zu Teil 1/17
Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA, Khalifatul Masih II., war das zweite Oberhaupt der weltweiten Ahmadiyya Muslim Jamaat und der Sohn von Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, dem Verheißenen Messias und Imam Mahdi. Er wurde 1914 im Alter von 25 Jahren in das spirituelle Amt des Kalifats gewählt und schulterte die Verantwortung, diese Institution für fast 52 Jahre furchtlos zu schützen. Er war zugleich ebenjener Verheißener ReformerRA, der dem Verheißenen MessiasAS von Gott prophezeit worden war.
Als exzellenter Orator hielt er weltweit unzählige Reden über eine Vielzahl von Themen. Er war ein wahrer Visionär und fantastischer Administrator, der die Organisationsstruktur der Ahmadiyya Muslim Jamaat etablierte, die nunmehr in über 200 Ländern präsent ist. Er war ein renommierter Gelehrter mit immensem Wissen. Die Anzahl der Bücher, Reden, Vorträge und Freitagsansprachen, die in Buchform veröffentlicht wurden oder vor der Veröffentlichung stehen, beträgt 1424.
Hier Teil 4 des in Lahore gehaltenen historischen Vortrags von Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA.
Maßnahmen zur Beendigung der Sklaverei
Es sollte daran erinnert werden, dass die grundlegende Wurzel der unnatürlichen und ungerechten Behandlung – die seit undenklichen Zeiten existierte und die der Islam zu einem Ende brachte – die Sklaverei war. Vielleicht können die Menschen heute die enge Verbindung zwischen der Sklaverei und dem Aufstieg des weltweiten Handels und der Wirtschaft nicht begreifen; tatsächlich aber ist dies der Grund, warum der Islam der Praxis der Sklaverei ein Ende setzte.
Die Rolle der Sklavenarbeit in der Weltwirtschaft
Vor dem Erscheinen des Islams – und auch noch nach seinem Aufstieg – herrschte in einem großen Teil der Welt die Sklaverei vor. Wenn wir die Geschichte des alten Roms, Griechenlands, Ägyptens und Persiens untersuchen, stellen wir fest, dass Sklavenarbeit in all diesen Ländern als Instrument des wirtschaftlichen Fortschritts eingesetzt wurde.
Die Sklaverei wurde im Wesentlichen auf zwei Wegen ermöglicht. Ein Weg war, dass Länder im Krieg mit Nachbarstaaten die Bürger ihrer Gegner gefangen nahmen und sie zu Sklaven machten. Wenn sich zum Beispiel die Gelegenheit ergab, nahmen die Römer die Perser als Sklaven gefangen oder umgekehrt. Jede Seite versklavte also Menschen der anderen Seite, in der Erwartung, damit der politischen Macht des Gegners einen Schlag zu versetzen. Der zweite Weg, Menschen zu versklaven, war die Gefangennahme von Frauen und Kindern aus den rückständigen Teilen der Welt. Während die erste Methode der Versklavung von Menschen bei günstigen Gelegenheiten zur Anwendung kam, wurde die zweite Methode in Laufe der Zeit zu einer dauerhaften Praxis.
Tatsächlich setzte sich diese Art der Sklaverei bis weit ins 18. Jahrhundert hinein fort, als Scharen von Westafrikanern in die Vereinigten Staaten gebracht wurden. Obwohl die Sklaverei in diesem Land nicht mehr existiert, sind etwa 20-30 Millionen Amerikaner Nachkommen von Menschen, die als Sklaven gebracht wurden.
Die Hauptmotivation hinter der Sklaverei in den fortgeschrittenen Ländern war es, ihre wirtschaftliche Macht durch billige Sklavenarbeit zu fördern. Die Sklaven wurden auf unterschiedliche Weise ausgebeutet. Sie wurden für die Arbeit in Fabriken, auf Schiffen oder für jede andere Arbeit eingesetzt, die schwere manuelle Aufgaben beinhaltete, die für die wirtschaftliche Entwicklung erforderlich waren. In ähnlicher Weise wurde Sklavenarbeit auf Plantagen eingesetzt, um die Produktionskosten zu minimieren und den Gewinn zu maximieren.
