Ramadan

Fasten im Ramadan: Ist der Wassermangel immer ungesund?

Seit Jahren ist das Credo ›Trink ausreichend Wasser!‹ omnipräsent. Den ganzen Tag über nichts zu trinken - ist das nicht ungesund?

von Yunus Mairhofer, Redaktion

Viele gesundheitsbewusste Menschen haben Bedenken gegenüber dem Fasten im Ramadan, insbesondere wegen des Verzichts auf Wasser. Seit Jahren ist das Credo „Trink ausreichend Wasser!“ omnipräsent, und es erscheint paradox, den ganzen Tag über nichts zu trinken. Ist das nicht ungesund? Schadet das nicht dem Körper? Diese Fragen stellen sich viele Nicht-Muslime – und sogar einige Muslime selbst.

Wie reagiert der Körper auf den Wasserentzug?

In einem unserer Podcasts, Revue im Gespräch, teilt der Arzt Tariq Mahmood Qazi dazu eine bemerkenswerte Erfahrung:

»Ich hatte einen ärztlichen Kollegen während meiner Assistenzarztzeit, der mir das Fasten immer vorgeworfen hat. Er sagte: ‘Das kann nicht gesund sein! Du stehst morgens auf, du trinkst nicht – deine Blutwerte werden eine absolute Katastrophe sein! Deine Niere ist wahrscheinlich komplett am Durchdrehen. Das kann nicht gesund sein!’ Er war fest davon überzeugt. Irgendwann, so um den 20. Tag des Ramadan, beschloss ich während einer Diskussion: ‘Wir machen jetzt eine Blutentnahme!’ Damals hatten wir im Krankenhaus die Möglichkeit, einfach eine arterielle Blutgasanalyse und eine umfassende Blutuntersuchung durchzuführen. Also hat er mir Blut abgenommen und war sich sicher, dass meine Werte absolut katastrophal sein würden. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Glücklicherweise hatte ich ein halbes Jahr zuvor schon einmal Blut abgegeben, und meine Werte waren damals schlechter als während des Ramadan! Ich hatte im Fastenmonat deutlich bessere Werte als zuvor. Das hat ihn tatsächlich mundtot gemacht. Er sagte nur noch: ‘Ich kann dazu jetzt gar nichts mehr sagen. Du hast mir den Beweis schwarz auf weiß geliefert.«

Der menschliche Körper ist tatsächlich immens anpassungsfähig. Studien zeigen, dass kurzfristiges Fasten, selbst mit eingeschränkter Wasseraufnahme, wider Erwarten keine negativen Auswirkungen auf gesunde Menschen hat. Während des Fastens sinkt die Harnproduktion, und der Körper reduziert den Wasserverlust über Schweiß und Atem. Zudem nutzt er gespeicherte Flüssigkeit aus Nahrungsmitteln und Zellprozessen. Diese physiologischen Anpassungen verhindern bei gesunden Menschen eine gefährliche Dehydrierung.

Islamisches Fasten vs. Dehydrierung

Dehydrierung ist ein Zustand, bei dem der Körper mehr Wasser verliert, als er aufnehmen kann. Dies kann zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsproblemen führen. Im Ramadan trinken Muslime jedoch in den erlaubten Zeiten zwischen Sonnenuntergang und Morgendämmerung gezielt Wasser und feuchtigkeitsspendende Lebensmittel, um den Körper ausreichend zu versorgen. Der Unterschied zwischen kontrolliertem Fasten und tatsächlicher Dehydrierung liegt in der Vorbereitung und bewussten Flüssigkeitsaufnahme.

Gesundheitliche Vorteile des Fastens

Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass Intervallfasten – eine Praxis, die dem islamischen Fasten ähnelt – zahlreiche gesundheitliche Vorteile haben kann. Es fördert die Zellreparatur, reguliert den Blutzuckerspiegel und kann entzündungshemmend wirken. Zudem stärkt es die mentale Disziplin und das Bewusstsein für den eigenen Körper. Viele Menschen berichten von erhöhter geistiger Klarheit und gesteigerter Selbstkontrolle.

Praktische Tipps für eine gesunde Flüssigkeitszufuhr

Damit das Fasten gesund bleibt, ist eine bewusste Flüssigkeitsaufnahme entscheidend. Zwischen Iftar (Fastenbrechen) und Sahur (Morgenmahlzeit) sollte man genügend Wasser trinken, idealerweise in kleinen Portionen über mehrere Stunden verteilt. Wasserreiche Lebensmittel wie Wassermelonen, Gurken und Orangen helfen, den Wasserhaushalt zu stabilisieren. Kaffee und stark gezuckerter Tee sollten eher vermieden werden, da sie harntreibend wirken und den Wasserverlust erhöhen können. Auch der Ausgleich von Elektrolyten spielt eine wichtige Rolle. Reichhaltige Lebensmittel wie Datteln und Suppen liefern wertvolle Mineralstoffe wie Kalium und Natrium, die den Körper während des Fastens unterstützen.

Ramadan-Fasten ist kein gesundheitliches Risiko – mit Ausnahmen

Das Fasten im Ramadan ist also kein unbedachter Verzicht, sondern eine gezielte Praxis mit jahrhundertealter Erfahrung. Gesunde Erwachsene können ihren Wasserhaushalt in der erlaubten Zeitperiode auffüllen und profitieren so von den positiven Effekten des Fastens. Die Angst vor gesundheitsschädlichem Wassermangel ist unbegründet, solange man bewusst und ausgewogen mit der Flüssigkeitszufuhr umgeht. Der Prophet Muhammad (saw) wies darauf mit den Worten hin: »Nehmt das Sahūr (die vor dem Fasten eingenommene Mahlzeit) zu euch, denn im Sahūr liegt Segen.«1
In der islamischen Lehre wird weiters streng betont, dass Kranke, Schwangere, Stillende und Kinder vom Fasten befreit sind, da sie naturgemäß weniger belastbar sind und daher von der Pflicht zum Fasten ausgenommen.2 So wird sichergestellt, dass das Fasten nicht zu gesundheitlichen Gefahren führt.

Was im Islam zwar betont, von vielen Muslimen aber leider oft vergessen wird, ist, auf eine maßvolle Ernährung zu achten. Häufig kommt es heutzutage vor, dass während dem Iftar (Fastenbrechen) die Versuchung groß ist, sich übermäßig mit schweren, fettigen Speisen vollzustopfen, was Körper und Geist eher belastet als stärkt. Dies kann neben Verdauungsproblemen, trotz Müdigkeit zu schlechtem Schlaf und sogar eine Gewichtszunahme führen und führt die Bemühungen des Fastens eigentlich ad absurdum. Stattdessen sollte man auf eine ausgewogene Mahlzeit setzen, die sowohl nährstoffreich als auch leicht verdaulich ist, um den Körper nach einem langen Tag des Fastens optimal zu unterstützen.

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Quellen:
1 Sahih al-Bukhari, Hadith-Nr. 1923; Sahih Muslim, Hadith-Nr. 1095
2 vgl. Hl. Qur’an 2:185–186

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