Islam

Ein Abriss der islamischen Geschichte

Dieser kurze Artikel wurde 1951 von Dr. Abdus Salam im Alter von 26 Jahren verfasst; damals lehrte er als Professor für Mathematik am Government College in Lahore. Professor Salam übernahm 1957 den Lehrstuhl für theoretische Physik am Imperial College in London und wurde 1979 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet – als erster Muslim und erster […]

Dieser kurze Artikel wurde 1951 von Dr. Abdus Salam im Alter von 26 Jahren verfasst; damals lehrte er als Professor für Mathematik am Government College in Lahore. 
Professor Salam übernahm 1957 den Lehrstuhl für theoretische Physik am Imperial College in London und wurde 1979 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet – als erster Muslim und erster pakistanischer Staatsbürger. Dieser Artikel wurde ursprünglich in »The Muslim Sunrise« veröffentlicht, einer amerikanischen Zeitschrift, die von Mufti Muhammad SadiqRA, einem Gefährten des Verheißenen MessiasAS, gegründet wurde. Dieser Artikel erscheint nun in der »Revue der Religionen« erneut. 
Da mehr als 60 Jahre seit seiner ersten Veröffentlichung verstrichen sind, spiegeln einige Fakten in dem Artikel die Zeit wider, zu der er geschrieben wurde. 

In diesem Artikel will ich versuchen, einen Abriss der politischen Geschichte Islams zu skizzieren und den glorreichen Glauben darzustellen, der durch den Heiligen ProphetenSAW verkündet wurde und sich über die Grenzen Arabiens bis in die weiten Ecken der Welt verbreitete. Ich werde auch versuchen, einen Überblick über die Geschichte aller zum jetzigen Zeitpunkt unabhängigen islamischen Länder zu geben. Es wird notwendigerweise eine sehr kurze Skizzierung sein, aber ich hoffe, dass es eine Vorstellung davon vermitteln wird, wie wirkmächtig der Islam einst war und mit Gottes Willen wieder durch die Ahmadiyya, dem wahren Islam, sein wird.

Die fünf Perioden
Die islamische Geschichte lässt sich in fünf Zeitabschnitten einteilen. Die erste Periode kann als die arabische Periode bezeichnet werden. Diese umfasst die Zeit der:
(a) ersten vier Kalifen des Islam 
(b) Umayyaden in Damaskus
(c) Abbasiden in Bagdad

1. Die erste Periode erstreckt sich ungefähr von 632 n. Chr. bis 950 n. Chr. Während dieser Periode war der Islam vom Zentralismus geprägt und der Kalif war sowohl das geistige als auch das weltliche Oberhaupt der islamischen Welt. Hierauf folgten 100 Jahre geteilter Emiraten, in denen die weltliche Macht der Kalifen auf den Nullpunkt sank. Es schien, als würde die politische Macht des Islam völlig zerfallen. 

2. Um 1050 n. Chr. traten jedoch neue Akteure auf – die Seldschuken. Sie nahmen den Islam an und stellten die zentralistische Struktur für etwa weitere 200 Jahre wieder her. Die zweite Periode der Seldschuken endet um etwa 1250 n. Chr.

3. Die dritte Periode beginnt mit dem mongolischen Angriff im Jahre 1258, bei dem Bagdad vollständig geplündert, der Kalif getötet und der islamische Grund und Boden vollständig zerstört wurden. Allerdings nahmen die Mongolen nach 20 Jahren den Islam selbst an. Ihre Zeit erstreckte sich einschließlich der von Timur bis ca. 1500 n. Chr.

4. Ab 1500 betreten wir die vierte Periode, nämlich der Safawiden in Persien, der Osmanen in der Türkei und der Großmoguln auf dem indischen Subkontinent – eine Periode der nationalen und regionalen Dynastien. 

5. Schließlich führt uns die Periode beginnend um 1700 n. Chr. in die Gegenwart. In dieser Zeit beginnen die europäischen Mächte ihre Rolle in der islamischen Welt zu spielen. 

Mit dieser Einführung werden wir nun zu einer detaillierten Betrachtung der erwähnten Epochen übergehen. 

Diese Karte wurde im Jahr 1926 in »The Historical Atlas« von William Shepherd veröffentlicht und veranschaulicht die Ausdehnung der muslimischen Welt von der Zeit des Heiligen ProphetenSAW bis hin zum Kalifat der Umayyaden im Jahre 750 n. Chr. 
Mit freundlicher Genehmigung von
The General Libraries an der Universität von Texas in Austin

Ära des Kalifats
Als der Heilige ProphetSAW im Jahr 632 n. Chr. verstarb, hatte nahezu ganz Arabien den Islam angenommen. Unter seinem ersten ordnungsgemäß gewählten Nachfolger, dem Kalifen Abu BakrRA, wurde die Macht des Islam in Arabien weiter gefestigt.