Verbot von ungerechten Methoden der Sklaverei
In beiden zuvor erwähnten Formen verwehrt die Sklaverei einem Teil der Menschheit die Gleichbehandlung. Der Islam verbietet kategorisch beide Wege der Versklavung von Menschen. Der Heilige Qur’an sagt:
„Einem Propheten geziemt es nicht, Gefangene zu machen, ehe er sich auf kriegerischen Kampf einlassen muss im Land. Ihr wollt die Güter dieser Welt, Allah aber will (für euch) das Jenseits. Und Allah ist allmächtig, allweise.“ (Der Heilige Qur‘an 8:68))
Das bedeutet Folgendes: Es war keinem Propheten vor euch erlaubt, und es ist auch euch nicht erlaubt, Gefangene zu nehmen, ohne in einen Krieg verwickelt zu sein. Wenn es einen Krieg gibt – der auch ein religiöser Krieg ist – können auf dem Schlachtfeld Gefangene gemacht werden.
Die in diesem Vers festgelegte Bedingung erlaubt es niemandem, die Zivilbevölkerung eines Landes, dem nicht der Krieg erklärt wurde, gefangen zu nehmen. Sie erlaubt auch nicht die Versklavung eines Bürgers der gegnerischen Nation, der nicht Teil der angreifenden Truppe war. Die Inhaftierung derjenigen, die sich aktiv am Kampf beteiligen, ist indes erlaubt, weil sie sonst zurückgehen würden, um sich wieder den angreifenden Truppen anzuschließen.
Dann sagt Allah in diesen Versen ‘ihr wollt die Güter dieser Welt’, was bedeutet: ‘O ihr Muslime, wollt ihr euch wie andere Nationen verhalten und ihre Menschen versklaven, um eure (weltliche) Macht zu vergrößern? Allah aber will (für euch) das Jenseits’.
Allah will also nicht, dass ihr anderen Nationen folgt. Er will euch zu dem Weg führen, der am Ende besser für euch ist und euch Allahs Wohlgefallen gewinnen lässt. Gott erinnert die Muslime daran, dass die Nähe zu Gott besser ist als jeder weltliche Gewinn. Und Gott gebietet, dass es besser für euch ist, keine Gefangenen zu machen, außer wenn euch ein Krieg aufgezwungen wird.
Diese Regel wurde in den frühen Tagen des Islam streng umgesetzt. Während der Herrschaft von Hadhrat UmarRA kam eine Delegation aus dem Jemen und beschwerte sich, dass sie vor dem Aufkommen des Islams von einem benachbarten christlichen Stamm ohne jeden Grund zu Sklaven gemacht worden waren. Hadhrat UmarRA entgegnete, dass er, obwohl der Vorfall stattgefunden hatte, bevor die Muslime an der Macht waren, den Fall untersuchen und die Sklaven freilassen würde, wenn sich ihre Beschwerde durch Tatsachen bestätigen ließe. Im Kontrast zu dieser aufgeklärten islamischen Haltung nutzten die Europäer die Sklaverei bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein, um ihren Handel und ihre Landwirtschaft voranzutreiben.
Es besteht kein Zweifel, dass sich auch in der islamischen Geschichte einige Beispiele für den unislamischen Brauch der Sklaverei finden lassen; aber die Sklaverei wurde nie zur Förderung der heimischen Industrie oder des Handels praktiziert.
Ermahnung zur Befreiung von Kriegsgefangenen
Speziell in Bezug auf die Kriegsgefangenen schreibt der Islam vor:
„… hernach dann entweder Gnade oder Lösegeld.“ (Der Heilige Qur‘an 47:5)
Das heißt: Dann lasst sie anschließend entweder aus Gefälligkeit oder gegen Lösegeld frei.
Eine dritte Möglichkeit ist nicht gegeben. Der Verwahrer kann entweder Kriegsgefangene aus Mitgefühl freilassen und sich darauf verlassen, dass Gott mit seinem Handeln zufrieden ist, oder wenn die finanzielle Not es den Verwahrern nicht erlaubt, Kriegsgefangene ohne Entschädigung freizulassen, dann ist es zulässig, das übliche Lösegeld für die Freilassung zu verlangen. Was passiert jedoch, wenn weder der Gefangene noch sein Land oder seine Familie die Mittel haben, um Lösegeld zu zahlen? Der Islam erlaubt dem Gefangenen dann, sein Lösegeld in regelmäßigen Raten zu zahlen und sich so seine Freiheit zu verdienen. Allah, der Allmächtige, sagt:
„Und jene, die euch überantwortet wurden – wenn welche von ihnen eine Freilassungsurkunde begehren, stellt sie ihnen aus, falls ihr in ihnen Gutes wisset; und gebet ihnen von Allahs Reichtum, den Er euch gegeben hat.“ (Der Heilige Qur‘an 24:34)
Das heißt: Wenn ihr einen Gefangenen habt, den ihr nicht aus Gefälligkeit freilassen könnt, und auch seine Verwandten das Lösegeld nicht bezahlen können, dann stellt, wenn ein solcher Gefangener eine schriftliche Freilassungsurkunde wünscht, diese für ihn aus, wenn ihr etwas Gutes in ihm seht; und gebt ihnen aus dem Reichtum Allahs, den Er euch gewährt hat.
