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Tragödie von Aschaffenburg: Trauer, Einheit und die Stimme eines Imams

Wehre das Böse ab mit dem, was am besten ist (Hl. Qur'an) - Ein Aschaffenburger Imam reagiert auf Messerattacke

Am 22. Januar 2025 ereignete sich im Schöntal-Park in Aschaffenburg eine schreckliche Gewalttat. Ein 28-jähriger afghanischer Staatsbürger attackierte mit einem Messer eine Kindergartengruppe und tötete dabei einen zweijährigen Jungen sowie einen 41-jährigen Mann, der eingriff, um die Kinder zu schützen. 

Diese grausame Tat erschütterte die Stadt und sorgte bundesweit für Entsetzen. Doch inmitten der Trauer setzte eine Gedenkfeier in der Aschaffenburger Stiftskirche ein besonderes Zeichen: Ein Imam sprach dort als muslimischer Vertreter – und seine Worte, welche islamische Botschaften vermittelten, fanden bei den Anwesenden großen Anklang.

Ein Imam spricht in einer Kirche

Der örtliche Imam der Ahmadiyya Muslim Gemeinde Aschaffenburg, Zischan Mehmood, trat bei der Gedenkfeier als muslimischer Vertreter auf. In seiner Rede verurteilte er als muslimischer Vertreter diese grauenvolle Tat. Er unterstrich, dass der Islam die gesamte Menschheit als eine Familie betrachtet. Besondere Anerkennung zollte der Imam dem 41-jährigen Mann, der sein Leben opferte, um die Kinder zu schützen. Viele der Anwesenden würdigten seine Worte mit Applaus. Die Worte, geprägt von der islamischen Lehre, trafen einen Nerv – sie zeigten, dass Trauer keine religiösen oder kulturellen Grenzen kennt und dass Solidarität und Mitgefühl über alle Unterschiede hinweg verbinden können. 

Imam Zischan Mehmood in der Stiftskirche Aschaffenburg

Der Imam im Gespräch mit der Revue der Religionen

Nach der Gedenkfeier nahm Imam Zischan Mehmood auf unsere Kontaktaufnahme hin Stellung zu unseren Fragen für die Revue der Religionen und führte seine Perspektiven weiter aus.

Eine Botschaft des Zusammenhalts

Auf die Frage, welche Botschaft er mit seiner Ansprache vermitteln wollte, betonte Mehmood vor allem den Aspekt des gemeinsamen Trauerns und füreinander Daseins. »Es war mir wichtig zu zeigen, dass wir trauern – und dass wir es gemeinsam tun. Muslime sind genauso Teil dieser Gesellschaft und fühlen denselben Schmerz«, erklärte er. Ebenso hob er hervor, dass es in solchen Momenten entscheidend sei, zusammenzustehen und sich nicht spalten zu lassen. »Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Ereignis instrumentalisiert wird oder dass es dazu führt, dass Menschen gegeneinander aufgebracht werden. Wir müssen an das Eigentliche denken – an die Opfer und ihre Familien.«

Islamische Perspektive auf Gewalt

Mehmood machte deutlich, dass Gewalt keinerlei Rechtfertigung findet. Er verwies auf einen zentralen Qur’an-Vers:

»… wenn jemand einen Menschen tötet, (…) so soll es sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so soll es sein, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten.« (5:33)

Er betonte, dass diese Worte eine unmissverständliche Ablehnung von Gewalt enthalten. Auch der islamische Prophet Muhammad (saw) habe das Prinzip der Menschheitsfamilie gelehrt: »Wenn ein Teil unseres Körpers schmerzt, leidet der ganze Körper.« Genau das, so Mehmood, sei in Aschaffenburg geschehen: Die gesamte Gesellschaft spüre diesen Schmerz.

Die Gefahr der Instrumentalisierung

Der Imam äußerte sich besorgt über die politische Ausschlachtung solcher Taten. »Es wird pauschalisiert und stigmatisiert«, erklärte er. »Das Thema wird genutzt, um Hass zu schüren und andere gesellschaftliche Probleme in den Hintergrund zu drängen.« Besonders im aktuellen Wahljahr sei dies eine Gefahr. 

