Aktuelle und soziale Themen Islam

Der islamische Kompass in einer gottlosen Welt

Viele Muslime scheinen überfordert mit Themen wie LGBTQ & Co. Dabei bietet der Islam zeitlose Gebote, die weder diskriminieren noch glorifizieren. Aufbereitet in einem Vortrag von Tariq Hübsch.
MS Image Creator

von Tariq Hübsch

Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen

Als wir klein waren, haben uns unsere Eltern gesagt: Wir hoffen und bauen auf euch. Wenn ihr groß seid, werdet ihr diejenigen sein, die die Sprache dieses Landes lernen, ihr werdet verstehen, wie diese Gesellschaft funktioniert. Immerhin waren sie hier Fremde. Die Mehrheit von ihnen suchte hier im Westen Schutz vor religiöser Verfolgung. Andere kamen hierher, um ihren Familien eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Die besonders frommen Menschen unter ihnen waren erschrocken über den moralischen Verfall in dieser Gesellschaft. Ja, als wir noch klein waren, sagten uns unsere Eltern: Wenn ihr groß seid, werdet diese Gesellschaft verstehen und dadurch die Botschaft von Islam Ahmadiyyat besser vermitteln können. Ihr werdet euch der Unmoral dieser Gesellschaft entgegenstellen und das Gute annehmen und das Schlechte ablehnen. Wenn ihr groß seid, werdet ihr einen akademischen und ökonomischen Status erreichen, der es euch erleichtert, Einfluss zu nehmen. Aber bei all diesen Hoffnungen und Wünschen haben vielleicht manche der hier anwesenden Mütter und Väter einen wichtigen Aspekt völlig außer Acht gelassen oder unterschätzt: Die Anziehungskraft einer gottlosen Welt, der wir seit unseren ersten Schritten im Kindergarten, über die Schule bis in die Universität oder Arbeitswelt ausgesetzt sind. Es ist eine Welt der großen Verlockungen und falschen Versprechungen. Sie tarnen sich als reizvolles Angebot, besonders hier in der westlichen Welt. Sie verkaufen sich als edle Werte von Freiheit und Toleranz.

Erinnern wir uns an die Worte des Verheißenen Messias (as), der den geistigen Niedergang einer technologisch fortgeschrittenen Menschheit betrachtend, resümierte:

“Was geistig am Hässlichsten und Abscheulichsten ist, wird als blendende Schönheit in den Umgangsformen bewundert.” 

In diesem Kontext spricht er von einem Gift, das fast die ganze Welt zerstört hat. Er sagte:

“Reine und edle Wahrheit wird ausgelacht und es wird damit gescherzt.”

Was ist es, das die Menschen spotten und scherzen lässt? Es ist neben dem Anspruch, die Welt gemessen, berechnet und verstanden zu haben, eine Vorstellung von Freiheit und Toleranz, die den Menschen glauben lässt, er habe den Schlüssel zu einer aufgeklärten, moralischen und friedlichen Gesellschaft entdeckt. Im Zentrum der Selbstdefinition westlicher Gesellschaften stehen Freiheit und Toleranz. Beide Werte sind fest im Islam verankert. Das beginnt mit der Erschaffung des Menschen in seiner Unterschiedlichkeit und führt über den von Gott gewährten freien Willen zwangsläufig zur Toleranz gegenüber anderen Menschen und ihren Weltanschauungen.

Wenn man jedoch die Entwicklungen im 21. Jahrhundert betrachtet, dann muss sich diese Gesellschaft bald die Frage stellen: Kann es zu viel Freiheit und Toleranz geben, und zwar so viel, dass sie am Ende in Beliebigkeit, Willkür, Selbstgerechtigkeit und Tyrannei mündet? Was meine ich damit?

Schauen Sie einmal bewusst auf das, womit ihre Kinder tagtäglich konfrontiert sind: Ja, ihnen wird ein Gift verabreicht, das ihnen tröpfchenweise serviert und unter viel Zucker untermischt wird. Es ist in Filmen und im Fernsehen, in Büchern und Zeitschriften, ja, es ist inzwischen sogar in Schulbüchern und Hörsälen. Es geht schon lange nicht mehr um Freiheit und Toleranz. Es geht um ein Welt- und Menschenbild, das offensiv beworben, idealisiert und voller Stolz zelebriert wird. Und dabei wird jeder Einzelne dazu genötigt, diese Vorstellung über den Menschen nicht nur zu tolerieren, sondern sie zu bestätigen und an sie zu glauben.

Inzwischen hat die westliche Welt, wenn es um ihre moralische Überlegenheit geht, eine einzige Frage als eine Art Test entwickelt, um zu prüfen, wer zu ihr gehört und wer nicht. Und diese Frage lautet: Wie stehen Sie zu LGBTQIA+?

Ihnen wird sicher nicht entgangen sein, dass der gesamte Juni des Jahres 2023 im Zeichen des pride-months stand, der von einer weltweiten Kampagne propagiert wurde: An staatlichen Gebäuden wurde die Regenbogen-Fahne gehisst, der Deutsche Bundestag verabschiedete unterstützende Gesetze, in Berlin eröffnete die erste LGBTQ-Kita, in Grundschulen hielten Drag-Queens Lesungen, Aktivisten setzten sich für die Akzeptanz von 72 Geschlechtern und 25 Sexualitäten ein, Biologen und Psychologen legten bestätigende Studien vor, in Schulen wurde der Unterrichtsstoff umgeschrieben, in der Unterhaltungswelt wurden Geschichten und Charaktere platziert…und wenn Sie von all dem nichts gehört haben, werden Sie sicherlich die große Debatte um die Armbinde der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Katar mitbekommen haben. 

Die LGBTQ-Weltanschauung wird unaufhörlich und von den mächtigsten Institutionen des Westens verbreitet. Sie wird, verkleidet im harmlosen Symbol des Regenbogens, verkauft als Kampf für Freiheit und Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen – doch in Wirklichkeit handelt es sich um eine Sexualisierung der Gesellschaft und des Menschen, die zwangsläufig auf eine Schamlosigkeit hinausläuft, die von Gott entfernt und dadurch mehr Leid als Glück hervorruft. 

Der zurzeit wahrscheinlich verstörendste Teil dieser Ideologie ist die Transgender-Bewegung, auf die ich nun im Lichte des heiligen Qur’an eingehen möchte.