In Situationen, in denen der Sklave nicht in der Lage ist, das Lösegeld zu zahlen, schreibt dieser Vers vor, dass zwischen einem Herrn und seinem Sklaven ein Schuldschein ausgestellt wird, der Letzteren verpflichtet, das Lösegeld in vereinbarten Raten zu zahlen. Nach dem Aufsetzen dieser Vereinbarung wird der Sklave sofort wieder in die Freiheit entlassen, und es steht ihm frei, jeden Beruf zu ergreifen, für den er eine Begabung hat. Als schöne, krönende Geste des guten Willens wird der Herr angewiesen, den Gefangenen aus seinem eigenen Vermögen mit etwas Kapital auszustatten, um ihm den Start in die neue Unternehmung zu ermöglichen. Von diesen Erträgen steht dem Herrn über die vereinbarte festgeschriebene Rate hinaus nichts zu.
Wenn man die islamischen Lehren bezüglich der Sklaverei betrachtet, wird klar, dass der Islam absolut keinen Weg offenlässt, um eine andere Person zu einem Sklaven zu machen. Selbst wenn Kriegsgefangene gemacht werden, werden die Gefangenhalter aufgefordert, jene aus Gefälligkeit oder gegen Zahlung eines angemessenen Lösegelds freizulassen. Wenn es einen Gefangenen gibt, der sich nicht selbst freikaufen kann und seine Freunde oder seine Regierung keine Schritte zur Zahlung des Lösegeldes unternehmen, kann er die Freiheit erlangen, indem er sich verpflichtet, das Lösegeld in Raten aus seinem Verdienst zu bezahlen. Mittellosen Gefangenen wird sogar mit etwas Kapital geholfen, damit sie ihren Lebensunterhalt verdienen und die Freiheit erlangen können. Wenn ein Gefangener angesichts solcher außergewöhnlichen Zugeständnisse die angebotenen Möglichkeiten nicht nutzt, kann das nur bedeuten, dass er seine ‘Knechtschaft’ unter Muslimen angenehmer findet als ein freies Leben unter seinem eigenen Volk.
Eine sorgfältige Betrachtung dieser Verfügungen macht deutlich, dass der Islam keinen Raum für jemanden lässt, der eine andere freie Person versklavt. Das erste Gebot ist, die Sklaven aus Gefälligkeit freizulassen, ohne jedes Lösegeld. Wenn das nicht möglich ist, schreibt der Islam vor, die Gefangenen mit einem angemessenen Lösegeld freizulassen. Wenn ein Gefangener das Lösegeld nicht aus eigenen Mitteln oder von seinen Verwandten aufbringen kann, kann er einen Schuldschein ausstellen und wäre dann praktisch völlig frei und müsste nur noch die vereinbarte Rate zahlen.
Der Sklave, der Hadhrat UmarRA erstach und zum Märtyrer machte, wurde zuvor selbst nach den oben genannten Lösegeldrichtlinien freigelassen. Eines Tages war der Sklave an den Muslim, bei dem er gelebt hatte, herangetreten und hatte vorgeschlagen, im Austausch für seine Freiheit eine feste Lösegeldrate aus seinem Einkommen zu zahlen. Es wurde ein Vertrag unterzeichnet, der den Sklaven verpflichtete, sich seine Freiheit durch die Zahlung der vereinbarten Raten zu verdienen. Eines Tages beschwerte er sich jedoch beim Kalifen, dass seine Rate zu hoch sei und dass sie reduziert werden sollte. Bei einer Untersuchung stellte Hadhrat UmarRA fest, dass das Einkommen des Mannes um ein Vielfaches höher war als die vereinbarte Rate. Sein Antrag wurde daher abgelehnt, was ihn wütend machte. Er dachte, dass ihm aus ethnischen Gründen Gerechtigkeit verweigert worden war, da er ein Perser war, während sein ehemaliger Herr ein Araber war. Also stach er am nächsten Tag mit einem Dolch auf Hadhrat UmarRA ein, der aufgrund der Wunden den Märtyrertod erlitt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Islam jedem Kriegsgefangenen das Recht einräumt, seine Freiheit durch Zahlung von Lösegeld in bar oder in vereinbarten Raten zu erlangen. Wenn er dann aus Mangel an Kapital nicht in der Lage ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, ist der Herr oder die Regierung angehalten, ihn bei der Beschaffung der benötigten Mittel zu unterstützen, damit er seine Freiheit erlangen konnte.
