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Deutschland & Israel: Schlechte Freunde?

Ein patriotischer Israeli erklärt, warum Deutschland seinem Land trotz Solidaritätsbekundungen keine große Hilfe ist.
Flavio~/flickr

von Yunus Mairhofer

Gideon Levy ist in Israel eine Institution. Dies sind die einleitenden Worte des zuletzt in der Berliner Zeitung erschienenen Interviews mit dem Herausgeber der bekannten israelischen Tageszeitung Haaretz. Mittlerweile ist Levys Expertise weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus gefragt. Auch The Review of Religions hatte bereits die wertvolle Gelegenheit, den reflektierten israelischen Top-Journalisten auf Englisch zum neu entflammten Krieg im Nahen Osten zu befragen.

Wie viele andere besonnene Beobachter plädiert der Journalist dafür, alles daran zu setzen, die derzeitige Lage von allen möglichen Seiten her zu deeskalieren. Gleichzeitig setzt er nicht allzu viel Hoffnung in die Entscheidungen, die seitens der israelischen Bevölkerung und ihrer gewählten Regierung getroffen werden und findet dafür sehr scharfe Worte:

»Israel lässt keine Gelegenheit aus, Fehler zu machen […] Israelis haben normalerweise die Tendenz, aggressive, militärische Schritte zu unterstützen. Es gibt keine solch große Unterstützung, wie es sie nach dem 7. Oktober bei der Bestrafung der Bevölkerung des Gazastreifens gegeben hat. Aber ich bin mir sicher, dass die meisten Israelis jetzt jede Art von Angriff auf den Iran unterstützen, und niemand denkt über die Kosten und Konsequenzen nach. Das wurde auch bei den Militärschlägen gegen Gaza nicht getan. Aber bei einem Angriff auf den Iran können die Folgen noch viel fataler sein.«

Für den bekennenden Israeli ist aber auch die Haltung Deutschlands alles andere als hilfreich. Bezüglich des umstrittenen Verbots des Palästina-Kongresses in Berlin unter massivem Polizeieinsatz spricht Levy von besorgniserregenden Entwicklungen.

»Ich habe die Vorgänge mit großer Sorge und Betroffenheit verfolgt. Nicht nur deshalb, wie mit den Palästinensern umgegangen wird, sondern auch wegen der Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland.«

Die Tatsache, dass Deutschland sich heute gern selbst als einer der engsten Verbündeten Israels bezeichnet, nimmt der Journalist ebenfalls kritisch wahr:

»Deutschland hat sich dafür entschieden, dass Freundschaft mit Israel bedeutet, keine Kritik an Israel zuzulassen. Aber das ist keine gute Freundschaft. Israel zu kritisieren, wurde in Deutschland kriminalisiert. Das wird nur einen negativen Effekt haben. Es wird den Antisemitismus nur verstärken, nicht verringern […] Deutschland ist ein wichtiger Verbündeter Israels, vielleicht der zweitbeste Freund nach den Vereinigten Staaten. Ein Freund sollte kritisieren und Maßnahmen ergreifen, wenn es nötig ist […] Deutschland hätte Israel mitteilen sollen, dass der Krieg in Gaza inakzeptabel ist und Konsequenzen haben wird. Diese deutsche Regierung ist aber nicht in der Lage dazu. Das ist keine Freundschaft.«


Erstaunlicherweise erinnern diese mutigen Worten eines israelischen Journalisten gleich an zwei Aussagen, die vom islamischen Propheten Muhammad (saw) stammen. Dieser erklärte vor über 1400 Jahren seinen Gefährten: 

»Helft eurem Bruder, ob er nun ein Unterdrücker oder ein Unterdrückter ist. Die Leute fragten: ›O Prophet Gottes! Wir verstehen es jemandem zu helfen, wenn er unterdrückt wird, aber wie sollen wir ihm helfen, wenn er ein Unterdrücker ist?‹ Der Prophet sagte: ›Indem man ihn daran hindert, andere zu unterdrücken.‹« (Sahih Bukhari, Band 3, Buch 43, Hadith Nr. 624)

Ein zweites ähnliches Wort des Propheten ist eine Antwort auf die Frage nach der größten Form des Dschihad:

»Wahrlich, zu den größten Taten des Dschihad gehört ein Wort der Gerechtigkeit gegenüber einem tyrannischen Herrscher.« (Sunan al-Tirmidhī Hadith Nr. 2174)

Der Begriff des Dschihad versteht sich neutral betrachtet als eine Art ‚Anstrengung sich über Widerstände hinwegzusetzen‘. Abgesehen von der israelischen Regierung ist es heute gerade auch in Deutschland leider für viele Söhne und Töchter Deutschlands zu einem derartigen Kampf – oder Dschihad – geworden, sich zu Meldungen und Vorgaben seitens der Regierung öffentlich kritisch zu äußern. 

Dazu der Haaretz-Herausgeber:

»Das Vorgehen der deutschen Regierung ist sehr kontraproduktiv. Ich frage mich nach der Motivation […] Es gibt viele Antisemiten, aber nicht jeder Kritiker von Israel ist ein Antisemit. Leider hat Israel Erfolg mit seiner Strategie, jede Kritik zum Schweigen zu bringen, indem es sie als Antisemitismus abstempelt.«

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