Zu den Wundern des Heiligen Qur’ans gehört, dass er Prophezeiungen macht über zukünftige wissenschaftliche Errungenschaften. Er hat vorhergesagt, dass neue Verkehrsmittel erfunden werden, dass der Buchdruck dafür sorgen wird, dass Schriften weithin Verbreitung finden, und er hat auf gewisse Weise auch das Internet vorhergesagt, denn er hat verkündet, dass die Menschen einander nahegebracht werden. All diese Prophezeiungen sind gewissermaßen wertneutral, denn sie sind nicht negativ konnotiert. Doch unter allen diesen Prophezeiungen über künftige wissenschaftliche Fortschritte sticht eine hervor. Es ist eine, die mit einer Warnung verbunden ist und als unmissverständlich gefährlich und frevlerisch verstanden wird. Sie lautet:

„Und Satan sprach: ‚Ich will wahrlich von Deinen Dienern einen bestimmten Teil nehmen. Wahrlich, ich will sie irreleiten, wahrlich, ich will eitle Wünsche in ihnen erregen, wahrlich, ich will sie aufreizen, und sie werden dem Vieh die Ohren abschneiden. Und wahrlich, ich will sie aufreizen, und sie werden eine Veränderung in Allahs Schöpfung herbeiführen. Und wer sich Satan zum Freund nimmt statt Allah, der hat sicherlich einen offenkundigen Verlust erlitten.” (4:120)

Worum geht es? In diesem Vers gibt Satan zu verstehen, dass er eitle Wünsche im Menschen erregen wird, dass er ihn aufreizen wird, was dazu führen würde, dass sie eine Veränderung in Allahs Schöpfung herbeiführen. Wie unglaublich mag dieser Vers in den Ohren der Gefährten des Heiligen ProphetenSAW geklungen haben? Wie hätte man sich vorstellen können, dass der Mensch jemals die Schöpfung Gottes, also die Tiere, Pflanzen und Menschen auf der Erde, würde verändern können? Der vierte Kalif des Verheißenen Messias, möge Allah ihm Barmherzigkeit erweisen, hat diesen Vers mit der Gentechnik verbunden und darauf aufmerksam gemacht, dass es gefährlich ist, Gottes Schöpfung zu verunstalten. Doch worin unterscheiden sich die gentechnischen Veränderungen von Gottes Schöpfung mit dem Trend, den wir im Westen heutzutage als Transgender beschreiben?

Hier wie dort werden Eingriffe in Gottes Schöpfung vorgenommen, wird sie verändert, angepasst und verunstaltet. Anstatt Gottes Schöpfung, die Biologie, als unhintergehbare Wahrheit und Fundament unserer Existenz zu verstehen, machen wir uns daran, selbst zu Gott zu werden, indem wir sie nach unseren Wünschen gestalten. Kindern, die noch nicht die Pubertät erreicht haben, werden Pubertätsblocker verschrieben, nur wenn sie sagen, sie befinden sich im falschen Körper. Darunter zu verstehen ist eine Hormontherapie, die zum Ziel hat, die natürliche Entwicklung des menschlichen Körpers zu stoppen. Und hernach werden, nach und während der Pubertät, chirurgische Eingriffe vorgenommen, werden zum Beispiel die Brüste von Mädchen amputiert, um aus einem weiblichen Wesen ein männliches zu machen. Die zugrundeliegende Ideologie, die so etwas ermöglicht, besagt, dass es einen Unterschied gäbe zwischen sex und gender, also zwischen der Biologie, dem Körper, und dem sogenannten sozialen Geschlecht. Wenn also ein Mädchen oder ein Junge während der Pubertät, also während einer schwierigen Phase der Identitätsentwicklung, sich unwohl fühlt in seinem Körper, dann genügt es, zum Ausdruck zu bringen, dass man unter Geschlechtsdysphorie leidet und man bestätigt dies mit dem Ziel, dass eine Transition, also ein körperlicher Wechsel in das andere Geschlecht, erfolgen soll. Dass womöglich ein psychisches Problem zugrunde liegt, das einer Therapie bedarf, darf keine Rolle spielen, was so weit geht, dass psychische Behandlungen verboten werden, durch die man versucht, dass man mit seinem Körper in Einklang kommt. Biologische Tatsachen werden also zugunsten des Gefühls verworfen. Nun werden in vielen Ländern des Westens Gesetze verabschiedet, die es erleichtern, wenn man sein Geschlecht wechseln möchte.

Das Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland soll es zum Beispiel ermöglichen, dass ein Mensch einmal im Jahr ohne großen bürokratischen Aufwand und ohne medizinisches Gutachten das Geschlecht wechseln kann. Die Konsequenz wäre, dass allein Frauen vorbehaltene Räume – und bei den sogenannten All-gender-Toiletten sieht man dies jetzt schon – ohne Weiteres von biologischen Männern aufgesucht werden können, oder dass der Frauensport zu einer Farce wird. Das Transgender-Thema ist komplex und kann nicht so leicht heruntergebrochen werden. Natürlich gibt es sehr seltene Fälle, wo das Gefühl im falschen Körper zu sein ein solches Leid verursacht, dass man versuchen sollte, dieses Leid zu verringern; doch zu glauben, dass diese enorme Zunahme an Geschlechtsumwandlungen kein Trend ist, der durch soziale Netzwerke und die LGBTQ-Propaganda befeuert wird, ist naiv. Schon lange wissen wir aus wissenschaftlichen Erhebungen, dass 90 Prozent der Pubertierenden, die glauben im falschen Körper zu sein und deswegen unter Geschlechtsdysphorie leiden, diese Neigungen nach der Pubertät verlieren. Sie sind, wie viele Jugendliche, nach der Pubertät mehr oder weniger zufrieden mit dem Geschlecht, mit dem sie zur Welt gekommen sind. Auch gibt es immer mehr Menschen, die ihre Geschlechtsumwandlung bereuen, was wiederum zeigt, dass man niemals zulassen darf, dass Kinder oder Jugendliche solch nahhaltige Entscheidungen wie die chirurgische und medikamentöse Umwandlung des Geschlechts fällen dürfen.

