
Zusammengestellt von Yunus Mairhofer, Redaktion
Ein moralisches Fiasko
Ein Prinzip, das in so gut wie allen Verfassungen steht, ist: Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten. Während Gaza brennt, wird dieses Prinzip jedoch offenkundig verheizt. Sterben Kinder in Kiew, reagiert der Westen mit Entsetzen. Werden Kinder in Gaza nachweislich mit Absicht getötet, regnet es Formulierungen. Was hier sichtbar wird, ist keine bloße Unausgewogenheit, sondern das strukturelle Versagen einer Zivilisation. Ein schamloses Unterschied Machen im Mitgefühl. Ein Unterschied in der Achtung des menschlichen Lebens.
Mediale Mitgefühlsökonomie
Solange die Staatsräson es so will, wird Israel weiterhin als Angegriffener dargestellt – egal wie viele Wohnblocks seiner eigenen Raketen dem Erdboden gleichmachen. Israelische Opfer wiederum sind Einzelschicksale mit persönlicher Geschichte – palästinensische hingegen erscheinen als „Kollateralschäden“ – anonym, gesichtslos, bestenfalls nummeriert, zum Vergessen mit Baggern in Massengräbern verscharrt.
Ein Bericht über das Schicksal einer getöteten israelischen Familie umfasst ganze Spalten. Für 15.000 tote palästinensische Kinder reicht mitunter eine Randnotiz. Diese Art, wie berichtet wird – und vielleicht mehr noch, was gezielt verschwiegen bleibt – erzeugt bei vielen Menschen zunehmend schockartiges Befremden.
„Die führenden Mächte äußern sich lautstark über (Ungerechtigkeiten in Regimen wie) Syrien, Libyen oder Ägypten … Doch bei (Israel und) Palästina sind sie auffallend stumm.“ — Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (aba), World Crisis and the Pathways to Peace, S. 109
Die UNO – eine Bühne ohne Konsequenz
Während die vollständige Zerstörung Gazas Woche um Woche voranschreitet, schafft es der UN-Sicherheitsrat wiederholt nicht, auch nur eine bindende Resolution zum Schutz der Zivilbevölkerung zu verabschieden. Ein Notruf Palästinas verpufft im Veto. Ein Waffenstillstandsvotum nach dem anderen scheitert sichtbar an politischen Interessen. Wenn überhaupt gesprochen wird, dann in der Sprache zahnloser Appelle. Woher diese Machtlosigkeit?
Gerechtigkeit – nur dort, wo sie nützt?
Russlands Angriff auf die Ukraine wurde umgehend als Bruch des Völkerrechts verurteilt. Ein Maßnahmenpaket an Sanktionen folgt hier dem nächsten.
Doch wenn Israel – logischerweise ohne UN-Mandat – Schulen, Wasserwerke und Flüchtlingslager und zuletzt auch Atomanlagen bombardiert – bleibt ein wirksamer Aufschrei weitgehend aus.
Ein Maßstab, der nur auf ausgewählte Täter angewendet wird, ist keiner. Es ist politische Vorteilsnahme im Gewand der Moral. Die Glaubwürdigkeit derer, die auf dem diplomatischen Parkett weltweit Gerechtigkeit einfordern, aber gleichzeitig dort, wo sie politischen oder wirtschaftlichen Interessen im Weg steht, das Recht konsequent ausblenden, erodiert mit jedem weiteren Konflikt ein Stück weiter. Diese Doppelmoral ist nicht nur ungerecht – sie ist brandgefährlich.
Die Folge: Radikalisierung der Verlassenen
„Es ist diese Ungerechtigkeit, die die Saat des Unfriedens nährt. Der Groll wächst – nicht gegen eine Religion, sondern gegen ein System, das sich moralisch nennt und doch blind ist.“ — Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (aba), EU-Parlamentsrede, 2012
Wer den moralischen Anspruch, Hüter universeller Menschenrechte zu sein, öffentlich vor sich herträgt, aber faktisch nur dort aktiv wird, wo es der eigenen strategischen Position dient, darf sich also nicht wundern, wenn diese Rolle nicht mehr angenommen, sondern zurückgewiesen wird. Der selbsternannte ›Wertewesten‹, der sich als (einziger) Hüter der Menschenrechte versteht, hat diese Rolle vermutlich dauerhaft verspielt – nicht bloß durch Fehler, sondern durch bewusstes Kalkül, durch Gleichgültig- und Grausamkeit.
Es ist vielleicht weniger die Zahl der Toten, welche die Weltordnung erschüttert, als vielmehr die Entscheidungen von oben, wem man Menschenwürde zuspricht. Nur wer das Recht beugt, um es aufrechtzuerhalten, verliert mit jeglichem Recht auch die eigene Würde.
Während das Auge des Westens nur dorthin schaut, wo es ihm politisch passt, verlieren seine Akteure das Vertrauen derer, die längst ahnen, wie selektiv Empörung und Betroffenheit verteilt werden.
Quellen:
- World Crisis and the Pathways to Peace, Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (aba), S. 109
- Rede im Europäischen Parlament, 2012
- Reuters: UN experts criticize Western support for Israel (2024)
- Le Monde: Die diplomatische Bankrotterklärung der EU im Gaza-Krieg (2024)
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