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Solingen erschüttert Muslime: „Es liegt an uns allen, das Bild eines friedlichen Islams sichtbarer zu machen“

Die überwältigende Mehrheit der Muslime ist friedfertig. Wahnvorstellungen von Islamisten dürfen nicht bestimmen, was als muslimisch gilt. Ein Gastbeitrag.

von Asif Malik und Wahaj bin Sajid

*Dieser Artikel wurde ursprünglich für die Berliner-Zeitung verfasst. Mit ihrer freundlichen Genehmigung wird er hier für die Leserinnen und Leser der Revue der Religionen nochmals veröffentlicht. Die darin ausgedrückten Meinungen entsprechen nicht notwendigerweise jenen der Redaktion.

Mikewildadventure/pixabay

Am vergangenen Freitag ereignete sich in Solingen ein erschütternder Vorfall. Ein Attentäter, der den Ruf „Allahu Akbar“ ausstieß, griff brutal unschuldige Menschen an. Diese Worte, die im Islam traditionell dazu dienen, Gott zu preisen, wurden hier auf schreckliche Weise missbraucht.

Zur gleichen Zeit, etwa 110 Kilometer südlich, ertönte derselbe Ruf auf dem stillgelegten Flugplatz Mendig in der Eifel – jedoch in einem völlig anderen Kontext. Zehntausende Menschen hatten sich dort zur Jalsa Salana, der Jahresversammlung eines der größten Islamverbände in Deutschland, der Ahmadiyya Muslim Jamaat, versammelt.

In stiller Andacht senkten über 42.000 deutsche Muslime ihre Stirn zur Erde und baten ihren Schöpfer um Frieden, Harmonie und Zusammenhalt – fest überzeugt davon, dass ein Muslim sowohl seinem Schöpfer als auch der Schöpfung dienen muss.

Der Glaube als Quelle der Inspiration

Wie kann es sein, dass derselbe Glaube den einen zu blinder Gewalt treibt, während er andere dazu inspiriert, sich für das Wohl der Gesellschaft einzusetzen. Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Der Gegensatz zwischen dem Motto der Jalsa – „Liebe für Alle, Hass für Keinen“ – und den abgründigen Wahnvorstellungen islamistischer Terroristen könnte kaum größer sein. Für viele gläubige Muslime ist es unbegreiflich, wie ihre Religion, die sie als eine Quelle von Frieden und Barmherzigkeit verstehen, so pervertiert und missverstanden werden kann.

Die friedliche Mehrheit der Muslime

Für die überwältigende Mehrheit der Muslime ist ihr Glaube eine Quelle des Friedens, der moralischen Stärke und des sozialen Engagements. Sie schöpfen täglich Kraft und Inspiration aus den Lehren des Islam, um ein Leben in Übereinstimmung mit hohen ethischen Werten zu führen – als verlässliche Arbeitnehmer, gute Nachbarn, liebevolle Eltern und engagierte Mitglieder der Gesellschaft.

Diese Glaubenskraft befähigt sie, die Herausforderungen des Lebens zu meistern und so zu wertvollen, aktiven Bürgern ihres Landes zu werden. Gerechtigkeit, Mitgefühl und soziale Verantwortung sind tief in der islamischen Lehre verwurzelt und prägen das tägliche Handeln vieler Muslime in Deutschland.

Ein spiritueller „Booster“ für den Alltag

Die Teilnehmenden der Jalsa Salana haben in diesen drei Tagen nicht nur spirituelle Erneuerung erfahren, sondern auch ihre innere Stärke und ihren Glauben vertieft. Diese jährliche Veranstaltung ist für viele Muslime eine unverzichtbare Gelegenheit, ihren Glauben neu zu entdecken, tieferes Verständnis zu gewinnen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

Der tragische Vorfall in Solingen hat sie zutiefst bewegt, doch ihre von Glauben getragene Motivation, für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu kämpfen, bleibt unerschütterlich. Sie sind, wie die überwältigende Mehrheit der Muslime in Deutschland, überzeugte Demokraten und friedliche, engagierte Bürger dieses Landes. Ihr Ziel bleibt es, weiterhin Seite an Seite mit allen Mitbürgern an einer positiven und gemeinsamen Zukunft zu arbeiten.

Das Ahrtal als Beispiel gelebter Solidarität

Zwischen Solingen und der Eifel liegt übrigens das Ahrtal, ein Ort, der vor drei Jahren durch eine Flutkatastrophe schwer getroffen wurde. In den Wochen nach der Katastrophe halfen Hunderte Muslime, inspiriert von ihrer religiösen Verpflichtung, unermüdlich beim Wiederaufbau. Diese selbstlose Hilfe zeigt, wie tief Nächstenliebe und Solidarität im Islam verankert sind und wie Muslime ihren Glauben durch praktisches Handeln zum Ausdruck bringen.

Solange jedoch der deutsche Bundesbürger beim Begriff „Muslim“ eher an einen Terroristen denkt als an die helfenden Hände im Ahrtal, bleibt der intellektuelle Kampf um die Deutungshoheit religiöser Inhalte und den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine dringende Aufgabe. Es liegt an uns allen, diese Vorurteile zu hinterfragen und den Dialog zu suchen, um das Bild eines friedlichen und integrativen Islams sichtbarer zu machen.

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Zu den Autoren:

Wahaj bin Sajid, 42 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Frankfurt am Main, Volljurist mit dem Schwerpunkt Öffentliches Recht und berufliche Stationen in der öffentlichen Verwaltung, der Arbeitsmarktforschung und Beratung. Aktuell ist er in einer Leitungsposition bei einem Bildungsträger tätig. Zudem engagiert er sich ehrenamtlich in der Ahmadiyya Muslim Jamaat und ist u.a. für Themen rund um die Deutsche Islamkonferenz zuständig.

Asif Malik, 45 Jahre alt, ist in Berlin aufgewachsen und lebt inzwischen in Hamburg. Er ist Diplom-Betriebswirt, hat einen MBA-Abschluss und arbeitet derzeit in einer Führungsposition in der freien Wirtschaft. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich Asif Malik ehrenamtlich in der Öffentlichkeitsarbeit der Ahmadiyya Muslim Jamaat.

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