Essenziell ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass der Mensch durch diese Transgender-Ideologie Gottes Schöpfungsplan infrage stellt. Gott sagt im Qur’an an vielen Stellen, dass er den Menschen in Paaren erschaffen hat; diese Ideologie behauptet indes, dass es mehr als zwei biologische Geschlechter gebe. Das ist jedoch wissenschaftlich nicht haltbar, da es die absolute Norm ist, dass der Mensch entweder als eindeutiger Mann oder als eindeutige Frau auf die Welt kommt. 99,98 Prozent der Menschen fallen darunter; das ist die Regel, alles andere die Ausnahme. Wenn dies in Frage gestellt wird, wird das Fundament einer jeden Gesellschaft beschädigt. Denn das Fundament einer Gesellschaft sind von allen geteilte Wahrheiten wie zum Beispiel der Glaube an die Würde des Menschen, der im Grundgesetz in Artikel 1 zum Ausdruck gebracht wird. Nur weil jemand sagt, er sei ein Mann oder eine Frau, kann dies nicht als Tatsache akzeptiert werden, wenn dem nicht so ist. 

Wie oben bereits gesagt, ist die Transgender-Bewegung Teil der LGBTQ-Ideologie. Wir müssen uns, da sie immer mehr Einfluss gewinnt, uns die Frage stellen, welche Wurzeln sie hat und zu welchen Problemen sie führt? Vorweg sei gesagt, dass einer Sexualisierung der Gesellschaft Vorschub geleistet wird. Schon im Kindergarten sollen unsere Kinder mit der sogenannten Sexualität der Vielfalt konfrontiert werden, nur damit sie dann in der Schule dafür sensibilisiert werden, dass sexuelle Vielfalt etwas völlig Natürliches sei. Flankiert wird diese Indoktrination von der Darstellung von nicht-traditionellen Lebensformen in der Unterhaltungsindustrie, in den Serien von netflix, amazon prime und apple-TV. Wir müssen verstehen, dass wir und vor allem unsere Kinder mitten in einem Kulturkampf sind, wobei auf der einen Seite behauptet wird, dass in der Erfüllung aller sexuellen Wünsche das Glück des Menschen liege, und auf der anderen Seite verstanden wird, dass die Sexualität nur eine Facette der menschlichen Identität ausmacht, eine Facette, die eingehegt, gemaßregelt und kanalisiert werden muss, damit sie nicht zur sexuellen und moralischen Verwahrlosung führt.

Westliche Gesellschaften in ihrer Gesamtheit und insofern auch Muslime in ihr werden seit Jahren dazu angehalten, sexuelle Vielfalt und Diversität zu bestätigen und dem positiv gegenüberzustehen. Dies wird verstanden als ein Zeichen moralischen Fortschritts. Man sei tolerant, wenn man all diese sogenannten Identitäten und sexuellen Neigungen als absolut gleichwertig zu jener Lebensführung versteht, die die Reproduktion der menschlichen Spezies garantiert. Wir als Muslime müssen aber, so wie unser geistige Führer, der fünfte Kalif des Verheißenen Messias, es gesagt hat, ohne Scheu und Scham und mit Selbstbewusstsein proklamieren, dass wir diese Form der sexuellen Entfaltung nicht als moralischen Fortschritt verstehen. Im Gegenteil: Hier kommt eine sexuelle Zügellosigkeit zum Ausdruck, die zwangsläufig zur Folge haben wird, dass die Moral der Gesellschaft zerstört wird. Wir sind der Überzeugung, dass Sexualität und Moral etwas miteinander zu tun haben, und dass, wie Sigmund Freud es formuliert hat, der Verlust der Scham der Beginn der Barbarei ist. Doch warum ist dies so? Wir können dies nicht verstehen, wenn wir nicht zuerst die Frage beantworten, was die geistigen Wurzeln dieser sexuellen Zügellosigkeit sind.

Als Nietzsche verkündete, dass Gott tot sei, hat er damit nicht hochmütig etwas ausgesprochen, was für ihn eine eindeutige Wahrheit war. Er hat vielmehr damit gemeint, dass die Zivilisation Europas durch ihre Abwendung vom Christentum und Hinwendung zur scheinbaren Vernunft und Wissenschaft Gott zu einer Angelegenheit der Vergangenheit erklärt hat. Viele Kritiker des Atheismus zitieren diesen Satz Nietzsches, doch was sie häufig unterschlagen, ist die folgende Feststellung Nietzsches: ‘Wir Menschen haben ihn getötet, indem wir ihn nicht mehr anbeten, ihn nicht mehr als Ziel unserer Sehnsucht deklarieren und nicht mehr Rechtleitung durch Seine Offenbarung suchen; doch über die Konsequenzen dieser unfassbaren Tat sind wir uns nicht im Klaren.’

Nun, die Konsequenzen sind heute offenkundig. Wenn wir als Menschen uns nicht mehr als Schöpfung Gottes verstehen, die in einen höheren kosmologischen Zusammenhang eingebettet ist, dann befinden wir uns in einer Art moralischen Krise und haben keine Quelle der Rechtleitung außer in uns selbst. Die Folge dieser in der Menschheitsgeschichte wohl einzigartigen Tat ist der Glaube, dass das Ziel des Menschen eine von allen Schranken und Lehren losgelöste Freiheit sei; dass er sich selbstverwirklichen müsse, indem er sein Inneres, sein Selbst, ja, sein Ego zur Entfaltung bringen muss. Mit dieser Abwendung vom Schöpfer ging zwangsläufig der Tod der Seele und die Vergöttlichung des Körpers einher. Ja, man versuchte durch seinen Körper das zu erlangen, was nur mit der Seele zu erreichen ist; und so wurde die Lust, das schrankenlose Streben nach sinnlichen Freuden zu einem bestimmenden Merkmal des modernen Menschen. In einem Interview, das der vierte Kalif, möge Allah ihm Barmherzigkeit erweisen, 1983 in Australien gegeben hat, hat er dies auf den Punkt gebracht. Auf die Frage, wie er die Zukunft der westlichen Gesellschaft sieht, antwortete er:

„Tatsache ist, dass das Streben nach Vergnügen und ein Gefühl von Freiheit die westliche Gesellschaft zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Freiheit wovon? Freiheit von aller Unfreiheit, die den Menschen an seinen Schöpfer bindet. Das ist es, was ich im westlichen Konzept von Freiheit heute sehe. Freiheit von allem, was edel ist, was Verantwortung schafft, was einen bindet und was die Möglichkeiten der Vergnügungssuche einschränkt. Das ist die Freiheit, die der Westen heute hat und immer noch verfolgt – ein verrücktes Streben nach Vergnügen, wo auch immer es zu haben ist, wobei vergessen wird, dass es dem Menschen nicht zusteht, zu bekommen, was immer er will, in welchem Ausmaß er es haben will.“

