von Aroosa Mahmood, Shahzad Ahmad & Dr. Amtul Razzaq Carmichael
Veganismus und Vegetarismus erfreuen sich in der modernen Gesellschaft zunehmender Beliebtheit, und ihr Anteil an der Weltbevölkerung ist 2018 auf 8 % gestiegen. Im Jahr 2018 sind im Vereinigten Königreich 4,2 % der Menschen auf pflanzliche Ernährung umgestiegen und es wird prognostiziert, dass bis 2025 25 % der britischen Bevölkerung Veganer oder Vegetarier sein werden.1 Dieser Wandel ist auf das gestiegene Bewusstsein und die stetig wachsende Verfügbarkeit von Alternativen zu Fleisch in den westlichen Industrieländern zurückzuführen. In einigen Ländern wie Nigeria ist der Veganismus auf dem Vormarsch, jedoch nicht aus freien Stücken. Der Mangel an Lebensmitteln und die fehlende Erschwinglichkeit haben es für einige Menschen fast unmöglich gemacht, Fleisch und Milchprodukte zu essen.2 Die Übernahme der veganen und vegetarischen Ernährung durch Spitzensportler und professionelle Trainer hat indes zu einer starken Medienpräsenz geführt. Dokumentarfilme wie “The Game Changers” (2018) haben die gesundheitlichen Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung aufgezeigt. Derzeit wird die Vernünftigkeit des Fleischkonsums aufgrund moralischer und ethischer Überlegungen in Frage gestellt. Zu den Kontroversen um den Fleischkonsum gehören die Ethik des Tötens von Tieren für den menschlichen Verzehr, der zusätzliche Nährwert von Lebensmitteln aus tierischen Quellen, die mit dem Verzehr von Fleisch verbundenen Gesundheitsrisiken und die praktischen Auswirkungen einer völlig fleischlosen Ernährung. In diesem Artikel werden wir die Rolle von Fleisch in einer gesunden und ausgewogenen Ernährung aus islamischer Sicht untersuchen.
Islamische Philosophie des Lebensmittelkonsums
Muslime glauben, dass alles in diesem Universum von Gott, dem Allmächtigen, geschaffen wurde. Die Menschen sind mit dem Ziel auf diese Welt gekommen, sich zu bemühen und das Beste aus ihnen zu machen. Um die beste Version von uns selbst zu werden, müssen wir unsere körperlichen, geistigen, intellektuellen, moralischen und sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten verfeinern. Um uns zu helfen, diese Fähigkeiten zu maximieren, hat Gott uns mit verschiedenen Ressourcen ausgestattet. Eine dieser Ressourcen ist unser physischer Körper, der benötigt wird, um die Handlungen der Rechtschaffenheit und der guten Taten für unseren geistigen und moralischen Fortschritt auszuführen. Um diese kostbare Ressource (den menschlichen Körper) zu pflegen und zu verbessern, bietet der Islam ein umfassendes Leitsystem. Die Nahrung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Überleben und die Gesundheit des menschlichen Körpers. Das islamische Leitsystem ermutigt die Menschen, Nahrungsmittel zu konsumieren, die ihrer Entwicklung förderlich sind, und verbietet ihnen den Verzehr von Nahrungsmitteln, die ihrer körperlichen, moralischen und geistigen Gesundheit schaden können.
Die wichtigste islamische Philosophie, die alle menschlichen Aktivitäten umfasst, ist “den mittleren Weg zu beschreiten”. Im Heiligen Qur’an heißt es:
“Und so machten Wir euch zu einer gemäßigten Gemeinschaft…” (2:144)
Damit wird den Muslimen geraten, Extreme jeglicher Art zu vermeiden und einen moderaten Weg einzuschlagen. Für den Verzehr von Lebensmitteln basieren die islamischen Lehren auf demselben Prinzip, d. h. bei der Auswahl von Lebensmitteln sind alle Extreme zu vermeiden, der Mittelweg einzuschlagen und beim Verzehr aller pflanzlichen und nichtpflanzlichen Lebensmittel Mäßigung zu üben.
