Gott erfahren Interviews Ramadan

Reset im Ramadan: Eine Reise zur inneren Ruhe

Was bewegt einen jungen Unternehmer dazu, sich freiwillig für mehrere Tage von der Außenwelt abzuschotten, um sich ganz der Spiritualität zu widmen?

Um mehr über die spirituelle Praxis des iʿtikāf und ihren Einfluss auf das religiöse Leben von Muslimen zu erfahren, hat die Revue der Religionen ein Interview mit einem muʿtakif (eine Person im iʿtikāf) geführt. Aus Respekt vor den Regeln und dem Sinn des iʿtikāf wurde das Interview nicht auf herkömmliche Weise durchgeführt. Stattdessen wurden die Fragen schriftlich eingereicht, und der muʿtakif nahm sich Zeit, seine Gedanken und Antworten schriftlich festzuhalten. Diese wurden anschließend abgeholt, um seine Reflexionen und Erfahrungen authentisch wiederzugeben.

Der Interviewpartner ist kein Neuling im iʿtikāf – er hat diese spirituelle Rückzugszeit bereits im Ramadan verbracht. Jeder Gläubige zieht aus dem iʿtikāf unterschiedliche Erkenntnisse und spirituelle Lehren, die ihn auf seinem persönlichen Weg zu Gott weiterbringen. In diesem Interview teilt der muʿtakif seine persönlichen Erfahrungen mit dieser besonderen Praxis und schildert, wie sich seine Beziehung zu Gott durch den iʿtikāf im Laufe der Jahre verändert und vertieft hat.

RdR (Revue der Religionen): Können Sie sich kurz vorstellen?

ST (Salman Tyyab): Mein Name ist Salman Tyyab, ich bin verheiratet und habe drei Kinder. Ich bin Unternehmer und engagiere mich in verschiedenen Ehrenämtern in der Ahmadiyya Muslim Gemeinde. 

Ansonsten schaue ich gern Fußball, wenn sich Zeit findet, und genieße die Zeit mit Familie und Freunden.

RdR: Was bedeutet der spirituelle Rückzug (iʿtikāf) für Sie? 

ST: Mir ist es wichtig zu erwähnen, dass die Schilderungen in diesem spirituellen Rückzug Momentaufnahmen sind, die teils nachhaltig sind und teils in der schnelllebigen Welt eine Sehnsucht hinterlassen.  

Für mich ist dies jedes Mal eine Reise an den Anfang, zum Ursprung – oder, wenn man es so ausdrücken möchte, direkt in den Kern des Menschen und des Lebens. Denn anders als in anderen Religionen, die lehren, dass der Mensch bereits bei seiner Geburt mit einer gewissen Sündhaftigkeit belastet ist, lehrt der Islam, dass der Mensch in seiner reinen Natur zur Welt kommt und erst danach gute oder schlechte Prägungen erfährt.

Der iʿtikāf (spirituelle Rückzug) ist für mich daher der Versuch, diese reine Natur zu finden und sich immer mehr von fremden Prägungen freizumachen und Freiheit zu erlangen. 

RdR: Wie sind Sie auf diese Praxis aufmerksam geworden, und was hat Sie dazu motiviert, diese besondere Zeit im Ramadan zu verbringen?

ST: Als Muslim bin ich in die Moschee gegangen, und mich hat dieser würdevolle Anblick in den letzten zehn Tagen sehr beeindruckt. In der Moschee standen Kabinen dicht aneinandergereiht, die durch weiße Wände aus Leinentüchern getrennt wurden. Die Kabinen waren vielleicht 2×2 Meter groß. Die Menschen, die vor dem Gebet aus diesen Kabinen traten und danach wieder hineingingen – sanft, leisen Schrittes – hatten sichtbar eine andere Ruhe im Gesicht, einen demütigen Blick, manchmal einen liebevollen Blick, ohne viel zu sprechen. Auch die anderen kamen zum Gebet, doch es war anders. Ich wollte verstehen, warum dies so ist, was den Unterschied macht.
Irgendwann ergab sich dann die Möglichkeit.

Die an den Seiten sichtbaren Kabinen sind für die Personen vorgesehen, die den Iʿtikāf praktizieren. Es handelt sich hierbei um die Bait-ul-Shakoor Moschee in Groß-Gerau.

RdR: Iʿtikāf ist ein freiwilliger Rückzug in die Moschee. Was bedeutet es, sich für zehn Tage  von der Welt zurückzuziehen und sich ausschließlich auf den Glauben zu konzentrieren? 