Bis in die 1960er beherrschte die christliche Sexualmoral die Gesellschaften des Westens und so wurden der sexuellen Freizügigkeit Schranken gesetzt. Der Grund lag auf der Hand: Sexualität führt natürlicherweise zu Schwangerschaften und so war es vor allem im Interesse der Frauen, dass die Sexualität legitimerweise nur im Rahmen einer rechtlich eingehegten Ehe stattfand; denn Frauen müssen beim Verkehr immer mit einer Schwangerschaft rechnen, und insofern ist es nur im Interesse der Frau, dass das Gebären und Aufziehen von Kindern innerhalb eines materiell und psychisch gesicherten Umfelds stattfindet. Große gesellschaftliche Umwälzungen und vor allem die Erfindung der Pille veränderte jedoch alles. Auf einmal war es möglich, Sexualität von den Konsequenzen der Schwangerschaft zu lösen; und somit wurde der Weg dafür bereitet, was im Westen als sexuelle Revolution verstanden wird: Eine Abkehr von der christlichen Sexualmoral hin zu einer sexuellen Freizügigkeit, die in diese hypersexualisierte Gesellschaften der Gegenwart geführt hat. Bis heute dominiert die Vorstellung, dass die sexuelle Revolution eine große Errungenschaft darstelle, weil der Mensch sich endlich von der prüden und sinnesfeindlichen Sexualmoral des Christentums gelöst hätte. Klar entspricht die Sexualmoral des Christentums mit ihrem Ideal des Zölibats nicht der Natur des Menschen. Sie wird vom Islam nicht gutgeheißen, Gott sagt im Qur‘an, dass er das Zölibat nicht vorgeschrieben hat. Im Gegenteil, der Trieb der Sexualität, der für das Fortbestehen der Gattung Mensch sorgt, ist ein Impuls, den Gott in den Menschen eingelassen hat, damit er sich reproduziert. Zu behaupten, er müsse abgetötet werden und dass darin die Vervollkommnung des Menschen liege, ist gleichbedeutend damit, dass Allah, der Allmächtige, Gott bewahre, den Menschen fehlerhaft erschaffen habe. Der Islam akzeptiert den kraftvollen Trieb der menschlichen Sexualität, er ist nicht prüde und heißt die rechtmäßige Auslebung der Sexualität zwischen Mann und Frau innerhalb der Ehe sogar gut. So sagt zum Beispiel der Heilige ProphetMuhammad (saw): 

Der Prophet Muhammad (saw) sagte einst zu seinen Gefährten, dass sie für die rechtmäßige Erfüllung ihrer Wünsche mit ihren Frauen belohnt würden. Verwirrt fragten sie, warum sie ur für die Befriedigung ihrer Begierden belohnt werden sollten. Der Prophet (saw) antwortete: “Seht ihr denn nicht, dass jemand, der es auf verbotene Weise tut, die Last der Sünde trägt? Wenn er es also auf erlaubte Weise tut, so wird er dafür belohnt.” (Muslim, Nr. 1674)

Die erlaubte, also halal, Weise besteht darin, dass der Akt verstanden wird als eine Handlung, die verbunden ist mit der Fortpflanzung des Menschen; die sexuelle Revolution im Westen jedoch propagierte eine völlig entgegengesetzte Sexualmoral. Für jene liegt in der Auslebung jeglicher sexueller Vorlieben das Potential der wahren Auslebung der Identität des Menschen. Ziel ist es sodann auch, alle Schranken, die eine religiös begründete Moral auferlegt, niederzureißen. Vielmehr noch wurde offen propagiert, dass erst in der Überwindung der scheinbar nur gesellschaftlich konstruierten Scham der Mensch eine gesunde Psyche entwickeln könne. Der Lust und Begierde wurden dadurch keine Grenzen gesetzt, was gar soweit führte, dass im Zuge der sexuellen Revolution Gruppen aufkamen, die sich offen für Pädophilie einsetzten. So ist es wohlbekannt, dass die theoretischen Wegbereiter der LGBTQ-Bewegung, Denker wie Foucault, Derrida und Althusser, eine Petition auf den Weg brachten, die offen für Pädophilie eintrat. Diese Ideologie, also die Vorstellung, dass das Ausleben aller sexuellen Begierden zur Freiheit und Selbstverwirklichung des Menschen führen würde, war der Nährboden für das Aufkommen von Homosexuellenbewegungen, die in den letzten Jahren lautstark als Teil der LGBTQ-Community die Öffentlichkeit mit ihren sozialen Forderungen überfluteten. Denn wenn die Verwirklichung der sexuellen Neigung das Kriterium für eine gelungene Identitätsentwicklung ist, dann ist es nur zwangsläufig, dass Gruppen aufkommen, die ihre Identität mit ihren sexuellen Vorlieben gleichsetzen. Bevor wir darauf eingehen, inwiefern ein solches Verständnis der menschlichen Identität dem Islam völlig fremd ist, möchten wir darlegen, welche problematischen Folgen die sexuelle Revolution nunmehr zeitigt. 

Die Feministin Louise Perry hat in ihrem in diesem Jahr veröffentlichten Buch „The Case against the sexual Revolution“ analysiert, welche katastrophale Folgen die Erfindung der Pille und die hypersexualisierten Gesellschaften des Westens für das Wohlbefinden der Menschen und die Institution der Familie haben. Sie konstatiert, dass Männer und Frauen hinsichtlich ihrer Sexualität evolutionär bedingt nicht gleich seien und die sexuelle Revolution vor allem der Neigung des Mannes zugutekomme. Die radikale Gleichmachung der Geschlechter vonseiten des Feminismus führe vor allem dazu, dass die Frauen unter den sich veränderten Gegebenheiten zu leiden hätten, die Freizügigkeit, an der sie gezwungenermaßen sich beteiligen müssten, schade ihr psychisch und körperlich, da sie, aus evolutionären Gründen, nicht so sei wie ein Mann. Perry plädiert dafür, dass man eine zweite sexuelle Revolution benötige, eine, die die Keuschheit schätze und die monogame Ehe als Ideal propagiere. Denn sie hat nach einem Studium aller wissenschaftlichen Untersuchungen erkannt, dass allein in einer stabilen Ehe die Grundlagen gegeben sind, dass sowohl die Beziehung zwischen Mutter und Kind als auch die Entwicklung der Kinder auf die beste Weise erfolgt. Alle uns zur Verfügung stehenden Daten zeigen, dass Kinder, die von beiden Elternteilen aufgezogen werden, in allen Kriterien besser abschneiden als Kinder, die nur von einem Elternteil erzogen werden. Und trotzdem sehen wir, dass in den Gesellschaften des Westens weniger Paare eine Ehe eingehen und zudem die Scheidungsrate seit der sexuellen Revolution explodiert ist. Es wäre indes zu einfach, diese hohen Scheidungsquoten im Westen allein auf die angestiegene Freizügigkeit zurückzuführen.

