Endlich sechs Jahre Jalsa Salana!
Naraay Takbeer. Zwei Worte, die mich nicht losgelassen haben. Die ich spüren konnte, ohne wirklich zu verstehen. Die mich noch den ganzen Samstag beschäftigt haben.
2014, als die 39. Jalsa Salana stattfand, war ich das erste Mal selbst vor Ort und mir war sofort klar – du kommst nächstes Jahr wieder. Ich, mit T-Shirt und Sonnenbrille, ließ mich von der Farbvielfalt der pakistanischen Kleidung inspirieren. Auf den nächsten Jalsa Besuchen verließ ich das Hotel nicht mehr ohne mein Shalwar Kameez (traditionelle pakistanische Kleidung).
Abgetaucht in eine friedvolle Welt voller spiritueller Energie genoss ich meine erste Jalsa Salana. Ich war überrascht, dass trotz so vieler Menschen, solch eine gelassene und respektvolle Atmosphäre herrschte. Ich war gespannt auf den Ablauf und konnte nicht erahnen, mit wie viel bewegenden Gesprächen, interessanten Reden und Eindrücken ich das Jalsa Gelände verlassen würde. Ein riesiges Messegelände. Für mich einst nur in Verbindung zu bringen mit lauten Konzerten, Zirkus und Trubel, wird Jahr für Jahr für ein Wochenende umgewandelt in eine spirituelle Wohlfühloase, zu der Ahmadis aus aller Welt eingeladen werden sich zu versammeln, um gemeinsam zu beten, gemeinsam zu speisen und voneinander zu lernen. Wie man das eben in einer großen Familie so macht.
Ohne Zwang und mit Liebe – getreu dem Motto »Liebe für Alle – Hass für Keinen« wurde in allen Ansprachen und Reden die eigentliche Aufgabe und die Verantwortung eines jeden Menschen, insbesondere eines Ahmadi Muslims / einer Ahmadi Muslima vermittelt. Die Krönung war die Ansprache des geliebten Khalifen der Zeit, gerichtet an die Frauen und eine weitere Ansprache an die Gäste – wie mich. Ohne eine Bindung zum Khalifen zu haben, konnte ich das erste Mal die Liebe der Ahmadis zu ihrem Khalifen verstehen. Ich fühlte mich plötzlich auch in der Pflicht, eine lebendige Beziehung zu meinem Schöpfer aufzubauen und mich selbst zu hinterfragen.
Während ich dem Programm lauschte, blieb mir eine weitere Begebenheit tief in Erinnerung, und zwar das gemeinschaftliche Gebet. Noch nie zuvor habe ich tausende Menschen gesehen, die synchron hinter einem Imam mit solch einer Disziplin das Gebet verrichteten. Auf dem Messegelände war es während dem Gebet so still, man hätte eine Nadel fallen hören können. Das Einzige, was ich hören konnte, waren weinende Frauen, die demütig und mit voller Hingabe sich vor ihren Schöpfer niederknieten. Diesen Tag mit all seinen besonderen Erlebnissen und Emotionen musste ich erst einmal verarbeiten und fuhr zwar erschöpft aber mit voller Vorfreude auf das nächste Jahr nach Hause.
Dass mich dieser eine Samstag noch das restliche Jahr so prägen wird, hätte ich nicht gedacht. Ich konnte meine gewonnenen Erfahrungen tatsächlich im Alltag ausleben. Für mich vorher ganz banale Dinge, die ich nach der Jalsa Salana viel stärker wahrnahm. Sei es die eigenen Eltern noch mehr zu respektieren und achten und Ihnen eine Unterstützung zu sein, der alten Nachbarin beim Einkauf zu helfen und das wichtigste, den Briefkontakt mit dem geliebten Khalifen der Zeit zu pflegen. Jeder Brief sowie jede weitere Jalsa Salana brachten mich immer näher zur Jamaat. Näher zum Glauben. Auf meinem 3. Jalsa Besuch entschloss ich mich das Treuegelübde abzulegen. Ein Moment, der mich zu Tränen rührte und gleichzeitig meinen Körper mit voller Energie durchströmte. Gott war es, der mir das Gefühl gab, dass ich die richtige und vor allem wichtigste Entscheidung in meinem Leben getroffen habe.
Das Highlight dieser spirituellen Reise war das Treffen mit unserem geliebten Khalifen und allen Konvertiten am Sonntag. Seine Anwesenheit war überwältigend, er füllte den kleinen Raum bis in den letzten Winkel mit spiritueller Energie. Sein Gesicht strahlt Noor (Licht) aus. Die letzte Möglichkeit an diesem Wochenende so nah vor ihm zu sitzen, ihn fragen und erzählen zu können was einem auf dem Herzen liegt. Zu wissen, dass er jeden Einzelnen von uns in seine Gebete mit einschließt und mit dem besten Rat zur Seite steht, ist wie Balsam für die Seele.
Im darauffolgenden Jahr habe ich meine beste Freundin als Gast eingeladen. Ich konnte ihr mit bloßen Worten nicht erklären, wie sich ein Besuch auf der Jalsa Salana anfühlt. Ich hatte das Gefühl, dass sie was verpassen wird, wenn sie nicht zumindest einmal eine Jalsa Salana live erlebt. Und plötzlich war ich diejenige, die ihr die aus den Lautsprechern tönenden Worte Naraay Takbeer erklären musste, Erinnerungen kamen hoch, wo 2014 doch noch für mich alles neu war. Heute – 6 Jahre später – freue ich mich wie ein kleines Kind, ich zähle die letzten Tage bis zur Jalsa Salana. Ich habe erneut die Möglichkeit, unseren geliebten Khalifen in unmittelbarer Nähe vor mir zu sehen und hinter ihm beten zu können. Seine Liebe, die er für jeden einzelnen Menschen auf der Welt hegt, zu spüren. Die Jalsa Salana ist ein Ort, an dem wir alle gemeinsam spirituelle Kraft tanken können. Ein Ort, an dem sich Emotionen, Glaube und Spiritualität in grösster Menge vereinen, verschiedenste Nationen und Kulturen aufeinander treffen. Ich gehe in mich und frage mich, was habe ich aus den Ansprachen in den letzten Jahren verinnerlichen können? Kann ich mein Treuegelübde mit gutem Gewissen wiederholen, das bestmögliche im letzten Jahr gegeben zu haben? Die Jalsa Salana ist für mich der perfekte Ort, sich spirituell weiterzuentwickeln und die Gemeinschaft zu stärken. Ich treffe alte Schwestern und lerne neue Schwestern kennen. Die wunderschönen Gesänge während der Abschlusszeremonie in verschiedenen Sprachen zeigen mir, dass egal welche Nationen der Jamaat beigetreten sind oder beitreten werden, egal wie unterschiedlich die Kulturen sein mögen, uns eine elementare Sache verbindet – und zwar die Religion, der Islam, der Glaube an den Verheißenen MessiasAS.
Naila Jennifer Seitel
Mashallah sehr schön und fesselnd geschrieben.
Möge Allah die Autorin segnen