Gesellschaft

Glaubenspflicht: Der Taxifahrer, der nach seinen islamischen Werten handelte

»Ich bin kein Held. Ich bin ein Muslim.«

Von Tanzeela Khalid

Als am 5. März 2025 ein Mann in Mannheim mit seinem Fahrzeug zur tödlichen Gefahr wurde, griff ein Taxifahrer ein und stoppte ihn. Doch anstatt sich als Held feiern zu lassen, entgegnete A. Muhammad schlicht: »Ich bin kein Held. Ich bin ein Muslim.« Ein Satz, der mehr ist als Bescheidenheit – er ist ein Bekenntnis zu einer tief verwurzelten moralischen Verpflichtung.

Der Oberbürgermeister der Stadt Mannheim mit A. Muhammad

Islam als gelebte Verantwortung

Was treibt jemanden dazu, ohne Zögern sein eigenes Leben zu riskieren, um andere zu schützen? Es ist die Überzeugung, dass der Schutz von Mitmenschen eine Pflicht ist. Muhammad sieht seine Verantwortung nicht als außergewöhnliche Tat, sondern als natürliche Konsequenz seines Glaubens.

»Derjenige ist ein Muslim, vor dessen Hand und Zunge die Leute geschützt sind.« (Der Heilige Prophet Muhammad (saw))1

»Die zweite Beziehungsebene eines Menschen ist die zu seiner eigenen Person und zur Menschheit allgemein. Daher ist erst jene Person ein Muslim, die sich vor Versuchungen und Boshaftigkeiten hütet, sich vor Veruntreuungen, Betrug und Ungerechtigkeiten schützt, von Lügen, Täuschungen, Verrat, Groll und Feindseligkeit ablässt. Denn sie hat ihr eigenes Leben und ihr eigenes Selbst in Frieden und Sicherheit gebracht. Ebenso ist jene Person, die ihrer Nation Nutzen bringt, ein Muslim. Jemand, der seinen Nachbarn und Verwandten Sicherheit gewährt und keine Unruhe und kein Blutvergießen für sie verursacht, ist ebenfalls ein Muslim.«[2]

Diese Worte sind keine abstrakte Ethik, sondern ein Prinzip, das den Alltag eines Muslims leiten sollte. Der Glaube ist nicht nur Privatsache, sondern ein moralischer Kompass, der das eigene Handeln bestimmt.

Verzerrte Wahrnehmung

Doch genau hier liegt das Problem: In westlichen Gesellschaften wird Islam oft anders wahrgenommen. Begriffe wie »Muslim« oder »Islam« lösen in vielen Köpfen negative Assoziationen aus. So auch nach dem Attentat in Mannheim: Noch bevor Fakten bekannt waren, kursierten Spekulationen – der Täter sei ein Muslim, ein Islamist, ein Ausländer mit dunkler Haut. Später stellte sich heraus, dass der Täter deutscher Herkunft war. Dennoch bleibt der erste Eindruck bestehen, genährt durch mediale Muster, die negative Bilder verstärken. Der Grund liegt nicht selten in einem einseitigen Narrativ, das bestimmte Schlagzeilen bedient. Einzelne Taten von Menschen werden auf eine ganze Religion projiziert. 

Jedoch ist es wichtig zu verstehen, dass die oben angeführte Definition des Muslim-Seins die zentrale und authentische Bedeutung des Begriffs im islamischen Kontext widerspiegelt. Ein Muslim wird nicht nur durch seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur oder Region definiert, sondern im wahren Sinne durch seinen Glauben und seine Handlungen, die im Einklang mit den Grundsätzen des Islam stehen. Alles, was nicht mit dieser Definition übereinstimmt, wird aus der islamischen Perspektive als nicht-muslimisch betrachtet. In diesem Kontext wird der Begriff »Muslim« nur für jene verwendet, die die religiösen Verpflichtungen und Prinzipien des Islam ernsthaft und aufrichtig befolgen. Alles andere, was nicht mit dieser Definition übereinstimmt, fällt ausnahmslos aus dem Rahmen und kann nicht als »muslimisch« bezeichnet werden.

Kultur und Religion: Eine notwendige Differenzierung

Viele Menschen neigen dazu, den Islam mit bestimmten kulturellen Praktiken zu vermischen. Verhaltensweisen einzelner Gruppen oder Regionen werden als religiöse Normen missverstanden. Dabei sind viele soziale Strukturen eher kulturell als religiös geprägt. Dies zeigt sich nicht nur im Westen, sondern auch in sogenannten islamischen Ländern, wo gesellschaftliche Entwicklungen oft wenig mit den eigentlichen Lehren des Islam zu tun haben.

Verantwortung der Gesellschaft

Es ist an der Zeit, differenzierter hinzusehen. Muslimische Werte sind universelle Werte: Gerechtigkeit, Mitgefühl, Verantwortung. Das Verhalten eines Einzelnen – ob gut oder schlecht – sollte nie als Synonym für eine ganze Glaubensgemeinschaft dienen.

»Wahre Integration bedeutet, dass wir in Liebe und in Harmonie miteinander leben. Jeder, ganz gleich ob Mann oder Frau, sollte sich für das Wohl seines eigenen Landes und seiner Stadt einsetzen.«[3]

Integration bedeutet nicht, seine Identität aufzugeben, sondern sie in die Gesellschaft einzubringen. A. Muhammads Handeln zeigt, was das in der Praxis bedeutet: Pflichtbewusstsein aus Überzeugung, nicht für Applaus, sondern weil es richtig ist.

Einen Videobeitrag zu diesem Ereignis finden Sie hier:

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Fußnoten:

[1] Musnad Ahmad bin Hanbal, Musnad Muadh bin Anas, Band 5, S. 337, Hadith 15729, veröffentlicht Beirut 1998)

[2] Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud Ahmad, Tafsir-e-Kabir, Band 6, Seite 109, Ausgabe 2004

[3] Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA. Weltweites Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat.



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