Auch die veränderten Rollenbilder von Mann und Frau, ja die Abkehr von im Islam festgelegten Geschlechterbildern, die vom Feminismus propagiert wurde, spielen eine Rolle. Im Grund genommen geht es um die Frage, was die Identität und den Wert von Mann und Frau ausmacht. Der Islam ist eindeutig, denn aus dem Heiligen Qur’an geht hervor, dass sowohl gläubige Männer als auch gläubige Frauen gleichermaßen von Gott belohnt und anerkannt werden, wenn sie rechtschaffen und gottesfürchtig sind. Die Anerkennung, die wir von Gott für unsere Tugendhaftigkeit erhalten, ist dabei von zentraler Bedeutung. Denn es scheint, dass der radikale Feminismus mit seiner Forderung, dass die Frauen sich von Küche und Kinder loszulösen hätten, um wahrhaft frei zu sein, dies nur deswegen fordert, weil in der westlichen Gesellschaft Frauen soziale Wertschätzung und Anerkennung eben nicht erlangen können, wenn sie sich allein um diese traditionellen Pflichten kümmern. Der Wert des Menschen – und somit auch jener der Frau – hängt im Westen scheinbar davon ab, inwiefern er als Teil der ökonomischen Maschine in der kapitalistischen Hierarchie aufzusteigen vermag.

Und so erhalten Frauen Anerkennung und Wertschätzung, was die wahrhaft treibenden Faktoren für unsere Handlungen und Lebensentscheidungen zu sein scheinen, oftmals nicht dafür, dass sie einen Haushalt führen und Kinder auf bestmögliche Art aufziehen, sondern dadurch, dass sie erfolgreiche Ärztinnen und Anwältinnen sind. Das sind die Rollenbilder, die uns auch von der Unterhaltungsindustrie fortwährend präsentiert werden. Wahre Selbstverwirklichung bedeutet dann zwangsläufig, dass man seine Karriere verfolgt und die Erziehung von Kindern dem Staat überlässt. Louise Perry kritisiert ebendies am radikalen Feminismus: Es ist, und so sieht es auch der Islam, richtig und wichtig, dass Frauen sich bilden und entfalten und wichtige Rollen in der Gesellschaft einnehmen, doch was dabei nicht vergessen werden darf, ist eine biologische Tatsache, der wir nicht entgehen können, wenn wir den Fortbestand der menschlichen Gattung wünschen: Die unhintergehbare Realität, dass Frauen Kinder gebären und körperlich, emotional und psychisch mehr investieren müssen und auch wollen, wenn es um das Fortbestehen der menschlichen Spezies geht. 

Der Islam akzeptiert diese Realitäten und verleiht der Mutter einen Rang und Wert, den sie im Westen nicht aufweist. Jeder kennt das Hadith, wonach unter den Füßen der Mutter das Paradies liegt. Wenn wir als kollektiv die Überzeugung gewinnen, dass Kindererziehung eine Tätigkeit ist, die der Wertschätzung und Anerkennung würdiger ist als das Funktionieren in der Wirtschaft, dann würde zwangsläufig viel mehr Aufmerksamkeit auf diese Tätigkeit gerichtet werden. Doch im Westen ist der Mensch scheinbar nur dann etwas wert, wenn er ein besonders großes Rad in der Maschine des Kapitalismus ist. Ja, der Heilige Prophet Muhammad (saw) hat die sogenannte carearbeit, die nachweislich seit der industriellen Revolution immer weniger Wertschätzung erfährt, als produktive Arbeit angesehen. Exemplarisch dafür kann das Hadith erwähnt werden, in dem Frauen zum Heiligen Propheten (saw) gehen und sich darüber beschweren, dass sie zuhause arbeiteten und Männer durch den Dschihad den ganzen Lohn bekämen. Daraufhin hat der Heilige Prophet (saw) erklärt, dass die Arbeit der Frauen gleich anerkannt und belohnt wird.

Die Familie ist das Fundament einer jeden funktionieren Gesellschaft. Der Islam schützt die Familie, indem er unter Berücksichtigung der Natur des Menschen ein System der Geschlechtertrennung vorschlägt. Die sexuelle Freizügigkeit des Westens ist diesem Konzept des Islam völlig entgegengesetzt und befeuert durch die allseits verfügbaren sexuellen Fluchtmöglichkeiten die Auflösung der Familienbande. Indes gerät die Institution der Familie nicht nur in dieser Hinsicht unter Beschuss. Was über Jahrhunderte eine Selbstverständlichkeit war, wurde in den letzten Jahrzehnten durch die Homosexuellenbewegung zerschlagen: Die Ehe zwischen Mann und Frau ist ein Band, das besonders geschützt werden muss, weil dieses Band die Reproduktion der menschlichen Gattung garantiert.

Das islamische Gesellschaftssystem, und bis vor einigen Jahren auch die westliche Gesellschaft, wertschätzt und honoriert diese wichtige Tätigkeit, indem die Ehe rechtliche Vorteile genießt und Vorkehrungen wie das System der Geschlechtertrennung eingeführt werden. Indem man homosexuelle Ehen ermöglicht hat, hat man diesen besonderen Status der traditionellen Ehe untergraben. Nun ist die besonders schützenswerte Fortpflanzung der menschlichen Gattung nicht mehr das Gut, das der Wichtigkeit der Ehe Substanz verlieh. Die ausgesendete Botschaft ist eindeutig: Homosexuelle Partnerschaften sollen genauso viel Wert haben wie traditionelle Bindungen zwischen Mann und Frau. Der Islam ist entschieden gegen solche gesellschaftliche Entwicklungen. Der Islam verbietet Homosexualität. Indes muss hier einiges klargestellt werden, damit der islamische Standpunkt angesichts der gesellschaftlichen Umbrüche der letzten Jahrzehnte auch tatsächlich verstanden wird.

