Dr. Muhammad Dawood Majoka
Kalifat-Demonstration
Die bereits laufenden Diskussionen über Migration, Asyl und den Islam verschärft sich weiter. Während rechtsextreme Organisationen erwartungsgemäß stark reagieren, nehmen auch linke Parteien eine harte Haltung ein. Es scheint in letzter Zeit kaum eine Talkshow oder Zeitung gegeben zu haben, die die Kalifat-Demonstration nicht verurteilt hat. In den sozialen Medien gab es ebenfalls einen Sturm der Entrüstung. Mittlerweile wird sogar darüber nachgedacht, ein gesetzliches Verbot für die Forderung nach einem Kalifat zu erlassen.
Warum die Opposition gegen das Kalifat?
Der Hauptgrund für die starke Opposition gegen das Kalifat ist, dass extremistische Muslime, wenn sie ein Kalifat fordern, darunter ein politisches Bündnis der verschiedenen Nationen der Ummah [islamische Weltgemeinschaft] verstehen, das unter der Führung eines starken Mannes alle politischen, militärischen und finanziellen Kräfte bündelt, um den Westen zu konfrontieren und die Welt mit Gewalt zu beherrschen. Sie wünschen sich kein Kalifat, das Milde, Harmonie, Spiritualität, Gebete, Opfer oder die Erfüllung der Menschenrechte predigt und damit dem Beispiel des Propheten Muhammad (saw) zu folgen auffordert. Wenn sie von Scharia sprechen, konzentrieren sie sich auf drei Dinge: die Beendigung der ›Obszönität‹, die Verpflichtung der Frauen zur Pardah [Verschleierung] und die Einführung ›islamischer‹ Strafen. Tatsächlich sagen sie zwar, dass sie ein Kalifat wollen, meinen aber damit ein auf Strenge, Strafe und Diktatur basierendes Despotentum.
Die Beliebtheit dieser Ideen unter jungen Muslimen liegt hauptsächlich an ihrem Minderwertigkeitsgefühl, das durch den Anblick der schlechten Lage der Muslime und die unbestrittene Überlegenheit der westlichen Länder in allen Bereichen entsteht. Um dieses Minderwertigkeitsgefühl zu kompensieren, sind sie von der Überlegenheit und Macht der Vergangenheit fasziniert. So wie Großbritannien, das immer noch unter der Großmachtsucht des britischen Empires leidet, obwohl es wohl bald weiter zerfallen wird. Daher lässt sich aus diesen Demonstrationen keineswegs schließen, dass sie ein echtes Interesse am Islam oder Kalifat haben. Im Gegenteil, diese Menschen entfernen sich zunehmend vom Glauben im Sinne von Spiritualität, weshalb manche von ihnen nach Misserfolgen zu Terrorismus und Extremismus neigen.
Jüngste Vorfälle
Bevor sich die Lage beruhigen konnte, griff ein afghanischer Asylbewerber in Mannheim einen bekannten Islamgegner mit einem Messer an und tötete dabei auch einen Polizisten. Dies entfachte in den Medien, insbesondere in den sozialen Medien, heftige anti-muslimische Gefühle. Einige wurden so wütend, dass sie sich weigerten, den Standpunkt der Muslime zu diesem Thema überhaupt anzuhören. Unter diesen Umständen fanden die Wahlen des Europaparlaments statt, die drei eindeutige Ergebnisse lieferten.
Ergebnisse der Europawahlen

Wie in den meisten europäischen Ländern erzielten populistische und extremistische Parteien auch in Deutschland erhebliche Erfolge. Am erfolgreichsten war die extremste Partei, die AfD, die allgemein als rassistisch, faschistisch, nationalsozialistisch und anti-islamisch bekannt ist. Trotz Medienskandalen und Gerichtsurteilen in den Monaten vor den Wahlen belegte die Partei in fast allen östlichen und südlichen Wahlkreisen den ersten oder zweiten Platz.
Die Grünen erlitten die größten Verluste. Hauptgründe hierfür waren ihre Positionen zu Asyl, Migration sowie den Kriegen in der Ukraine und Gaza sowie ihr Versagen bei der Lösung wichtiger Probleme. Im Gegenzug konnte das BSW, das erst fünf Monate vor den Wahlen gegründet wurde, mehr als 6 % der Stimmen gewinnen. Diese Partei ist gegen Kriege und für die Begrenzung der Migration. Sie ist jedoch eine Partei, deren führende Personen aus der Partei „die Linke“ stammen.
Es offenbart sich ein deutlicher Unterschied im Denken zwischen Ost- und Westdeutschland. In allen Bundesländern und fast allen Wahlkreisen des ehemaligen Ostdeutschlands erreichte die AfD den ersten Platz, während in Westdeutschland die CDU/CSU dominiert. Nach 34 Jahren deutscher Wiedervereinigung ist ein solch eklatanter geografischer Unterschied im Denken besorgniserregend.
Daraus folgern lässt sich, dass das deutsche Volk weder Kriege noch Migration will. Und aufgrund dieser beiden Probleme neigen die Menschen immer mehr zu Extrempositionen.
Deutschlands Fehler
Trotzdem ist keine politische Partei bereit, ihren Kurs zu ändern! Laut dem IWF hat Deutschland am meisten unter dem Ukraine-Krieg gelitten. Anstatt billige Energie und Rohstoffe aus Russland zu beziehen, musste es sie zu viel höheren Preisen aus den USA und anderen Ländern kaufen. Und dieser wirtschaftliche Selbstmord geht weiter. Der Grund dafür ist einerseits eine deutsche Angst, die oben bereits thematisiert wurde, sowie viel Druck aus den USA. Dasselbe gilt für den Gaza-Krieg, infolgedessen Deutschland weltweit und insbesondere in muslimischen Ländern rapide an Ansehen verliert, weil Deutschland nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels ist. Darin wurde gleich zu Beginn eine bedingungslos pro-Israelische Position eingenommen und trotz Kritik daran wird nun darauf bestanden und eine Kurskorrektur verweigert.
In Bezug auf das Migrationsproblem ist das Dilemma nicht viel anders. Deutschland braucht Arbeitskräfte. Das Problem dabei ist jedoch, dass man es nicht schafft, die Migration zu kontrollieren. Wenn Ereignisse wie in Hamburg und Mannheim passieren, glauben andere Parteien, durch die Übernahme einer populistischen Position, wie sie von rechtsextremen Parteien vertreten wird, die Menschen beruhigen zu können. Doch wie soll das funktionieren? Es besteht dabei die Gefahr, dass bei den Landtagswahlen im September und bei den Bundestagswahlen im nächsten Jahr die Extremisten weiter an Macht gewinnen. Angesichts dieser Gefahr hat das Europäische Parlament vor einigen Monaten strenge Asyl- und Migrationsgesetze verabschiedet, aber den Vormarsch der extremistischen Parteien damit nicht stoppen können.
*Diese Artikel spiegelt die persönlichen Ansichten des Autors wider und nicht notwendigerweise jene der Redaktion.
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