Krieg & Frieden

Was es wirklich in Zeiten des Krieges braucht

In einer Sache sind sich Muslime einig: Die Zeit des Jihads ist gekommen. Doch die entscheidende Frage lautet, wie dieser aussieht?

Zischan Mehmood

Der Islam, eine Religion, die einst für Glauben und Stärke stand, wird heute mehr als je zuvor zur Zielscheibe feindlich gesinnter Angriffe. Die muslimische Welt befindet sich in einer zermürbenden Lage, geprägt von mangelndem Zusammenhalt, inneren Konflikten und mangelnder Einheit.

Angriffe auf die muslimische Welt, seien diese in Form von militärischen Interventionen, Diskriminierung, Vorurteilen oder rassistischer Gewalt, haben zu einer wachsenden Sorge und einem Gefühl der Bedrohlichkeit geführt. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich in der muslimischen Welt immer wieder die Frage, ob die Zeit gekommen sei, den kriegerischen Jihad als Antwort in Betracht zu ziehen.

Nicht wenige Muslime sind von diesem Konzept des Jihads, so wie es ihnen von manch sogenanntem muslimischen Gelehrten und Führern gepredigt wird, überzeugt und sehen darin die Lösung, um sich gegen die wahrgenommene Unterdrückung seitens und Unterlegenheit gegenüber dem Westen zu behaupten. Diese Überzeugungen, dass also das Schwert bzw. die Waffen der Weg zur Befreiung sei, haben in einigen Teilen der islamischen Welt aktuell nochmal an Popularität gewonnen.

In sozialen Medien wird diese Verzweiflung vielleicht am deutlichsten sichtbar. Dort sind Clips zu sehen, in denen verzweifelte Muslime nach dem Mahdi um Hilfe rufen und davon überzeugt sind, dass er sie in einem bewaffneten Kampf befreien werde. Traurigerweise ist der Mahdi ist in ihren Köpfen dabei eine Art von Gott gesandter Führer und General, der nahezu eigenhändig die ungläubigen Feinde vernichten soll.

Die jüngsten Ereignisse in Palästina bieten indes das erschütternde Zeugnis für die Verlorenheit und Hilflosigkeit der islamischen Welt als Gemeinschaft. Sie offenbaren, wie es tatsächlich an einer einheitlichen Stimme der Führung mangelt, die in Zeiten der Not dringend gebraucht wird. Angesichts dieser bedrückenden Realität stellt sich die drängende Frage: Welchen Weg sollte die muslimische Gemeinschaft in dieser existenziellen Bedrohung einschlagen, um sich zu verteidigen und wieder zu Einheit und Stärke zu finden?

Eine Sache scheint sicher zu sein: Die Zeit des Jihads ist gekommen. Doch die entscheidende Frage lautet, um welchen Jihad es sich dabei genau handelt und wie er aussieht?

Ist es also an der Zeit für den Jihad mit dem Schwert bzw. mit den Waffen? Ein signifikantes Beispiel von vielen für einen bewaffneten Konflikt, in dem Muslime gegen Israel antraten und letztendlich eine Niederlage erlitten, ist der Sechstagekrieg im Jahr 1967. Dieser Konflikt zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, darunter Ägypten, Jordanien und Syrien, endete mit einem überwältigenden Sieg Israels. Trotz des anfänglichen Optimismus und der Bemühungen der arabischen Staaten führte der Krieg zu einer erheblichen Erweiterung des israelischen Territoriums und stärkte die Position Israels in der Region. Wo war also beim Einzug in die Schlacht die Hilfe Gottes und der versprochene Sieg, die als zentrale Aspekte des bewaffneten Jihads gelten?

Kann es sein, dass der schwache Zustand der islamischen Welt in dieser Zeit und ihr Jihad-Konzept auf unselige Weise miteinander verbunden sind?

Es ist andererseits für Muslime undenkbar, dass Allah die muslimische Gemeinschaft in einer Zeit, in der der Islam von allen Seiten angegriffen wird, ohne Seine Hilfe in Form eines rechtsgeleiteten Anführers stehen lassen würde. 

Unter den Vielen, die immer wieder beanspruchen, die legitimen Führer der Muslime zu sein, ist auch Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS aus Qadian, der im 19. Jahrhundert genau zur vorausgesagten Zeit des Erscheinens des Mahdis und Messias der Muslime auftrat.