Der Heilige Qur’an sagt zudem: “Esset und trinket, doch überschreitet das Maß nicht.” (7:32) Von einem Übermaß an einer bestimmten Art von Nahrung wird abgeraten. Den Muslimen wird geboten, ihre Nahrungsaufnahme aus tierischen und pflanzlichen Quellen je nach ihren körperlichen Bedürfnissen, ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt und ihrer persönlichen Entscheidung auszugleichen; Gott verbietet uns nicht die Nutzung jeglicher wertvollen Ressource.3
Gott, der Allmächtige, sagt:
“O ihr Gesandten, esset von den reinen Dingen und tut Gutes…” (23:52)
Es gibt eine tiefe Verbindung zwischen reiner und gesunder Nahrung und der moralischen Verfassung eines Menschen. Ein allseits bekanntes Sprichwort heißt: “Du bist, was du isst”. Der islamische Standpunkt ist, dass der Verzehr reiner und gesunder Nahrung zu einer verbesserten körperlichen und geistigen Gesundheit führt, die erforderlich ist, um gute und rechtschaffene Taten zu vollbringen, und die wiederum zu spirituellem Fortschritt führt. Dem islamischen Grundprinzip zufolge hat unser moralisches Dasein Vorrang vor dem körperlichen, was bedeutet, dass das Ziel der körperlichen Entwicklung der moralische Fortschritt ist. Für einen Gläubigen dient also eine alltägliche Handlung des Lebens – so einfach wie das Essen – als Erinnerung daran, über den Sinn des Lebens und die Existenz Gottes nachzudenken und geistige Fortschritte zu machen. Der Kern des islamischen Konzepts für den Verzehr von Lebensmitteln besteht also darin, dass Lebensmittel einen starken Einfluss auf die Moral des Menschen ausüben und daher aus zulässigen Quellen stammen und in ihrer Herkunft, Zubereitung und ihrem Verzehr gesund sein sollten.
Warum ist es Muslimen erlaubt, Fleisch zu essen?
Die islamische Philosophie des Fleischverzehrs sollte im Zusammenhang mit dem Konzept des göttlichen Attributs Al Razzaq [des letztendlichen Versorgers] betrachtet werden:
“Wahrlich, Allah allein ist der letztendliche Versorger, der Allmächtige, der Starke.” (51:59)
Allah, der Allmächtige, ist der letztendliche Versorger und Er hat alles erschaffen, wie zum Beispiel zahllose Himmelskörper, die Vegetation, die Naturgewalten und auch die Tiere und sie dem Menschen nützlich gemacht. Daher wird das Fleisch der Tiere als eine Gunst und ein Segen angesehen, welches Gott für die Ernährung der Menschen bereitgestellt hat:
“Allah ist es, der für euch die Tiere gemacht hat, dass ihr auf den einen reiten und von den anderen essen möchtet” (40:80).
Der Islam befürwortet somit den Verzehr von Fleisch zusammen mit anderen nichttierischen Lebensmitteln als Teil einer ausgewogenen und gesunden Ernährung. Um verschiedene Fähigkeiten zu entwickeln, werden verschiedene Formen von Lebensmitteln wie Gemüse, Mineralstoffe und Fleisch benötigt:
“Esset von den guten Dingen, die Wir euch gegeben haben.” (2:173)
Dieser Vers veranschaulicht auf eloquente Weise die Tatsache, dass Allah sowohl pflanzliche als auch nicht-pflanzliche Nahrungsmittel zum Nutzen der Menschen geschaffen hat.
Um genauer zu verstehen, warum es Muslimen erlaubt ist, Fleisch zu essen, ist es wichtig, einige grundlegende islamische Prinzipien zu kennen. Der Mensch wird als die beste von Allahs Schöpfungen angesehen, wie der Heilige Qur’an sagt:
“Wahrlich, Wir haben den Menschen in schönstem Ebenmaß erschaffen.” (95:5)
Aus vernünftigem Grund kann eine niedere Lebensform für den Erhalt und zum Nutzen des höheren Lebens geopfert werden. Dieses Konzept steht im Einklang mit den Lehren, die im Heiligen Qur’an verkündet werden. So wird z. B. in Sure 37, Vers 103-105 des Heiligen Qur’an die bevorstehende Opferung von Ismael (as), dem Sohn des Erzpropheten Abraham (as), ausführlich erläutert. Darin wird das Prinzip formuliert, dass das Leben eines Menschen verschont und durch das Opfern des Leben eines Tieres erhalten werden sollte.
Ist der Verzehr von Fleisch Tierquälerei?