Jugendliche wachsen in einer Atmosphäre auf, in der es völlig normal ist, wenn jemand sich als Homosexueller oder als trans oder queer versteht. Jedem Muslim sollte aber folgendes klar sein: Im Islam gibt es die soziale Kategorie des Homosexuellen nicht. Im klassischen Arabisch gibt es kein Wort dafür. Und das Wort homosexuell ist selbst im Westen erst seit 1860 bekannt, als ein deutscher Arzt die sexuelle Neigung zum eigenen Geschlecht als homosexuell beschrieben hat. Im islamischen Kontext wird die Identität und soziale Rolle eines Menschen nicht auf eine Tat, eine Handlung, ein sündhaftes Verlangen reduziert. Der Mensch im Islam ist ein Wesen, das von Gott besonders ausgezeichnet wurde, weil allein dieses Wesen in der Lage ist, die Scharia, also das Gottesgesetz, zu tragen. Und Teil dieser Besonderheit ist das Vermögen, zwischen gut und falsch zu entscheiden und die Handlungen nach dem auszurichten, was das Beste für die moralische und spirituelle Entwicklung des Menschen ist. Der Verheißene Messias hat im Buch „Sat Bachan“ (Das wahre Wort) im letzten Kapitel erklärt, was Islam bedeutet: Islam bedeutet, dass der Mensch alle Fähigkeiten, die Gott in einen gelegt hat, auf die bestmögliche Weise vervollkommnet.

Zu diesen Fähigkeiten und Vermögen gehören alle Triebe und Impulse, alle natürlichen Veranlagungen, die erst durch Vernunft und Maßregelung, durch Kanalisierung und Verfeinerung zu hohen Tugenden werden. Diese hohen Tugenden sind dann das Mittel, durch das geistige Vervollkommnung erreicht wird – und diese geistige Vervollkommnung des Menschen ist das Ziel seiner Existenz. Denn allein diese ermöglicht, dass der Mensch das erreichen kann, was das höchste Ziel seiner Existenz ist: Die Vereinigung und Verbindung mit seinem Schöpfer. Der Islam ist eine Lehre, die eine unglaubliche Schönheit und Harmonie in ihrer Theorie aufweist. Sie ist zudem im Einklang mit der Natur des Menschen und trägt natürlich auch der Evolution des Menschen Rechnung. Die Lehren des Islam versuchen also nichts anderes, als dass der Mensch, der ja das Geschöpf Gottes ist, sich körperlich, moralisch und spirituell auf die bestmögliche Weise entwickelt. Auf körperlicher Ebene ist dies recht einfach zu verstehen. Der Mensch hat den Impuls, sich selbst zu erhalten, also zu überleben. Dafür muss er Nahrung zu sich nehmen. Gott, andere würden sagen die Evolution, sorgte dafür, dass die Nahrungsaufnahme mit Lust verbunden ist, sodass wir Freude haben, wenn wir köstliche Speisen zu uns nehmen. Gott hat sodann als Versorger die Vorkehrungen getroffen, dass der Mensch sich aus dieser unfassbaren Menge und Vielfalt an Nahrungsmitteln, die uns die Natur bereithält, versorgen kann.

Nun ist es kein Geheimnis: wenn wir unsere Lust, unsere Begierden und unser unmittelbares Verlangen als letzten Maßstab darüber, welche Nahrungsmittel wir uns zu uns nehmen, einsetzen, dann würden wir schnell krank werden und kürzer leben. Wenn wir nur fast-food, Süßigkeiten und Coca-Cola zu uns nehmen, dann würden wir zwar unsere kurzfristigen Begierden stillen, doch langfristig Schaden nehmen. Unser Wohlbefinden würde schnell sinken und wir hätten körperliche und auch psychische Probleme. Wir bringen unseren Kindern bei, dass man auf seine Ernährung zu achten hat, und versuchen, Lust und Begierde zu kanalisieren und zu vereinen mit einer nahrhaften Ernährung. Im Bereich der Ernährung haben wir verstanden, dass das Fortbestehen unserer Existenz, dass dieser wichtige Trieb der Selbsterhaltung im Lichte der Anweisungen des Schöpfers gemaßregelt werden muss. Würden wir die Ernährung völlig losgelöst von ihrem ursprünglichen Zweck nur noch zur Befriedigung der Lust einsetzen, wir würden zwar unsere kurzfristigen Begierden stillen, mittel und  langfristig aber unserem Körper und unserer Psyche schaden. Im Bereich eines anderen wichtigen Triebes, bei jenem, der für die Fortpflanzung der Gattung Mensch Sorge trägt, scheint der Westen dieses Prinzip, das evolutionär in uns eingewoben ist, zu vergessen.

Der Islam ist jedoch auch hier eindeutig: Wenn die Sexualität völlig losgelöst von seiner Funktion der Reproduktion nur noch zur Befriedigung der menschlichen Lust und seiner Begierden benutzt wird, dann sorgt das dafür, dass der Mensch körperlichen, moralischen und spirituellen Schaden davonträgt. Das ist der wahre Grund, warum der Islam homosexuelle Handlungen verbietet. Bevor ich dies näher erläutere, möchte ich eine Sache vorweg stellen, die ich oben bereits gesagt habe: Der Islam versteht die Sexualität nicht als Akt, der nur zum Zwecke der Fortpflanzung begangen wird. Genauso wie bei einer gesunden Ernährung, die gesund und lecker sein kann, ist es auch bei der Sexualität so, dass die Sexualität im Rahmen jener Verbindung, die für die Fortpflanzung des Menschen sorgt, gleichermaßen lustvoll und gesegnet sein kann. Dies hat evolutionäre Gründe. Der vierte Kalif hat in einer Frage- und Antwortsitzung, in der er zur islamischen Haltung gegenüber Homosexualität befragt wurde, genau dies angemerkt: In einem langen Prozess der Evolution wurde die Fortpflanzung des Menschen mit Lust verbunden, was erst dafür Sorge getragen hat, dass die Fortpflanzung garantiert wurde. Wäre dies nicht der Fall, womöglich wäre die Gattung Mensch bereits ausgestorben.

