Islam

Aḏān – der Ruf zum Gebet

Traditionell wird der aḏān von einem Minarett der Moschee ausgerufen.
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ḥayya ʿala ṣ-ṣalāh – ḥayya ʿala l-falāḥ
„Eilt herbei zum Gebet. Eilt herbei zum Erfolg.“

Dies sind die genauen Worte der Botschaft, die im aḏān, dem formellen Aufruf zum Gemeinschaftsgebet im Islam, enthalten sind. Keine andere Ankündigung oder Bekanntmachung erreicht jeden Tag weltweit milliardenfach Menschen zu verschiedenen Zeiten.

Im Islam gibt es fünf obligatorische Gebete, die täglich von allen Muslimen, Männern und Frauen, verrichtet werden. Das Gemeinschaftsgebet wird in einer Moschee verrichtet, und den Lehren des Islam zufolge sollte der aḏān vor jedem Gebet ausgerufen werden. Der Zweck des aḏān (wörtlich „Verkündung und Bekanntmachung“) ist aus seiner wörtlichen Bedeutung ersichtlich. Er soll die Muslime, die in der Umgebung leben, informieren, dass die Zeit des Gebets ansteht und dass sie sich darauf vorbereiten sollten.

Der aḏān soll mit lauter Stimme gerufen werden (heutzutage auch über ein Lautsprechersystem möglich), damit er für die Menschen in der Nachbarschaft, nah und fern, hörbar ist. Als Muslime respektieren wir die Gesetze eines Landes. Deshalb wird der aḏān in westlichen Ländern generell so ausgerufen, dass er nur innerhalb der Moschee hörbar ist, damit die Bevölkerung oder die Nachbarschaft nicht gestört wird. Es wurde überliefert, dass der Heilige Prophet MuhammadSAW, der Gründer des Islam, gesagt hat, dass selbst eine einzelne Person in der Wüste den formellen Gebetsruf ausrufen sollte. Vielleicht stieße noch jemand durch Hören des aḏān zum Gebet. Selbst wenn niemand durch den Ruf erscheint, würde diese Person am Tag des Jüngsten Gerichts zutiefst belohnt werden, da er die Einheit und die Erhabenheit Allahs, des Allmächtigen, zu jener Zeit verkündete.

Andere Religionen wenden andere Methoden an, um ihre Anhänger zu ihrem Gotteshaus einzuladen. Einige benutzen Trommeln, andere blasen Trompeten und einige läuten Glocken. Solange jemand den Sinn dieser Klänge nicht kennt, ist es für ihn unmöglich, die Bedeutung zu erfassen. Eine Glocke wird an unzähligen Orten wie Schulen und Universitäten usw. verwendet. Worin unterscheidet sich das Glockenläuten für die Messe von anderen Klängen? Es ist unmöglich, die mit dieser Einladung verknüpfte Botschaft vollständig zu erfassen, da solche Geräusche nicht selbsterklärend sind. Solange man weder den Ursprung dieser Einladung kennt noch den Zweck zu dem man gebeten wird, kann von keinem erwartet werden, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Jemand, der sich der Bedeutung des Rufes nicht bewusst ist, könnte den Ort der Anbetung betreten und das Gebet verrichten, jedoch ohne die Konzentration und Ernsthaftigkeit, die das Gebet verdient.

Der Islam beansprucht, die perfekte Religion für die Menschheit zu sein. Er ist einzigartig darin als einzige Religion die menschliche Stimme zu verwenden, um Menschen zum Gottesdienst zu rufen. Der aḏān dient als ein klares Beispiel für die Vollständigkeit dieser perfekten Religion. Der aḏān ist ein Mittel, um die Muslime zu ihrem Gemeinschaftsgebet einzuladen. Die verschiedenen Sätze des aḏān sind nicht nur bedeutungsvoll, sondern dienen auch dem Zweck der gesamten Handlung. Jede Person, die einen Muslimen zum Gebet rufen hört, kann die Bedeutung der Wörter unabhängig von ihrem Glauben leicht verstehen, vorausgesetzt sie versteht Arabisch. Die unmissverständliche Bedeutung harmoniert mit der wunderbaren melodischen Stimme des Gebetsrufers.