Es wird argumentiert, dass das Töten eines Tieres zu Nahrungszwecken der Tierquälerei gleichkommt. Der Islam unterstützt diese Ansicht jedoch nicht. Das Fleisch eines Tieres wird, wie gesagt, als Segen Gottes für den Lebenserhalt der Menschheit betrachtet, das ihr kollektives Überleben und folglich ihre moralische Entwicklung gewährleistet. Die Verwendung von Fleisch zur Erhaltung des menschlichen Lebens und der Gesundheit unterscheidet sich im Prinzip nicht von der Anwendung von Antiseptika zur Abtötung von Mikroorganismen und zur Verhinderung von Wundinfektionen. Es wäre töricht, kein Antiseptikum zu verwenden, um Ungeziefer abzutöten, denn die Alternative wäre, an einer überwältigenden Sepsis zu sterben. In gleicher Weise ist die Verwendung einer Vielzahl von Lebensmitteln, einschließlich Fleisch, zum Überleben und zur Erhaltung des menschlichen Lebens ein gerechtfertigter Weg, Gottes Segnungen zu nutzen, und kann nicht als Grausamkeit angesehen werden.
Alle abrahamitischen Religionen betrachten das Schlachten eines Tieres nicht als Mord, sondern als einen Akt des Opfers, um das Überleben und die Vitalität der Menschen insgesamt zu sichern. Da Gott allgütig ist, würde er Seinem Volk niemals befehlen, zu morden, und dies wird auch in den Lehren des Qur’an zum Ausdruck gebracht:
“Und tötet euch nicht gegenseitig. Siehe, Allah ist barmherzig gegen euch.” (4:30)
Der Islam lehnt jede Form des Blutvergießens, die ethisch und rechtlich nicht zu rechtfertigen ist, entschieden ab. Muslimen ist es nicht erlaubt, Tiere zu Spaß- oder Sportzwecken zu töten. Muslime dürfen Tiere nur zu einem vertretbaren Zweck töten, z. B. zum Verzehr, zum Selbstschutz oder zum Schutz von Land und Ernte. Der Heilige Prophet (saw) sagte: “Die ersten Angelegenheiten, die am Tag des Gerichts unter den Menschen entschieden werden, werden jene des Blutvergießens sein.”4 Der Heilige Prophet (saw) sagte auch: “Wer auch immer einen Spatz oder etwas Größeres ohne triftigen Grund tötet, den wird Gott am Tag der Auferstehung zur Rechenschaft ziehen.”5
Während das Töten von Tieren ohne Rechtfertigung nicht erlaubt ist, wird es als notwendig erachtet, Tiere für das Überleben und das Wohl der Menschheit zu opfern. Betrachten wir die Tatsache, dass Trinkwasser Millionen von Mikroorganismen enthält. Jeder von uns trinkt mehrmals am Tag Wasser, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, diese Lebewesen zu töten. Hazrat Mirza Bashir Ahmad (ra), ein großer Gelehrter der Ahmadiyya Muslim Gemeinschaft, erwähnte, dass der Akt des Wassertrinkens dazu führt, dass eine minderwertige Lebensform für die Rehydrierung und das allemeine Überleben der Menschheit geopfert wird.6 Wenn wir Wasser trinken, opfern wir das Leben von Millionen von Mikroorganismen für unser Überleben. Der Verzehr von Fleisch, das von Rindern, Wassertieren oder Vögeln stammt, um die menschliche Gesundheit zu erhalten, folgt demselben Prinzip. Das Leben und die Gesundheit des Menschen aufs Spiel zu setzen, um das Leben eines Tieres zu retten, ist keine Barmherzigkeit, sondern Leichtsinn.
Bietet der Islam ethische Richtlinien für den Verzehr von Fleisch?
Es gibt zwei wichtige ethische Grundsätze für den Verzehr von Fleisch. Diese sind, in Maßen zu essen und nur Fleisch aus erlaubten und gesunden Quellen (arab. Tayyab) zu verzehren.