Was passiert aber, wenn der Mensch diese biologische und evolutionäre Wahrheit ignoriert, wenn er glaubt, er könne als moderner Mensch der Herr sein über seine Wünsche, er könne seine Lust so ausleben, wie er möchte, und sei keinem Gott Rechenschaft schuldig? Er schadet sich emotional, spirituell und körperlich selbst und sorgt für eine Gesellschaft, die immer rastloser, unmoralischer und wilder wird. Auch lädt er den Zorn Gottes auf sich, was besonders deutlich in der Geschichte des Propheten Lot und seines Volkes zum Ausdruck kommt. Die Verse im Qur’an, die sich auf diese Ereignisse beziehen, verurteilen eindeutig homosexuelle Taten als verwerflich und zeigen, dass es diese Taten waren, die dazu führten, dass Gott das Volk ausgelöscht hat. Ja, wir müssen es in aller Klarheit sagen und damit bestätigen, was unser jetzige Kalif in seinem unerschütterlichen Festhalten am Qur’an auch schon offen verkündet hat: Es war das offene und ungezügelte Ausleben homosexueller Taten, die Allah dazu bewegt haben, Sodom auszulöschen – und wenn diese westliche Gesellschaft weiterhin Homosexualität in aller Öffentlichkeit zur Schau trägt, propagiert und als völlig legitim betrachtet, dann kann es sein, dass Gottes Zorn erneut zuschlägt und das Volk jene Strafe bekommt, die es verdient. Denn, und dies hat der vierte Kalif erklärt, das Auslöschen von Sodom war eine Strafe, die mit der Sünde der Homosexualität korrespondierte. Gemeint ist damit Folgendes: Wenn ein Volk das Mittel des Überlebens des Menschen völlig pervertiert und nicht mehr für jenen Zweck einsetzt, für den es geschaffen wurde, dann sorgt Allah dafür, dass der Zweck, also das Fortbestehen des Menschen, zunichtegemacht wird. Somit war das Auslöschen des Volkes eine logische Konsequenz dieser Perversion, die dem Fortbestehen des Menschen schadet.

Bislang habe ich über die theologischen Hintergründe des Verbots von Homosexualität gesprochen und mir ist bewusst, dass dies in den Augen des Westens als homophob verstanden wird. Um hier Klarheit herzustellen sei Folgendes gesagt: Unser Kalif hat eindeutig gesagt, dass der Islam niemals Minderheiten diskriminieren wird. Niemals würden wir eine Person, die sich als homosexuell versteht, davon abhalten, in eine Moschee zu kommen und zu beten. Indes würden wir, aus Liebe und Mitgefühl zu jener Person, ihr sagen, dass diese Neigungen schlecht sind und von Allah verurteilt werden. Allah ist der Schöpfer des Menschen, Er ist das Wesen, das den Menschen besser versteht als der Mensch sich selbst. Es mag sein, dass jemand, der homosexuelle Begierden hat, glaubt, sein Wohlbefinden, seine Freiheit und sein Glück lägen darin, dass er sich sexuell genauso entfaltet, wie seine Begierden ihm das einflößen. Hier indes müssen wir einiges klarstellen: Die Begierden des Menschen, seine Lust und sein Begehren sind nicht das, was ihn ausmachen. Die Begierden können fehlgeleitet sein, sie können durch bestimmte psychische Prozesse sich so entwickeln, dass sie dem Wohlergehen des Menschen schaden; sie können auch durch individualpsychische Prozesse sich auf falsche Objekte richten. Kurzum, wir glauben nicht, dass Menschen mit homosexuellen Neigungen als Homosexuelle geboren werden. Vielmehr sind es psychologische Entwicklungen und gesellschaftliche Einflüsse, die dazu führen, dass der Normalmodus der Sexualität, der ja für die Reproduktion der menschlichen Gattung sorgt, fehlgeleitet wird.

Diese These, dass homosexuelle Neigungen nicht angeboren sind, lässt sich durch viele wissenschaftliche Erkenntnisse auch erhärten: Es wurde bislang noch kein sogenanntes Schwulen-Gen gefunden, und wenn es tatsächlich der Fall ist, dass man mit homosexuellen Neigungen geboren wird, dann müssten eineiige Zwillinge auch immer dieselbe sexuelle Orientierung haben. Dem ist nicht so, was ein eindeutiges Indiz gegen die These der angeborenen Homosexualität ist. Dagegen spricht auch, dass ein nicht irrelevanter Teil von sich als homosexuell verstehender Menschen wieder heterosexuell wird; oder aber dass sich vielfach das bewahrheitet hat, was auch Hudhur erwähnt hat: Dass nach Psychotherapien und Behandlungen Menschen, die homosexuelle Neigungen hatten, diese überwinden konnten. Kurzum, homosexuelle Neigungen sind Begierden, die aus unterschiedlichsten Gründen im Menschen aufkommen können. Und Begierden, die nicht kanalisiert und zu hohen moralischen Tugenden gemacht werden, können Moral und Spiritualität des Menschen vernichten, wie der Verheißene MessiasAS in seinem epochalen Werk „Die Philosophie der Lehren des Islam“ erklärt hat. Und wichtig ist einmal mehr zu betonen, dass wir nicht den Menschen, der homosexuelle Neigungen hat, verurteilen und bekämpfen. Mitnichten, wir sehen diesen Menschen als Geschöpf Gottes, in dem eine Seele eingelassen wurde, welche die Fähigkeit in sich trägt, das Höchste zu erreichen, zu das der Mensch in der Lage ist: Den Kontakt mit seinem Schöpfer. Indes ist dieses höchste Ziel des Menschen nicht zu erreichen, wenn man seinen Begierden freien Lauf lässt. Ja, wenn die Begierden von einer hypersexualisierten Gesellschaft fortwährend angestachelt werden, dann wird die Seele beschmutzt, sie wird dreckig und ist sodann unfähig, das göttliche Licht zu reflektieren. 

Warum also verurteilt der Islam Homosexualität? Für den Islam sind Begierden, die völlig losgelöst von ihrem von Gott vorgesehenen Zweck eingesetzt werden, die nur zum Stillen der kurzfristigen Lust benutzt werden, Kräfte, die die Moral und Spiritualität des Menschen untergraben. Und die Homosexualität ist der Inbegriff solcher Begierden, sie sind nur auf die Lust ausgerichtet und völlig losgelöst von ihrem eigentlichen evolutionären Zweck. Indem Homosexualität rechtlich legitimiert und gesellschaftlich akzeptiert wird, wird diese Trennung von Reproduktion und Sexualität institutionalisiert und somit eine Sünde normalisiert. Der Islam hingegen versteht die Natur des Menschen und weiß, dass die Sexualität eine Kraft ist, die sich nicht ungezügelt entfalten darf. Immer schon haben Gesellschaften dies verstanden und zum Schutz der Familie und des Individuums die Sexualität moralisch eingehegt. Hier im Westen ist dieses Wissen über die zerstörerische Kraft der ungezügelten Sexualität verlorengegangen.