ST: Frei und willig – genau das macht doch den Unterschied im Glauben, oder? Die meisten Menschen betrachten Religion als von »oben« verordnetes Wertesystem, doch der wahre Muslim ist der, der sich »ergibt«. Oft liest man: Islam heißt Frieden, doch der entscheidende zweite Teil wird oft vergessen: Frieden, durch Ergebung an Allah – freiwillig.
Für uns Freidenker mag das Wort »Ergebung« vielleicht schwer anzunehmen sein. Doch Frieden durch Ergebung ist eine sehr rationale Idee. Versuchen Sie als Vorstufe mal einen Tag lang alles zu tun, was eine andere Person sagt. Das hat auch etwas mit Vertrauen zu tun. Je besser die Person Sie nach Ihrem individuellen Charakter und Bedürfnissen führt, desto stärker das Vertrauen – und irgendwann erwächst daraus Liebe.
Und offen gesagt, kenne ich bisher nur einen Menschen, dem das bei mir gelungen ist – doch an Gott kommt selbst diese Person nicht heran.

Es ist dieses intensive Gefühl der Liebe, das mich nun erneut hierher treibt. Alles andere – und ich trage viele weltliche Verantwortungen – wird plötzlich so unbedeutsam.

RdR: Wie sieht Ihre Routine in diesen letzten zehn Tagen des Ramadan aus? 

Jeder gestaltet seinen Tag individuell, so sieht meiner aktuell aus:

  • Aufstehen in der Nacht – drei, vier, fünf Stunden vor Sonnenaufgang
  • Duschen und vorbereiten für das freiwillige nächtliche Gebet (tahaǧǧud), intensive Zweisamkeit mit Gott
  • ca. 2 Stunden vor Sonnenaufgang das »Fasten-Frühstück« (Suhūr)
  • Das Morgengebet (faǧr)
  • Rezitation des Heiligen Qur’an
  • Nochmals schlafen legen
  • Aufstehen, duschen, ein freiwilliges Gebet und Andacht Allahs
  • Mittagsgebet (ẓuhr)
  • Weiteres freiwilliges Gebet + kurze Pause: Aus dem Fenster schauen und an Allah und Seine Eigenschaften denken sowie Segensgebete mündlich auf den Heiligen Propheten Muhammad (saw) senden
  • Nachmittagsgebet (ʿaṣr)
  • Danach nur noch Gedenken Allahs, Buch lesen oder den Heiligen Qur’an rezitieren
  • Fastenbrechen formell: Datteln, Wasser und Obst
  • Erstes Abend-Gebet (maġrib)
  • Abendessen
  • Zweites Abendgebet (ʿišāʾ) + freiwilliges Gebet in der Gemeinschaft (tarāwīh)
  • Schlafen

RdR: Man hält sich die ganze Zeit in der Moschee auf. Fühlt man sich irgendwann nicht eingeengt? 

ST: Nein. Wer sich freiwillig dafür entscheidet, spürt schnell, dass diese Grenze in die innere Unendlichkeit führt. Die äußere Grenze führt zur seelischen Freiheit.

RdR: Wie ernähren Sie sich, da zusätzlich ja gefastet wird? Kochen Sie selbst?

ST: Insgesamt sind hier fast 20 muʿtakifīn. So heißen die Personen, die sich in der Moschee zurückziehen. Für diese bereitet ein ehrenamtliches Team in der Nacht das Frühstück sowie das Abendessen zu. Eine Selbstbeteiligung half beim Einkauf zu Beginn. Während man die meiste Zeit für sich ist, kommt man zu den fünf Gebeten zusammen sowie zu den zwei Mahlzeiten. Oft kommt es bei den zwei Mahlzeiten zu sehr kurzen Tischgesprächen.

RdR: Gibt es in dieser Zeit besondere Gebete oder spirituelle Praktiken? 

ST: Wenig essen, wenig reden, wenig schlafen. Insbesondere die zusätzlichen, freiwilligen Gebete in der eigenen Kabine sowie die intensive Auseinandersetzung mit dem Heiligen Qur’an stehen im Mittelpunkt. Darüber hinaus liest man die Exegese des Heiligen Qur’an oder Bücher über religiöse und spirituelle Themen.

Eine Kabine von innen betrachtet.

RdR: Wie beeinflusst dieser Rückzug in der Moschee Ihre Beziehung zu Gott und zu sich selbst?