Der Grundsatz der Mäßigung ist für alle Aspekte der muslimischen Lebensweise bestimmend. Den Muslimen wird geboten, dass es unmoralisch ist, das Recht auf Fleischverzehr zu missbrauchen, indem sie gierig und übermäßig verschwenderisch sind. Der Heilige Qur’an schreibt vor:
“Esset und trinket, doch überschreitet das Maß nicht.” (7:32)
Muslimen ist es erlaubt, Fleisch in ihre Ernährung einzubeziehen, aber das übergeordnete Prinzip bleibt das der Mäßigung. Jeder Fleischkonsum sollte maßvoll sein und auf Demut und Dankbarkeit beruhen. Um ihre Dankbarkeit auszudrücken, werden die Muslime aufgefordert, ein Drittel des Tieres als Spende abzugeben, wenn ein Lamm, ein Schaf oder eine Kuh für ein Fest geopfert wird. Auf diese Weise fördert der Islam die Mäßigung und rät dringend von übermäßigem Konsum ab. Übermäßiger Fleischkonsum ist die Hauptursache für die unethischen Praktiken der Massentierhaltung, die durch die Nachfrage nach billigem verarbeiteten Fleisch in großen Mengen angetrieben werden. Ebenso widerspricht der völlige Verzicht auf tierische Produkte nicht nur, dem Geist der qur’anischen Lehren, sondern auch dem Geist der Mäßigung. Der völlige Verzicht auf Fleisch macht die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln unumgänglich, was einem Verzicht auf eine höherwertige Form der göttlichen Segnung zugunsten einer minderwertigeren Wahl gleichkommt.7
Der andere wichtige moralische Grundsatz des Fleischkonsums im Islam ist der von Tayyab, was übersetzt so viel bedeutet wie rein und gesund. Das Opfern von Tieren zum Zweck der Ernährung erinnert die Muslime daran, Allah, dem Erhabenen, für alle Segnungen dankbar zu sein. Der Islam erlaubt nur das Fleisch von bestimmten Landtieren, allen Meerestieren und vielen Vögeln. Die Muslime sind angehalten, von ihrem Recht des individuellen Ermessens Gebrauch zu machen und mit Bedacht zu entscheiden, ob sie selbst erlaubte Lebensmittel verzehren wollen oder nicht. Dabei gilt der islamische Grundsatz, dass das gemeinschaftliche Wohl Vorrang vor individuellen Privilegien hat. Demnach darf die Fleischproduktion für den individuellen Verzehr nicht der Allgemeinheit, den nationalen Interessen oder der Umwelt schaden. So sind beispielsweise Pferde und Esel technisch gesehen Halal-Fleisch, aber der Heilige Prophet (saw) verbot, sie zu essen. Der Grund dafür ist, dass diese Tiere als wichtige Transport- und Reisemittel sowie zur Kriegsführung dienten. Der Verzehr dieser Tiere hätte daher dazu geführt, dass der Nation eine wichtige Ressource zur Erfüllung dieser Bedürfnisse gefehlt hätte. Dies ist ein großartiges Beispiel dafür, dass man sein Urteilsvermögen und seine Entscheidungsfreiheit nutzen kann, um vernünftige und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen in Bezug auf Lebensmittel und Fleischkonsum zu treffen.
Bestimmte Vögel wie Spatzen und Papageien beispielsweise werden eher wegen ihrer Schönheit bewundert und sind für den Fleischverzehr zwar zulässig, aber nicht empfehlenswert.
Zum Konzept des Tayyab gehört auch, dass das Fleisch aus einer umweltfreundlichen Tierhaltung stammt und die Tiere von der Geburt bis zum Zeitpunkt der Opferung mit Mitgefühl behandelt werden. Intensiv-landwirtschaftliche Praktiken, Massentierhaltung und tierschutzwidrige Prozesse stehen im Widerspruch zum Tayyab-Prinzip.
Ein weiterer Aspekt des Prinzips von Tayyab-Fleisch ist das Meiden des Verzehrs von Fleisch, das zu sozialen Unruhen oder Kontroversen führt. Der Heilige Prophet (saw) sagte: “Speisen, die gegen die Traditionen der arabischen Gesellschaft verstoßen, gelten als ungeeignet.” Der Verheißene Messias (as), Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad von Qadian, erläuterte dieses Konzept ausführlicher: “Wenn man, um einen höheren Zweck zu erreichen, auf ein Recht verzichtet, verstößt das nicht gegen den Geist des göttlichen Gesetzes. Und sicherlich wird diese Handlung in unserer Religion als eine von denen gezählt, die einen Allah näher bringen.” Um die interreligiösen Beziehungen zu fördern, bot der Verheißene Messias (as) an, dass die Muslime auf den Verzehr von Rindfleisch verzichten sollten, wenn die Hindus diesen guten Willen erwidern würden. Er sagte: “Wir sind nicht verpflichtet, eine Sache, die wir als halal (erlaubt) ansehen, auch unbedingt zu nutzen.”8
Dieses Angebot erfolgte aus Respekt vor den Gefühlen und Empfindungen der Hindus, für die Kühe heilig sind.