Wie ein Dammbruch überflutet nun diese Kraft die Gesellschaft und zerstört das menschliche Vermögen, Feinheit, hohe Moral und Spiritualität zu kultivieren. Man kann dies verstehen, wenn man berücksichtigt, was der Verheißene MessiasAS in seinem Werk „Philosophie der Lehren des Islam“ erläutert hat. Der Mensch, und somit auch die Gesellschaft als Ganzes, kann auf einer primitiven Stufe der Existenz, auf der Stufe des nafs-e-ammara, vor sich hinvegetieren oder aber er kann sich von dieser Stufe, die beherrscht ist vom ungezügelten Trieb, lossagen und hohe moralische und spirituelle Ränge erklimmen. Zum nafs-e-ammara gehören auch jene Triebe, die der Selbsterhaltung und Fortpflanzung dienen und zu moralischen Eigenschaften werden, wenn sie von der Vernunft und dem Willen gezähmt, gemaßregelt und kanalisiert werden. Wenn der Mensch diesen Trieben jedoch freien Lauf lässt, dann wird weniger das Feine und Erhabene im Menschen kultiviert als das Grobe und Wilde. Erschaffen wird eine bestialische Gesellschaft, in der das wilde Tier wütet – etwas, das der Heilige Prophet MuhammadSAW für die Endzeit, in der wir uns befinden, vorhergesagt hat. Diese Form der Enthemmung und Fütterung der Bestie im Menschen schafft den Nährboden für eine Gesellschaft, in der allerlei moralische Laster ihr Unwesen treiben und der Mensch zum Spielball seiner Begierden wird.

Und das Perfide dabei ist, dass diese Form der Enthemmung, die gleichzeitig auch eine Form der Versklavung des Menschen durch das Joch seiner Triebe darstellt, uns als Freiheit und moralische Fortschrittlichkeit verkauft wird. Der Historiker Professor David Courtwright verweist wohl auf genau diesen Zusammenhang, wenn er vom limbischen Kapitalismus spricht. Damit bringt er zum Ausdruck, dass die Anbieter von Produkten mit kühler Absicht das limbische System im Menschen ansprechen. Das limbische System ist jene Region im Gehirn, die für Emotionalität aber auch für die Sexualität verantwortlich ist. Die These ist, dass Produkte, und darunter fallen zum Beispiel auch Apps und Webseiten mit pornografischen Inhalten, so aufgebaut sind, dass das limbische System aktiviert wird, was zur Folge hat, dass rationale Erwägungen zweitrangig werden und die Leidenschaften über die Vernunft siegen. Genau das ist ein System, dass das nafs-e-ammara im Menschen anspricht, das, wie Satan, den Menschen anstachelt, in ihm eitle Wünsche erzeugt und letztlich seinen Untergang herbeiführt.

Wir als Muslime müssen die LGBTQ-Bewegung als das einordnen, was sie im Lichte der Lehren des Islam ist: Eine Bewegung, die die göttliche Ordnung ablehnt und glaubt, über alle von Gott eingerichteten biologischen Gesetzmäßigkeiten zu stehen. Diese Ideologie hat angefangen, jene Geschlechterrollen infrage zu stellen, die notwendig sind für das Gedeihen einer funktionierenden Familie; diese Ideologie hat eine sexuelle Sünde zum bestimmenden Merkmal der Identität gemacht und dadurch ihr Gelüst zum Gott; diese Ideologie hat fundamentale Wahrheiten wie jene, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt, negiert, hat begonnen, in Gottes Schöpfung herumzupfuschen und sich dadurch selbst zum Gott gemacht. Diese Ideologie verwirrt die Geschlechtsidentität der Kinder, indem Drag-Queens, also als Frauen verkleidete Männer, in Kindergärten und Grundschulen Vorlesestunden abhalten. Diese Ideologie hat nichts mit Freiheit zu tun; es handelt sich um Schamlosigkeit und das Abwenden von einer göttlichen Ordnung, die allein den Menschen von seinen Leidenschaften zu befreien vermag. 

Der Verheißene MessiasAS ist als Messias zu einer Zeit gekommen, in der Satan auf dem Höhepunkt seiner Kunst und Macht ist. Mit all seiner Kraft führt er den Menschen in die Irre, täuscht ihn, verwirrt ihn. Er reduziert ihn auf den blanken Körper und flüstert ihm ein, er habe keine Seele. Gottes Barmherzigkeit hat erfordert, dass in dieser Zeit, in der das Böse auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft ist, das Gute wie ein fortwährender, starker Regenguss vom Himmel herabkommt – und so sandte er den Verheißenen MessiasAS, der gesegnet mit göttlichem Licht einen Ausweg aus der Dunkelheit der Moderne gewiesen hat. Wir sollten daher nicht verzagen und uns gelähmt dieser Unfassbarkeit des Bösen ergeben. Denn letztlich ist es so, wie der deutsche Dichter Hölderlin es gesagt hat: „Wo aber Gefahr ist, wächst/ Das Rettende auch.“

Uns unsere letzten Worte sind: Aller Preis gebührt Allah!

_____________________

Über den Autor:
Tariq Hübsch, Bruder der bekannten deutschen Autorin, Journalistin und Referentin Khola Hübsch, ist Sohn des ebenso bekannten deutschen Konvertiten zum Islam, Hadayatullah Hübsch, und einer aus Indien stammenden Mutter. Als engagiertes Mitglied der Ahmadiyya Muslim Jamaat trägt es wie auch andere seiner Familie dazu bei, über Vorbehalte gegenüber der islamischen Religion zu diskutieren und Vorurteile auszuräumen.

Kommentar hinzufügen

Klicken Sie hier, um einen Kommentar zu posten

Aktuelle Freitagsansprache

Multimedia

Neueste Kommentare

  1. Mögen die Menschen aus der Geschichte endlich lernen, die Politiker ihre Verantwortung ernst nehmen und das Leben, das höchste Gut…

  2. Dieser Artikel müssten sich alle Politiker bei uns durchlesen und einmal durch das Herz gehen lassen bevor sie andere mit…

Archiv