Die ersten Worte, die der Muezzin (der Gebetsrufer) ausspricht, lauten:

(Allāhu akbar) d.h. „Allah ist der Größte“. Das Anfangswort lautet (Gott). Dies zieht die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf sich, da Allah der Schöpfer, der Bildner und der Gewährer von allem ist, was der Mensch wahrnehmen kann, ja sogar mehr als er sich je vorstellen kann. Die Erwähnung von Allahs Eigenschaft der Großartigkeit zieht weitere Aufmerksamkeit auf sich und legt größeren Wert auf die Verrichtung des Gottesdienstes an sich. Dieser Satz wird viermal wiederholt, wodurch die Anfangsaussage betont wird.

Der Muezzin fährt fort und sagt:


Ašhadu allā ilāha illallāh.
„Ich bezeuge, dass niemand anbetungswürdig ist außer Allah.“


Ašhadu anna muḥammada r-rasūlullāh.
„Ich bezeuge, dass Muhammad Allahs Gesandter ist.“

Der Muezzin beim aḏān (Gebetsruf).
© Die Revue der Religionen

Dieser Teil des aḏān befasst sich mit den grundlegenden Glaubensvorstellungen des Islam. Der Islam setzt sich aus einer schönen Kombination von Glauben und Praxis zusammen. Sie ermöglicht einem Menschen vollständige Erlösung durch eine feste Wahrheitsüberzeugung, gefolgt von rechtschaffenen Taten. Da die größte Wahrheit in der Welt die Existenz Gottes ist, ist der Glaube an den einen Gott und Seine unvergleichlichen Qualitäten die Grundlage des Glaubens im Islam. Ein umfassendes Verständnis von Allah kann erlangt werden, indem man die verschiedenen Eigenschaften Allahs vollständig erfasst.

Verschiedene Religionen haben unterschiedliche Mittel genutzt, um Menschen zum Gebet, wie etwa durch Glockengeläut.
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Gemäß dem islamischen Glauben ist der Heilige Prophet des IslamSAW die größte Manifestation der Eigenschaften Allahs in diesem Universum. Die anderen Propheten Allahs sind auch Seine heiligen Repräsentanten, jedoch wurde dem Heiligen Propheten MuhammadSAW der einzigartige Status als ḫātamu n-nabiyyīn (der beste aller Propheten) zuteil. In dieser erhabenen Stellung als Oberhaupt und Meister aller Propheten genießt er das Privileg, den größten Anteil an göttlichen Segnungen erhalten zu haben. Er ist das vortrefflichste Vorbild für Suchende nach Gottesnähe; Er ist der spirituelle Wegweiser, so wie die bekannten Sternbilder für Seefahrer wegweisend sind. Der Heilige ProphetSAW empfing die endgültige und vollständige Offenbarung von Allah in Form des Heiligen Qur‘an. Durch seine von Gott gegebene Weisheit und sein Wissen erläuterte er die Lehren des Heiligen Qur‘an und setzte sie während seines Lebens in die Praxis um. Ihn zu kennen bedeutet, Gott zu kennen, und in seine Fußstapfen zu treten ist für den spirituellen Fortschritt einer Person von entscheidender Bedeutung.

Der Glaube an das Prophetentum MuhammadsSAW, dem Heiligen Gründer des Islam, ist daher der zweitwichtigste Bestandteil des Glaubens. In gewisser Weise deckt sowohl der Glaube an Allah als auch an das Prophetentum des Heiligen ProphetenSAW den Rest des Glaubens ab. Aus diesem Grund wurden beide Aspekte im aḏān aufgenommen und geben Nicht-Muslimen eine prägnante Einführung in die Lehren des Islam.