Ein weiterer Aspekt des Tayyab besteht darin, Fleisch in Mengen zu essen, die der Gesundheit förderlich sind und keine nachteiligen Auswirkungen haben. Der Heilige Prophet (saw) riet, obwohl Rindfleisch erlaubt ist, es nur in kleinen Mengen zu genießen: “Verzehrt die Milch von Kühen und die geklärte Butter von Kühen und meidet ihr Fleisch. Die Milch und die geklärte Butter von Kühen sind eine Quelle der medizinischen Behandlung und Heilung, während ihr Fleisch eine Quelle der Krankheit ist.”9 Wissenschaftliche Studien belegen, dass der übermäßige Konsum und die skrupellose Überproduktion von Rindfleisch zahlreiche schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben.
Wie schützt der Islam das Tierwohl?
Im Islam gibt es Gebote für den allgemeinen Tierschutz und sehr humane, spezifische Richtlinien für das Opfern von Tieren zum Verzehr. Den Muslimen wird geboten, Tiere mit Güte und Mitgefühl zu behandeln, wenn sie von Gott Mitgefühl und Güte erfahren wollen. Der Islam befürwortet kein unnötiges Leiden und ermutigt die Menschen hingegen dazu, den Tieren auf der Erde Liebe entgegenzubringen: “Es gibt eine Belohnung, wenn man irgendeinem Lebewesen hilft.”10 Die Art und Weise, wie Menschen Tiere behandeln, kann als ein Spiegelbild ihrer selbst gesehen werden, was durch das Hadith [Überlieferung] veranschaulicht wird: “Alle Geschöpfe sind [wie] eine Familie Gottes; und Er liebt jene am meisten, die am nettesten zu Seiner Familie sind.”11
In einem anderen Hadith heißt es, dass eine Frau zur Hölle verdammt wurde, weil sie eine Katze einsperrte, ihr kein Futter gab und sie auch nicht herausließ, damit die Katze nach Futter jagen konnte. Schließlich starb die Katze an Hunger und Durst. Dies wurde als eine große Sünde angesehen.
Wir alle werden dafür zur Rechenschaft gezogen werden, wie wir Tiere behandeln. Der Heilige Prophet (saw) sagte: “Fürchtet Gott bei eurer Behandlung von Tieren.” Dies verbietet eindeutig Formen der Massentierhaltung und die unartgerechte Behandlung von Tieren zum Zweck der Fleischproduktion.
Diese Lehre des Mitgefühls gilt auch für das Tieropfer. Die islamischen Lehren zum Schlachten von Tieren basieren auf Barmherzigkeit und Tierschutz. Muslime dürfen nur Fleisch essen, das durch eine humane und schmerzarme Tötung eines Tieres gewonnen wurde. So schreibt das islamische Gesetz beispielsweise vor, dass das Tier durch einen Schnitt in die Halsvene getötet werden muss. Bei dieser Technik wird auch die Verbindung zum zentralen Nervensystem mit einem einzigen scharfen Schnitt in den Hals unterbrochen, wodurch alle Schmerzempfindungen sofort unterbunden werden.
In Fällen, wo mehrere Tiere geschlachtet werden sollen, lehrt der Islam, dass dies so geschehen muss, dass die anderen Tiere nicht Zeuge der Schlachtung werden. Die Landwirte sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sich das Tier vor der Schlachtung in keiner Weise in Not befindet; dazu gehört auch, dass die Tiere nicht unter harten, überfüllten und klaustrophobischen Bedingungen gehalten werden. “Es ist eine große Sünde für den Menschen, seine Haustiere in Käfige zu sperren.”12 In den islamischen Lehren werden daher die ethischen Bedenken hinsichtlich der Fleischproduktion deutlich angesprochen.
Fördert der Islam das menschliche Wohlergehen durch Fleischkonsum?