ST: Wenn man es kurz beantworten will, dann so: Diese zehn Tage helfen, sich selbst in reinster Form zu erkennen und sich mit Gott direkt zu verknüpfen.
Ich hinterfrage alles und zweifle so lange, bis ich die Dinge selbst erlebt habe. Für mich ist der Rückzug und die damit einhergehenden Erfahrungen der Beweis, dass es Gott gibt, dass Er hört und auch spricht.

Und die Beziehung zum eigenen »Selbst«? Jeder, der auf der Suche nach sich selbst ist oder nach Wachstum strebt, wird in den Attributen Allahs die beste Methode finden, sich selbst zu erkennen, zu lieben, aber nicht hochmütig zu werden und gemäß des eigenen Potentials maximal zu wachsen.

In den ersten Rückzügen (iʿtikāfs) lernte ich mich kennen und fand mich als emotionalen Menschen wieder. Ich lernte durch das Gebet und den Heiligen Qur’an die Emotionen durch die Vernunft zu steuern. Jeder Mensch, der mit Vernunft gesegnet ist, wird schnell spüren, wenn ein Mensch sich noch im unkontrollierten Zustand der Emotion befindet. So ging es mir auch. Ich sah plötzlich in anderen Menschen unkontrollierte Emotionen. Gewissermaßen ist der vernünftige Mensch dem durch Trieb und Emotion gesteuerten Menschen überlegen. Aber hier lauerte eine weitere Gefahr, denn beim nächsten Rückzug (iʿtikāf) lernte ich: Vernunft kann auf der Ebene mit der Beziehung zu Allah noch gefährlicher sein als die reine Emotion. Denn wir fangen an, uns über andere zu erheben – erst über ihre Emotion, dann über andere Gedanken, die nicht unsere sind. Hochmut schleicht sich ein. Die Reise geht bis zum letzten Atemzug. Mit jedem neuen Zustand des Menschen erstrahlt auch ein neuer Glanz Gottes. Er erscheint uns in einem neuen Licht. So lernte ich am Anfang einen liebenden und gnädigen Freund und den Allvergeber in Gott kennen. 

Der Mensch erreicht etwas – und wird schnell stolz. Die gewonnene Vernunft machte mich so glücklich, dass ich dachte, dies sei das Ende meiner Reise. Endlich hatte ich mich verstanden und lieben gelernt. Wer aus einer tiefen Emotionalität kommt, kann dies vielleicht nachempfinden. Nun war ich vernünftig, aber wohl nicht klug. Oft muss ich bei meiner Beziehung zu Gott an meine Kinder denken bzw. meine Beziehung zu ihnen. Als sie noch klein waren, durften sie alles, fast alles tun, denn sie waren des Verstandes bar. Ich war selten bis nie streng zu ihnen. Und so war es Gott – solange ich im emotionalen, unreifen Zustand war – auch zu mir. Doch im vernünftigen Zustand spürst du auch im Gebet, dass Gott nicht alles durchgehen lässt, so wie ich bei meinen ältesten Kindern. Und so spürte ich auch den majestätischen Gott, der nicht auf mich angewiesen ist, bzw. jenen Gott, dem es gelang, meine blinde Vernunft zu durchbrechen. Je mehr ich wachse, desto größer wird das Bild von Gott in mir. Je größer mein Respekt wird, desto tiefer wird auch die Liebe. Wenn Kinder sehen und verstehen würden, was ihre Eltern tagtäglich für sie tun, ohne sie davon in Kenntnis zu setzen, könnten sie nicht anders als dankbar sein. Je größer die Beziehung zu Gott wird, desto stärker wird die Dankbarkeit und das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit.

RdR: Welche persönlichen Veränderungen oder Fortschritte haben Sie erlebt?

ST: Es hat meinen Blick auf die Welt und Mitmenschen verändert. Neben dieser seelischen Reise erst von emotion- und triebgeleiteten »Tier« zum Menschen mit Verstand und einer wachsenden Moral und dann die Ergebung des Verstandes an Allah (Reisender bis zum Tode) – habe ich vor allem gelernt, dass Gott die Menschen in Gute, in Nicht-Wissende und Heuchler unterscheidet. Betrachtet man die Welt so, sieht man auf einmal Menschen, die gut sind, die man sonst wegen weltlicher Label und Stati übersehen hätte. Und plötzlich sieht man sehr viele gute Menschen, denn welcher Mensch, der gut sein möchte, bewertet andere?

Die Gläubigen bleiben nach dem gemeinschaftlichen Ritualgebet sitzen, um der täglichen Lesung aus der Koranexegese zu lauschen.

RdR: Wie hat sich die Abgeschiedenheit auf Ihre Sichtweise des Lebens oder Ihre täglichen Gewohnheiten im Alltag ausgewirkt?

