist mir also nicht in den Sinn gekommen. Aber jedes Verfahren, sei es pflanzliche Medizin, homöopathische Medizin oder griechische Medizin, spielt eine gewisse Rolle. Diese Medikamente werden seit Jahrhunderten praktiziert. Weil unser geliebter Imam, Seine HeiligkeitABA, uns angewiesen hat, diese Medikamente einzunehmen, nehmen wir diese Medikamente also auch ohne jeden Zweifel ein und wir glauben, dass wir dadurch insha’Allah (so Gott will) Schutz erhalten werden. 

Tariq Malik: Ich danke Ihnen vielmals! Vielen Dank für Ihre Zeit und danke, dass Sie da waren. Wir hoffen wirklich, dass Sie und Ihre Familie in Sicherheit bleiben. 

Dr. Anwar Malik: Ich danke Ihnen ebenso! 

Zubair Hayat: Wir beten für Irland und für alle Menschen dort. Ich danke Ihnen vielmals! 

Dr. Anwar Malik: JazakAllah! As-salāmu ʿalaikum wa-raḥmatullāh (Friede und Segnungen Allahs seien mit euch) 

Tariq Malik: As-salāmu ʿalaikum (Friede sei mit Ihnen)

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