Zusammenhalt statt Spaltung

Wie kann die Gesellschaft nach einer solchen Tragödie gestärkt werden? Mehmood sieht den Schlüssel im Dialog und im gemeinsamen Handeln. »Wir haben ein Zeichen gesetzt: Christen, Muslime, Angehörige anderer Glaubensrichtungen sowie nichtreligiöse Menschen haben in einer Kirche gemeinsam getrauert. Die Religionszugehörigkeit oder der gesellschaftliche Hintergrund spielten keine Rolle – die Trauer hat uns verbunden.«

Auch praktische Hilfe sei wichtig. Die Ahmadiyya-Gemeinde Aschaffenburg engagierte sich in den Folgetagen an dem von der Stadt organisierten Seelsorgestand für die Bürger Aschaffenburgs. »Viele Menschen kamen zu uns und sagten, dass sie die Worte aus der Ansprache berührt haben. Wir haben täglich Gespräche geführt und versucht, Beistand zu leisten. Einige haben auch geweint und dabei ausgedrückt, dass es sehr wichtig war, in so einer Zeit über Zusammenhalt zu sprechen.« Außerdem stellte Mehmood klar: »Dass diese Worte die Menschen überhaupt berühren konnten, lag daran, dass sie aus den islamischen Lehren über Mitgefühl und Menschlichkeit schöpften.«

Integration als Prävention

Imam Mehmood sieht in der Integration einen entscheidenden Faktor zur Vermeidung solcher Gewalttaten. »Menschen, die zu uns kommen, dürfen nicht isoliert bleiben. Sie müssen in die Gesellschaft eingebunden werden.« Besonders Geflüchtete aus Krisengebieten bräuchten oft psychologische Unterstützung.

Er verwies auf eine Rede des Oberhaupts der Ahmadiyya Muslim Gemeinde aus dem Jahr 2018, in der die Bedeutung von Integration betont wurde: »Man muss früh ansetzen, Traumata ernst nehmen und Seelsorge bereitstellen.« Zudem müsse die Gesellschaft die Barrieren für eine erfolgreiche Integration abbauen, anstatt sie zu erhöhen.

Die Rede, auf die sich Mehmood in diesem Zusammenhang bezieht, wurde vom weltweiten spirituellen Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, Seiner Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (aba), auf der jährlichen Gemeindeversammlung Deutschlands vor deutschen Gästen gehalten. Bereits damals wies Seine Heiligkeit (aba) auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen und vorausschauenden Integrationspolitik hin:

»Ich habe in der Vergangenheit davor gewarnt, dass jeder einzelne Fall sorgfältig überprüft werden sollte, um sicherzustellen, dass Extremisten oder Kriminelle, die sich als Flüchtlinge ausgeben, nicht einreisen dürfen.«

Darüber hinaus machte er deutlich:

»Was die Sicherheit betrifft: Wenn Zweifel oder ein Verdacht über den Charakter oder die Hintergründe der Einwanderer aufkommen, sollten die Behörden wachsam sein und sie überwachen, bis sie sich davon überzeugt haben, dass sie kein Risiko für die Gesellschaft darstellen. Manche mögen dies als eine aggressive Politik betrachten, doch der Schutz der Gesellschaft vor Gefahren und die Wahrung des Friedens und der Sicherheit des Landes sind vorrangige Ziele einer jeden Regierung. Wenn es Einwanderer gibt, die mit der Absicht kommen, Unheil anzurichten oder Unordnung zu schaffen, verstoßen sie ohne Zweifel unmittelbar gegen die Lehren des Islam.«

Zugleich betonte er, dass sowohl die Aufnahmegesellschaft als auch die Einwanderer Verantwortung tragen:

»Vielmehr sollten sie [Regierungen der Aufnahmeländer] die Einwanderer in einer solchen Weise anleiten, die diese dazu befähigt, so schnell wie möglich ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Wenn die Einwanderer nicht die Fähigkeiten besitzen, um in den Arbeitsmarkt einzutreten, sollte ihnen eine Art Fortbildung oder Ausbildung angeboten werden, sodass sie schon bald diese Fähigkeiten entwickeln können. Kosten, die durch eine Ausbildung entstehen, werden eine wertvolle Investition in die Zukunft des Landes sein.«

Und der Appell an die Einwanderer:

»Auf der anderen Seite haben die Einwanderer auch besondere Verpflichtungen in ihren neuen Heimatländern. Wie ich bereits sagte, müssen sie versuchen, ihren Beitrag in ihrer neuen Gesellschaft zu leisten und sich um Integration bemühen. Sie sollten sich nicht isolieren oder von den Einheimischen abschotten, sondern ihrer Wahlheimat dienen und auf ihre weitere Entwicklung und ihren Fortschritt hinarbeiten. Gemeinsam müssen wir nach Wegen suchen, wie Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Abstammungen harmonisch zusammenleben können.«

Die gesamte Rede mit ihren tiefgehenden Analysen und Einsichten über Einwanderung, Integration, gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Verantwortung aller Beteiligten kann unter folgendem Link nachgelesen werden: Muslimische Einwanderer & Integration – Revue der Religionen

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