ST: Ein gottesfürchtiger Mensch hört auf, schnell zu bewerten oder zu urteilen. Diese Reise ins Innerste ist wie eine Neu- oder Umprogrammierung und hat eine nachhaltige Wirkung – zuerst im Denken, dann in den Worten, Taten und schließlich im Charakter. Und doch ist diese Reise eine ewige, mit all den Hürden und Schwächen, die lauern. Deswegen komme ich regelmäßig hierher in die Moschee.

RdR: Was würden Sie Nicht-Muslimen sagen, die wenig über diesen Rückzug oder den Ramadan wissen? Was können sie von dieser Praxis lernen oder verstehen?

ST: Allen Menschen, denen ihr Geist, ihr Innerstes und ihre Seele wichtig sind. Jeder, der meditiert oder sich im Alltag Ruhe gönnt. Jeder, der beispielsweise Yoga praktiziert und jeder, der andere Wege nach innen sucht. Jeder, der sich selbst zum Beispiel durch Hypnose heilen möchte. Jeder vernunftbegabte Mensch, dem Geist und Verstand wichtig sind. Die Übung des iʿtikāf vereint all diese Methoden und bietet unglaublich bereichernde Erfahrungen. Zuerst führt sie in das eigene innere Universum, und dann auch in die Weisheiten des äußeren Universums. Gott, die Urkraft, ist dabei ein aktiver Coach und Begleiter.

Betrachtet man es oberflächlich, könnte man sagen: Probieren Sie es aus – wenig essen, wenig schlafen, wenig reden. Schon diese Dinge führen bald eine andere Wachsamkeit nach sich. Doch der wahre Unterschied entsteht, wenn man auf alle Medien verzichtet und das Gebet als einziges Medium nutzt, um mit Gott zu sprechen. Diese Erfahrung übertrifft jede, ja sogar die intimste, die ein Mensch machen kann.

Ich verstehe Gott nicht als irrational und auch nicht als das Gegenteil von Wissenschaft oder Vernunft. Bei meinem Gott ist ein Wunder wissenschaftlich möglich, wenngleich rechnerisch fast unmöglich – aber nur fast. Kein Mensch ist für mich mit seinem Leib im Himmel, noch geht er physisch über Wasser. Diese Dinge sind Metaphern. Unser Gott widerspricht – und das unterscheidet sich deutlich von anderen Glaubensformen – niemals der menschlichen Vernunft oder den von Gott selbst aufgestellten Naturgesetzen.

Dieser Gott ist Liebe, Er ist rein, das Licht und hat mehr als 100 Attribute. Dieser Gott hat uns mit einer reinen Natur erschaffen und möchte, dass wir unser Inneres ein Spiegelbild des reinen Wesens Gottes wird. Für Außenstehende mag diese Praxis ein Wagnis sein – aber vielleicht ist es das letzte »Camp«, in dem du dir und Gott im Urkern begegnest.

RdR: Der iʿtikāf ist ein sehr intensiver Rückzug. Glauben Sie, dass diese Praxis auch für Menschen aus anderen Religionen oder Weltanschauungen eine Form der spirituellen Erneuerung bieten könnte?

ST: Ja, denn der Islam ist keine exklusive Lehre für Muslime, sondern für alle Menschen, die eine Seele besitzen. Also alle. Jeder Suchende wird Antworten finden. Tipps, wie das gelingt, sollte man sich vorher holen. Schon Goethe schrieb doch: »Wenn Islam Gott ergeben heißt, im Islam leben und sterben wir alle.« Probiert’s aus.

RdR: Viele Menschen in der westlichen Welt sind oft mit Hektik und Ablenkungen konfrontiert. Welche Lehren können sie aus der Ruhe und Besinnung des iʿtikāf ziehen?

ST: Entschleunigung. Erkennen des eigenen höheren Zwecks, vermutlich viel höher als sie sich selbst zuschreiben würden. Der Sinn des Ich-Seins und Seins, und zwar für jede Seele, unabhängig vom akademischen Grad, der geografischen Lage oder der bisherigen Erziehung.

Die Muʿtakifīn kommen zu einer kurzen Abschlussbesprechung des Tages zusammen.

RdR: Gibt es etwas, das Sie aus dieser Erfahrung für die Zukunft mitnehmen möchten?

ST: Ich lösche mein WhatsApp, entschleunige dauerhaft und versuche, die uns gegebenen Mittel nicht zum Zweck unseres Seins zu machen. Am Ende bleibt alles hier. Ich habe mich neu verortet und muss meine Reise von hier fortführen und dabei meine Mittel weiten und nutzen.

