Gegenwärtig scheinen sich mit jedem Tag verschiedenste extremistische Strömungen immer ungenierter zu offenbaren. Vordergründig nehmen sie sich gern gegenseitig als Zielscheibe, doch unterscheiden sie sich bei genauem Hinsehen in ihren geistigen Mustern kaum. Überlegenheitsdenken gepaart mit Menschenverachtung, Autoritarismus und Intoleranz sind nur einige der gemeinsamen Kennzeichen dieser perfiden Ideologien.
Für jeden sensiblen und aufgeschlossenen Menschen ist es entscheidend, diese Muster zu erkennen, um faschistische Praktiken – egal welchen Lagers – nicht nur zu entlarven, sondern auch anzuprangern und sich so für Frieden und eine wirklich gerechte Gesellschaft stark zu machen.
Im Geiste verwandte Ideologien
Nach wie vor steht einer friedlichen Gesellschaft die hässliche Fratze des Rassismus im Weg. Rassisten vertreten die Vorstellung, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft mehr oder weniger wert sind. Diese Überzeugung äußert sich bekanntlich durch Vorurteile, Diskriminierung und Gewalt. Rassismus spaltet Gesellschaften, indem er Menschen in ›wir‹ und ›sie‹ einteilt. Um ihn zu bekämpfen, müssen wir uns aktiv für Gleichheit und Respekt einsetzen, unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe.
Nicht weit entfernt vom Rassismus steht der Nationalismus, eine autoritäre Ideologie, die sich zuerst das legitime nationale Ehrgefühl eines Volks zunutze macht, um dann mit zentral geballter Kontrolle – wenn es sein muss gewaltsam – gegen abweichende Meinungen vorzugehen. Historisch gesehen führte der nationale Faschismus immer zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Islamistischer Extremismus nutzt den Islam als Vorwand für autoritäre Machtansprüche und Gewaltbereitschaft. Extremistische Gruppen, die von der überwiegenden Mehrheit der Gläubigen abgelehnt werden, versuchen, ihre abartige Interpretation der Religion mit allen Mitteln durchzusetzen. Das führt zu erheblichen Konflikten und Leiden. Entgegen der kolportierten Wahrnehmung, sind die vorwiegenden Opfer radikaler Islamisten nicht Menschen westlicher Gesellschaften, sondern Muslime selbst.
Obwohl Faschismus allgemein meist mit der extremen Rechten verbunden wird, treten auch im linken Spektrum vermehrt Strömungen zutage, die auf Zwang, Gewalt und Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen setzen. Bewegungen des linken Faschismus geben vor, etwa für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen, greifen aber zu repressiven Methoden, die denen des klassischen Faschismus ähneln. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die zunehmend wahrnehmbare Intoleranz gegenüber Meinungen, die nicht den ›liberalen‹ Mainstream-Ansichten entsprechen. Die besondere Gefahr dieser Art von Faschismus liegt darin, dass viele Menschen sie im linken Spektrum nicht vermuten würden.
Die derzeit durchgreifende extremistische Strömung innerhalb des Zionismus ist nicht minder besorgniserregend. Einige Zionisten vertreten radikale Ansichten, die die Rechte anderer Völker – aber auch die des eigenen – massiv einschränken und selbst davor nicht zurückschrecken, ethnische Säuberungen mit ihrem pseudeo-religiösen Anspruch zu rechtfertigen. Viele Juden selbst sehen sich veranlasst, die Handlungen der derzeitigen israelischen Führung mit jenen der einstigen Verfolger des jüdischen Volkes zu vergleichen, so absurd es auch klingen mag.
Bild: Itamar Ben Gvir und Baruch Marzel demonstrieren in Jerusalem gegen den Waffenstillstand mit der Hamas, 15. Juli 2014
Der Jude und Holocaust-Überlebende Stephen Kapos sagt dazu kürzlich in einem Interview:
»Als Überlebender des Holocaust sage ich, dass der Völkermord in Gaza nicht in meinem und in unserem Namen geschieht. Die Art und Weise, wie die israelische Regierung die Erinnerung an den Holocaust benutzt, um zu rechtfertigen, was sie den Menschen im Gazastreifen antut, ist eine völlige Beleidigung der Erinnerung an den Holocaust. Es ist ein Skandal. […]
Die Darstellung des palästinensischen Volkes als wertlos, fast tierähnlich durch die Beschreibung einiger (politischer/religiöser) Führer – diese Entmenschlichung bringt die Bevölkerung Israels dazu, das Geschehen zu tolerieren. Die Art und Weise, wie verhaftete Palästinenser behandelt wurden, wie sie sich ausziehen müssen und wie sie vorgeführt werden, ist Teil dieser Demütigung.