Ein weiterer moralischer Grundsatz beim Fleischkonsum besteht darin, das Fleisch auf eine Weise zu gewinnen und zu verwenden, die sowohl für das Wohlergehen der Tiere als auch für die menschliche Gesundheit am besten ist. Der Heilige Qur’an verbietet den Verzehr von Fleisch, das durch Tierquälerei gewonnen wurde. Allah, der Allmächtige, sagt:
“Verboten ist euch das von selbst Verendete sowie Blut und Schweinefleisch und das, worüber ein anderer Name angerufen ward als Allahs; das Erdrosselte; das zu Tode Geschlagene; das zu Tode Gestürzte oder Gestoßene und das, was reißende Tiere angefressen haben, außer dem, was ihr geschlachtet habt; und (verboten ist) das, was auf einem Altar (als Götzenopfer) geschlachtet worden ist” (5:4).
Muslime dürfen auch kein Fleisch von Tieren essen, die Reißzähne haben, und von Vögeln, die ihre Beute mit den Krallen fangen. Die moderne Wissenschaft beginnt, die gesundheitlichen Gefahren des Verzehrs von Fleisch zu verstehen, das von gewöhnlichen Raubtieren wie Hunden und Katzen stammt, eine ausführliche Erörterung dieses Themas würde den Rahmen dieses Artikels indes sprengen.
Unterstützt der Islam eine fleischlose Ernährung?
Der Mensch (und sein Vorfahre) verzehrt schon seit Millionen von Jahren Fleisch. Der menschliche Körper ist für eine ausgewogene Ernährung mit einer Kombination aus energiereichen, essenziellen Nährstoffen aus Fleisch und essenziellen Vitaminen und Mineralien aus pflanzlichen Lebensmitteln ausgelegt. Fleisch ist das ganze Jahr über auf dem Land und im Meer von Weidetieren und Vögeln erhältlich. Dies ist ein Segen Gottes, und es ist das Beste, die Segnungen Gottes in dieser Welt zu nutzen. Dieses Konzept wird in folgendem Qur’anvers erläutert: “O die ihr glaubt, erklärt nicht als unerlaubt die reinen Dinge, die Allah euch erlaubt hat, doch übertretet auch nicht die Schranken.” (5:88)
Die moderne Wissenschaft hat gezeigt, dass eine völlig fleischlose Ernährung der menschlichen Gesundheit abträglich sein kann. Pellagra ist beispielsweise eine Mangelkrankheit, die häufig mit einer übermäßigen Abhängigkeit von Mais als Grundnahrungsmittel in Verbindung gebracht wird. Zu den Symptomen gehören emotionale, kognitive und körperliche Verkümmerung sowie Hirnatrophie, niedriger IQ, Demenz und schlechtes Sozialverhalten. In der westlichen Welt können die aus einer rein pflanzlichen Ernährung resultierenden Ernährungsdefizite durch Nahrungsergänzungsmittel und eine größere Auswahl an Lebensmitteln teilweise ausgeglichen werden. In ärmeren Ländern ist dies nicht möglich. Der Heilige Qur’an lehrt, alle erlaubten, von Gott gewährten Lebensmittel zu nutzen: “Sprich: ‘Habt ihr bedacht, dass Allah euch Nahrung hinabgesandt hat, ihr aber machtet (etwas) davon unerlaubt und (anderes) erlaubt?’ Sprich: ‘Hat Allah euch (das) gestattet oder erfindet ihr Lügen wider Allah?’ (10:60)
Im Islam gibt es in dem Sinne keinen Zwang, Fleisch zu essen; es wird jedoch als Teil einer ausgewogenen, gesunden Ernährung befürwortet. Allah, der Erhabene, hat eine natürliche Quelle von Eiweiß und Nährstoffen für die menschliche Vitalität zur Verfügung gestellt, die man nutzen sollte, während man gleichzeitig bescheiden und rücksichtsvoll gegenüber den Tieren und der Umwelt bleibt.
Warum opfern Muslime zum Eid Tiere?