Faire Behandlung von Gefangenen
Der Islam schreibt vor, dass einem Kriegsgefangenen bei der Arbeit im Haus des Dienstherrn keine Aufgaben gestellt werden dürfen, die seine Fähigkeiten übersteigen. Wenn die Aufgabe für den Gefangenen zu beschwerlich ist, um sie allein zu erledigen, sollte der Dienstherr ihm helfen. In jedem Fall darf er nicht misshandelt werden. Wenn er indes ein Freigelassener ist, der gegen Lohn arbeitet, sollte er pünktlich bezahlt werden. Wenn der Dienstherr einen Freigelassenen körperlich schlägt, hat er das Recht, eine Anzeige beim qaḍāʾ (islamische Rechtsbehörde) einzureichen und seinen Dienstherrn auf Entschädigung zu verklagen. Ein Diener, der noch nicht freigelassen wurde, kann sich auch wegen körperlicher Misshandlung an ein Gericht wenden. Wenn die Klage berechtigt ist, sind die Gerichte in solchen Fällen angewiesen, festzustellen, dass der Dienstherr nicht geeignet ist, den Gefangenen zu halten, und ihm ist die Freiheit zu gewähren.
Jemand, der Gefangene besitzt, ist zudem angewiesen, ihnen die gleiche Nahrung zu geben, die er selbst isst, und sie so zu kleiden, wie er sich selbst kleidet. Es ist kein Wunder, dass viele Kriegsgefangene in muslimischer Hand sich weigerten, zu ihrem eigenen Volk zurückzukehren. Sie hatten das Gefühl, dass sie, wenn sie nach Hause zurückkehrten, nicht die gleiche Qualität an Nahrung bekämen, wie sie sie als Gefangene bekamen, und dass ihre Lebensqualität tatsächlich schlechter sein würde. Als die Muslime die Vorherrschaft übernommen hatten, weigerten sich daher die Kriegsgefangenen oft, nach Hause zurückzukehren, selbst wenn man ihnen anbot, ihr Lösegelds zu zahlen, damit sie ihre Freiheit erlangen konnten. Dies war so, weil sie erkannt hatten, dass ihr Leben als ‘Sklaven’ angenehmer war als das von freien Männern in ihrer Heimat. Wenn unter solchen Umständen ein paar Männer sich dafür entschieden, Sklaven zu bleiben, wer mag da widersprechen?
Sklaverei und Wirtschaft
Obwohl das Thema meines heutigen Vortrags nicht die Sklaverei ist, sind Wirtschaft und Sklaverei in der Geschichte der Menschheit untrennbar miteinander verwoben. Die Entwicklung von Sibirien in Russland war ebenso abhängig von der Arbeit von Leibeigenen und politischen Gefangenen. In ähnlicher Weise entwickelten sich die Vereinigten Staaten von Amerika aufgrund der harten Arbeit von Millionen von Afrikanern, die aus Westafrika herübergebracht wurden. Amerika ist heute stolz auf seinen Reichtum und seine wirtschaftliche Macht, aber es schuldet den Sklaven eine Menge Dankbarkeit. Auch die griechische und römische Geschichte lehrt uns, dass ihr Handel und ihre Industrie zum größten Teil auf Sklavenarbeit basierten. Das gilt auch für das alte Ägypten. Und auch die wirtschaftliche Entwicklung in Frankreich und Spanien vor zwei- oder dreihundert Jahren war hauptsächlich auf Sklavenarbeit zurückzuführen. Sklaverei und Weltwirtschaft sind also in der Geschichte miteinander verwoben, egal wo wir hinschauen. Aber der Islam hat diese Institution von Anfang an verboten und erklärt, dass die dadurch erreichte Entwicklung nicht als moralisch oder lobenswert angesehen werden kann.
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