Ahmad (as) ließ mitunter mit einer ganz anderen Interpretation des Jihad aufhorchen und zog sich so auch den Zorn und die Gegnerschaft vieler muslimischer Mullahs und Maulwis zu, die ihn gar zum Apostaten erklärten. Was der wahre Jihad tatsächlich bedeute, hat dieser aus Indien stammende Reformator in vielen Schriften dargelegt:

»Die Philosophie des Jihad und dessen wahre Bedeutung ist ein so komplexes Thema und und erst nach feinem Nachsinnen zugänglicher Punkt, dass die Leute sowohl aus unserer Zeit wie auch aus dem Mittelalter aufgrund falschen Verständnisses schwerwiegenden Fehlinterpretationen anheimgefallen sind. Mit großem Bedauern müssen wir eingestehen, dass diese gefährlichen Missverständnisse es den Gegnern des Islam ermöglichten, eine reine und heilige Religion wie den Islam, die die Naturgesetze widerspiegelt und die Erhabenheit des lebendigen Gottes manifestiert, zur Zielscheibe ihrer Kritik zu machen.«1

Heute sehen wir genau das, nämlich wie die Aktionen der Hamas, welche demnach zweifellos auf einen falsch verstandenen Jihad zurückzuführen sind, nicht nur den Juden, sondern auch dem Bild vom Islam erheblichen Schaden zugefügt haben. 

Zudem verlieren Tausende von unschuldigen muslimischen Menschen aufgrund dieser Vorfälle ihr Leben. Obwohl die Menschen in Palästina schon seit längerem Opfer einer Besetzung sind, gehen deren Auswirkungen im Vergleich zu den Angriffen auf palästinensische Zivilisten fast unter.

Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad (as) spricht weiter Folgendes über den Jihad:

»Es steht nämlich geschrieben, dass der Jihad mit dem Schwert und Religionskriege ein Ende nehmen würden, wenn der Verheißene Messias (der Muslime) erscheinen würde. Denn der Messias würde weder das Schwert erheben noch zu irgendeiner anderen irdischen Waffe greifen. Nein, sein Gebet würde seine Waffe sein, seine Entschlossenheit sein Schwert.«2

Zig Millionen von Muslimen wie Nicht-Muslimen haben sich bisher unter das sichere Dach dieses religiösen Friedensbringers geschart und teilen damit jeglicher Gewalt im Namen der Religion eine Absage. Heute ruft der Fünfte Kalif und somit Nachfolger dieses Verheißenen Messias und Imam Mahdis (as), Seine Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA, die Gemeinde der Muslime sowie die Weltgemeinschaft als Ganzes zur Besonnenheit auf und appelliert daran, neben deeskalierenden Maßnahmen unbedingt auch ein ganz anderes Mittel einzusetzen:

Seine HeiligkeitABA sagte:

»In jedem Fall haben wir nur die Waffe des Gebets, die jeder Ahmadi[-Muslim] jetzt mehr als je zuvor einsetzen sollte.«3

»Daher müssen sich Ahmadis besonders um Gebete bemühen. Sie sollten sich nicht entspannen. Sie sollten in jedem Gebet mindestens in einer Sajda  (Niederwerfung) oder zumindest in einem Gebet in der Sajda [für Frieden] beten.«4

»Wir müssen inbrünstig beten. Möge Allah diesen Krieg beenden und die unschuldigen, unterdrückten Palästinenser beschützen, damit sie nicht weiterem Unrecht ausgesetzt sind, und möge Allah alles Unrecht in der Welt beenden, wo auch immer es herrscht. Möge Allah uns die Kraft geben zu beten.«5

Sein Vorgänger, der Vierte Kalif, Hadhrat Mirza Tahir AhmadRA, schreibt in einem Vers über die gewaltige Kraft des Gebets:

»Oh Diener des Messias der Zeit! Erhebe deine Hände zum Gebet. Und sollte sogar der Tod bevorstehen, wird er abgewendet.«

_______________________

1 Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad (as), Government angrezī aur ǧihād, Rūḥānī ḫazāʾin, Bd. 17, S. 3, [Dt. Ü.: Die Britische Regierung und der Jihad, Frankfurt am Main 2018, S. 15]
2 ebenda S.8 bzw. S.25
3 Seine Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (aba), Freitagsansprache vom 13. Oktober 2023
4 Seine Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (aba), Freitagsansprache vom 27. Oktober 2023
5 Seine Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (aba), Freitagsansprache vom 20. Oktober 2023

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