Die Art und Weise, wie im Westjordanland die Kontrollpunkte organisiert sind, wie man gezwungen wird, stundenlang ohne Grund zu warten, um zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, usw. – all dies ist eine ähnliche Demütigung wie die, die wir erlebt haben. Die Entschlossenheit und Konsequenz, mit der sie den gesamten Gazastreifen zerstören wollen, ähnelt der Grausamkeit und Entschlossenheit faschistischer Regime. Wenn sich einige der Handlungen des Nazi-Regimes in Form von entmenschlichenden und absolut grausamen Massentötungen und dergleichen wiederholen, sehe ich nicht, warum man diese Parallele nicht ziehen kann.«
Differenzierung, Empathie und Wachsamkeit
All diese Ideologien zeigen also Parallelen in ihren autoritären und repressiven Mustern, die in der Vergangenheit zu großen Tragödien geführt haben. Die ist, was viele Menschen glauben möchten, nur sind diese Tragödien alles andere als vorbei. Es gibt genügend Gründe zur Annahme, dass diese vor den Augen der Welt gerade auf die Spitze getrieben werden.
Differenzierung und Wachsamkeit sind hier für jeden und jede Einzelne von akuter Bedeutung. Dabei ist es wichtig, zu unterscheiden zwischen den extremistischen Elementen selbst und den breiten, vielfältigen Gemeinschaften, hinter denen sie sich verstecken und die sie tagtäglich versuchen zu beeinflussen und zu unterwandern.
Pauschale Verurteilungen einerseits sowie undifferenzierte Verteidigungen andererseits – Stichwort ›Recht zu Selbstverteidigung‹ – solcherlei Schnellschlüsse sind in hohem Maß kontraproduktiv und hindern uns ständig daran, die tatsächlichen Probleme effektiv anzugehen.
Aber auch die weit verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber all diesen Fragen ist alarmierend. Nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Nationen neigen dazu, sich von schwelenden Problemen zu distanzieren, solange sie nicht selbst stark genug betroffen sind.
Diese Haltung trägt dazu bei, dass dringende humanitäre Krisen weder ausreichend Beachtung finden noch angemessene Maßnahmen dagegen ergriffen werden.
Ein allseits bekanntes Beispiel aus dem letzten Jahrhundert ist die Apathie der internationalen Gemeinschaft während des Holocausts, die von vielen Überlebenden als nicht minder schmerzhaft empfunden wurde wie ihre Verfolgung selbst. Ein Beispiel, das sich vor den Augen der heutigen Weltgemeinschaft also gerade himmelschreiend wiederholt?
Der Weg nach vorne erfordert, dass wir in der Lage bleiben müssen, die Wahrheit offen auszusprechen und uns aktiv mit den Problemen der Zeit auseinandersetzen. Das bedeutet auch, gefährliche Elemente innerhalb von Gruppen zu identifizieren, ohne dabei ganze Nationen zu stigmatisieren, seien es Völker oder Religionsgruppen. Wie kann uns dann noch das unbeschreibliche Leid so vieler unschuldiger Mitmenschen unberührt lassen?
Bild: Standoff für den Frieden. Kossuth tér, Budapest 2023
Die zahlreichen Augen der Öffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft dürfen sich nicht blenden lassen und aufeinander losgehen. Sie müssen wachsamer sein, genauer hinsehen, sich vereinen und aktiv engagieren, um sicherzustellen, dass faschistische Tendenzen jeglicher Art sich niemals durchsetzen.
Wenn mehr Menschen mutig der Meinungsmache standhalten, dann werden bald auch die Schwächeren unter uns anfangen, die Zusammenhänge begreifen. Diese kann uns dem Ziel näher bringen, negativen Entwicklungen aufzuhalten und gemeinsam das Fundament für eine gerechte und friedliche Zukunft zu legen. Das schulden wir nicht zuletzt denen, die einst für jenen Frieden kämpften, den wir genossen haben.
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