Eid-ul-Adha (das Opferfest) erinnert an das Opfer, das der Prophet Abraham (as) dargebracht hat. Es ist eine Zeit für Muslime, ihre Seele zu läutern, ihr Herz zu reinigen, an der Spiritualität teilzuhaben und sich zu bemühen, den Glanz und das Licht aufzunehmen, das in dieser duha [Zeit der Helligkeit]13 vorhanden ist. Der Verheißene Messias (as) sprach über das Tieropfer, das zur Zeit des Opferfestes dargebracht wird: “Und gewiss, in unserer Religion wird diese Handlung zu denen gezählt, die einen Allah, dem Gepriesenen, näher bringen… Und aus diesem Grund werden die zu opfernden Tiere Qurbani genannt [von Qurb, was Nähe bedeutet]; denn es wurde gesagt, dass all diejenigen, die es aufrichtig und hingebungsvoll und treu ausführen, mehr von Allah sehen und Ihm näher kommen.”14 Gott, der Erhabene, sagt: “Ihr Fleisch erreicht Allah nicht noch tut es ihr Blut, sondern eure Rechtschaffenheit ist es, die Ihn erreicht.” (22:38). Der Heilige Qur’an verdeutlicht also, dass das Hauptziel des Tieropfers darin besteht, in Frömmigkeit und Rechtschaffenheit voranzukommen. Der Verzehr des Fleisches des Eid-Opfers dient den Gläubigen als Erinnerung daran, dass das einzige Wesen, das den Menschen überlegen ist, der allmächtige Gott ist. Daher sollten die Menschen all ihre Bemühungen des Opfers, der Unterwerfung und Hingabe nur Gott, dem Allmächtigen, vorbehalten.Die Lehre, die die Muslime aus dem Gedenken an das Opfer des Propheten Abraham (as) ziehen, ist, dass der Glaube an Gott zu segensreichen Ergebnissen führt und sich Seiner zu unterwerfen zu einer engen Beziehung führen kann. Der Prophet Abraham (as) wurde in eine äußerst schwierige und ernste Lage gebracht, aber er erfüllte seine Pflicht, Gott zu dienen, und bewies dabei die Eigenschaften von Standhaftigkeit, Hingabe und Frömmigkeit. Der Verheißene Messias (as) erläuterte die Philosophie mit den Worten: “Abraham, Friede sei mit ihm, war sogar bereit, seinen Sohn zu opfern, um das Gebot Gottes, des Allmächtigen, zu erfüllen … Dies war ein verborgener Hinweis darauf, dass der Mensch sich Gott ganz und gar hingeben sollte; und selbst das eigene Leben und das Blut seiner Kinder und seiner Angehörigen sollte angesichts des Gebots Gottes unbedeutend erscheinen.”15
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Über die Autoren:
Aroosa Mahmood studiert Psychologie im Grundstudium in Sheffield und hat ein starkes Interesse an Forschung in Bezug auf Ernährung und Tierschutz.
Shahzad Ahmad ist Redakteur bei The Review of Religions. Er dient auch als Imam der Ahmadiyya Muslim Jamaat. Neben seinem 7-jährigen Theologiestudium studierte er Englisch an der University of Greenwich. Er tritt regelmäßig als Diskussionsteilnehmer in verschiedenen Sendungen von Muslim Television Ahmadiyya International (MTA) auf, darunter „Islamic Jurisprudence“.
Prof. Dr. Amtul Razzaq Carmichael MD, FRCS (Gen Surg), MBBS, ist Fachärztin. Sie qualifizierte sich 1987 mit Goldmedaillen für akademische Exzellenz und absolvierte ihre chirurgische Ausbildung an großen Lehrkrankenhäusern in London, Edinburgh und Philadelphia. Sie hat zahlreiche Artikel für große, von Experten begutachtete wissenschaftliche Zeitschriften verfasst. Sie ist Mitglied des Redaktionsausschusses von The Review of Religions sowie stellvertretende Managerin.
Quellen:
- https://www.vegansociety.com/news/media/statistics
- https://ecowarriorprincess.net/2017/11/africa-vegan-by-chance-not-by-choice
- https://www.alislam.org/urdu/au/AU1-12.pdf
- https://www.irishtimes.com/opinion/islam-views-murder-as-a-crime-and-a-major-sin-1.2150221
- Sunan An-Nasa’i
- https://www.alislam.org/urdu/article
- https://www.vegetology.com/blog/article/do-vegans-and-vegetarians-really-need-nutritional-supplements
- https://www.alislam.org/library/books/Message-of-Peace.pdf
- Mustadrak al-Hākim
- Hadith: Buchari und Muslim
- Überliefert von Anas. Mischkat al-Masabih, 3:1392; Bukhari
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5332932
- https://www.alislam.org/library/books/Malfuzat-2.pdf
- https://www.alislam.org/library/books/Life-of-Ahmad.pdf
- https://www.alislam.org/library/books/Malfuzat-2.pdf
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