RdR: Zum Schluss: Gibt es eine besondere Botschaft oder ein Gefühl, das Sie mit unseren Lesern teilen möchten, die sich vielleicht nie mit der spirituellen Praxis beschäftigt haben?

ST: Vielleicht wäre es noch wichtig zu erwähnen, welche spirituellen Erfahrungen man macht oder wie sich Gott zeigt, und ob es mehr ist als nur ein Gefühl.

Ich habe während dieser Zeit erfahren, dass spirituelle Erlebnisse weit über bloße Gefühlsregungen hinausgehen können. Ich wollte wissen, ob Gebete wirklich etwas bringen. Es begann mit kleinen Wünschen, die auf unerklärliche Weise erfüllt wurden, ohne dass ich jemandem davon erzählt hatte – wie eine Mango, die plötzlich in meiner Kabine lag, oder ein Getränk, das mir mein Sohn brachte, nachdem ich es mir im Stillen gewünscht bzw. dafür gebetet hatte. Solche und weitere Erlebnisse brachten mich zu der Erkenntnis, dass diese »Zufälle« mehr sein könnten.

Die intensivsten spirituellen Erfahrungen waren jedoch Träume, die klare Botschaften transportierten und sich später als wahr herausstellten. Ich habe gelernt, dass der Glaube und das Befolgen des Qur’an in solchen Momenten zu einer Verbindung mit Gott führen können. Für mich ist es ein Beweis für Gottes Präsenz. Ich bin überzeugt, dass jeder, der sich für diese spirituelle Herausforderung öffnet und sich Allah für ein paar Tage freiwillig ergibt, ähnliche Erfahrungen machen kann – sei es im Ramadan oder zu anderen Zeiten.

Hier nochmal der Hinweis, dass der Islam in solchen Zeichen nur einen Beweis der Existenz Gottes für einen Menschen sieht. Entscheidend ist jedoch, wie ein Mensch nach solchen Erfahrungen sein Leben ausrichtet. Solche Momentaufnahmen in Form von Wahrträumen sind kein Zeugnis für den Charakter eines Menschen.

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Kurz erklärt: Was ist Iʿtikāf?

Der iʿtikāf ist eine besondere spirituelle Praxis im Islam, die insbesondere während des Monats Ramadan eine große Bedeutung hat. Das arabische Wort »iʿtikāf« bedeutet wörtlich ›sich zurückziehen‹ oder ›an einem Ort verweilen‹. In der islamischen Tradition bezeichnet es den rituellen Rückzug in eine Moschee, um sich intensiv dem Gebet, dem Gedenken Gottes (ḏikr) und der religiösen Besinnung zu widmen. Dabei muss der Gläubige fasten und darf den Gebetsraum nur aus zwingenden Gründen verlassen, beispielsweise für notwendige hygienische Bedürfnisse oder zur Nahrungsaufnahme vor Fastenbeginn bzw, zum Fastenbrechen.

Die Praxis des iʿtikāf hat tiefgehende historische Wurzeln und findet sich auch in anderen religiösen Traditionen. Bereits im Qur’an wird erwähnt, dass der Prophet Abraham (as) und sein Sohn Ismail (as) das Haus Gottes, die Kaaba, für diejenigen reinigen sollten, die darin in Andacht verweilten. Auch die Mutter von Jesus (as), Maria (as), wird im Heiligen Qur’an als eine Frau beschrieben, die sich für die Andacht an einen abgeschiedenen Ort zurückzog.

Im Islam ist der iʿtikāf in den letzten zehn Tagen des Ramadan von besonderer Bedeutung. Der Heilige Prophet Muhammad (saw) pflegte es, sich in dieser Zeit in die Moschee zurückzuziehen, um sich vollkommen der Gottesverehrung zu widmen. Nach seinem Vorbild halten viele Muslime diese Praxis bis heute aufrecht. Frauen können ebenfalls den iʿtikāf praktizieren, wobei es ihnen gestattet ist, diesen auch in einem speziell eingerichteten Bereich ihres Hauses durchzuführen.Während des iʿtikāf ist es den Teilnehmenden (muʿtakifīn) wichtig, möglichst viel Zeit mit Gebeten und dem Gedenken Allahs zu verbringen. Alltägliche Gespräche und weltliche Ablenkungen sollen möglichst vermieden werden. Ziel ist es, sich geistig zu reinigen und die Nähe zu Gott zu suchen.

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