Dann folgt das zentrale Thema des aḏān. Der Muezzin ruft:


ḥayya ʿala ṣ-ṣalāh – ḥayya ʿala l-falāḥ „Eilt herbei zum Gebet. Eilt herbei zum Erfolg.“

Beim Gebetsruf werden Muslime an die Erhabenheit Allahs erinnert und werden dazu aufgerufen, dies zu beachten.
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Sobald sie diesen Ruf hören, wird von Muslimen erwartet, Vorbereitungen für das Gebet zu treffen und alle weltlichen Angelegenheiten, ungeachtet ihrer Wichtigkeit, beiseitezulassen. Die Arbeit ruhen zu lassen kostet manchmal viel Zeit und Geld. Wenn man sich geistig wohlfühlt und zufrieden ist, wird durch dieses Opfer die Hingabe und Standhaftigkeit eines Muslims stark zunehmen. Aus diesem Grund folgt unmittelbar auf den Ruf zum Gebet eine immense Zusicherung des Wohlstands, um die Herzen der Gläubigen zu stärken und ihnen die Gewissheit über die Wirksamkeit der Gebete zu geben.

Das Gebet ist die wahre Seele des Lebens. Durch Gebete etabliert und entwickelt der Mensch eine Bindung zu Allah, die bewirkt, dass Gottes Segnungen herabgesandt werden und seine Dunkelheit und Misserfolge mit spirituellem Licht erleuchtet werden. Das Gebet ist der Schlüssel zum Wohlstand und wenn man diesen Schlüssel einmal besitzt, sind die Tore zum Erfolg in allen Bereichen geöffnet. Dieser letzte Teil des Gebetsrufs bietet eine mögliche Antwort auf die häufig gestellte Frage, warum ein Muslim lieber in die Moschee gehen sollte, um seine Gebete zu verrichten. Die in Form einer ewigen Wahrheit lautende Antwort lässt keinen Zweifel in den Gedanken eines wahren Gläubigen zurück. Darum bringt er gerne sein kleines Opfer dar. Dies ist die logische Art und Weise der Einladung im Islam. In einigen muslimischen Ländern ist zu beobachten, dass die muslimischen Ladenbesitzer sofort ihren Handel ruhen lassen, wenn der aḏān gerufen wird und zur Moschee eilen und ihre Geschäfte völlig unbeaufsichtigt stehen lassen.

Nachdem die essenzielle Botschaft verkündet und die Vorteile des Gebets erklärt wurden, wird die Erhabenheit und Einheit Allahs verkündet und wiederholt. Am Ende des aḏān erklärt der Muezzin:


Allāhu akbar, Allāhu akbar. Lā ilāha illallāh. „Allah ist der Größte, Allah ist der Größte. Niemand ist anbetungswürdig außer Allah.“

Von Muslimen wird erwartet, alle geschäftlichen und weltlichen Angelegenheiten auszusetzen, um sich auf das Gebet vorzubereiten.
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Dieser Satz, der das Ende des aḏān markiert, erinnert sowohl den Muezzin als auch die Zuhörer daran, dass die herrlichste Wahrheit auf Erden die Existenz Allahs, des Allmächtigen, ist. Er ist der Höchste, der Herr des Universums. Er ist der einzig Anbetungswürdige. In der Tat ist jene Person gesegnet, die diese Wahrheit kennt und ihr Leben so verbringt, dass sie sich Allahs Geboten vollständig unterwirft.

Hadhrat Khalifatul Masih II. und das zweite Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Seine Heiligkeit Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA, hat sehr schön und bündig über den aḏān folgendes gesagt:

„Zusätzlich zu den vielfältigen Überlegenheiten, die der Islam gegenüber allen anderen Religionen besitzt, denn alle seine Lehren basieren auf Vernunft und haben tiefgründige Bedeutung, beansprucht er wohl mit Fug und Recht eine weitere Exzellenz: die Art des Gebetsrufes. Während die Mittel, mit denen andere Religionen ihre Anhänger zum Gebet aufrufen, ihrer Wirklichkeit oder Bedeutung beraubt sind, stellt der islamische Gebetsruf, der fünf Mal am Tag der Welt verkündet wird, das Wesen und den Kern der gesamten Lehre des Islam dar.“

The Review of Religions, Ausgabe 07/1925, Nr. VII, Band XXIV

Über den Autor: Herr Ataul Mujeeb Rashed ist Imam der Londoner Fazl-Moschee – auch bekannt als „The London Mosque“ – der ersten Moschee Londons. Er ist zudem der leitende Imam der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Großbritannien.

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