Es war die Zeit des zweiten Nachfolgers, Hadhrat UmarRA, in der sich der Islam außerhalb Arabiens verbreitete und seine herrlichsten Siege errang. Sowohl die Byzantiner als auch die Perser glaubten nämlich, Arabien gehöre ihnen und als sie den Aufstieg des Islam als eine Rebellion gegen sich auffassten, schickten sie sich an, die Araber zu strafen. Eine Handvoll Muslime standen einer großen Überzahl gegenüber, in einigen Fällen im Verhältnis von eins zu zehn, aber der feurige Eifer des Glaubens fegte alles davon. Muslime eroberten dennoch 635 Damaskus und 636 Jarmuk und damit Syrien. Das Schicksal Persiens wurde 637 zu Kadesia entschieden und Ägypten wurde 640 erobert. Denkwürdig ist die Regierungszeit des Kalifen UmarRA nicht ausschließlich aufgrund des militärischen Ruhmes. Es war in seiner Ära, dass in der Weltgeschichte erstmalig der Grundsatz der staatlichen Führsorgepflicht für alle Bürger anerkannt wurde. Es wurde festgehalten, dass der Staat mehr Pflichten denn Rechte hatte. Das Zitat, mit dem er seine Nachfolge antrat, wird nie wiederholt sein: »Bei Allah, wer der Schwächste unter euch ist, der wird in meinen Augen der Stärkste sein, denn ich werde ihm seine Rechte garantieren, aber den Stärksten werde ich wie den Schwächsten behandeln, bis er sich an das Gesetz hält.« 

UmarRA folgten UsmanRA und AliRA. Nach AliRA endete das Wahlprinzip des Kalifen. Muawiyah, der ihm 661 als Kalif folgte, wandelte das Kalifat zur Erbmonarchie um und somit begann die Umayyaden-Dynastie. Die Frage der Nachfolge des Propheten warf das größte politische Problem auf, mit dem sich der Islam konfrontiert sah. Die Schiiten behaupteten, dass Hadhrat AliRA die rechtmäßige Nachfolge des Heiligen ProphetenSAW hätte antreten müssen, obwohl er selbst nie einen Anspruch auf das Kalifat aufgrund seiner Blutsverwandtschaft erhoben hatte. Tatsächlich waren die Perser die größten Verfechter von AlisRA Familie, für die das von Gott gewährte Recht mehr oder weniger einem heiligen Glaubensartikel entsprach. In der gesamten islamischen Geschichte blieb diese Auseinandersetzung zwischen Schiiten und Sunniten bestehen. 

Nun aber zurück zu den Umayyaden. In der Zeit von Yazid, dem Nachfolger von Muawiyah, fand 680 n. Chr. die Schlacht von Kerbela statt. Hadhrat HussainRA, der Sohn von Hadhrat AliRA , lehnte das Treuegelübde  zu einem Kalifen ab, der nicht von einer Shura (Beratungs- und Wahlgremium) gewählt wurde. Er wurde im Flachland von Kerbela gemartert. 

Unter den Umayyaden-Kalifen war Walid I. der glorreichste. Während seiner Herrschaft setzten 711 n. Chr. unter Tariq ibn Ziyad eine Handvoll Muslime nach Spanien über. In ein paar Jahren hatten sie es mit unaufhaltsamer Kraft überrannt und für die nächsten 700 Jahre war Spanien ein muslimisches Land. In dieser Zeitspanne marschierte Muhammad bin Qasim in Indien ein und eroberte Sindh und Multan.

Die Abbasiden
Die Umayyaden fielen 750 n. Chr. nieder und wurden von den Abbasiden abgelöst. Obwohl sie Sunniten waren, kamen sie mit Hilfe von Schiiten aus Chorasan an die Macht. Die Abbasiden verlegten ihren Regierungssitz von Damaskus nach Bagdad. Die glorreichste Herrschaft unter den Abbasiden war zweifellos die von Haroon al-Rashid, dem Helden des Klassikers »Tausendundeiner Nacht« und seinem Sohn Mamoon. Islamische Bildung und der Wohlstand der islamischen Länder befanden sich auf einem zuvor nie dagewesenen Höhepunkt. 

Etwa hundert Jahre nach dem Tod von Haroon begann die Macht der abbasidischen Kalifen zu schwinden. In Chorasan übernahmen die Samaniden; in Fars die Buyiden; in Mesopotamien die Hamadanis; in Afrika die Fatimiden und in Arabien die Karmaten. Alle diese Herrscher (außer den Fatimiden) akzeptierten noch nominell die Souveränität des Kalifen. Der Zerfall war jedoch dermaßen fortgeschritten und es schien, als ob der Islam politisch zum Scheitern verurteilt wäre. Das einzige erwähnenswerte Ereignis, das wir aus dieser Zeit anführen können, trat auf, als Sultan Mahmud von Ghazni zum ersten Mal die Grundlage einer dauerhaften muslimischen Herrschaft in Indien legte. 

Die Imam-Hussain-Moschee in der Stadt Kerbela im Jahre 1932. Hadhrat HussainRA, der Enkel des Heiligen ProphetenSAW, starb in dieser Stadt 680 n. Chr. als Märtyrer. 
  Mit freundlicher Genehmigung von
Eric und Edith Matson Photograph Collection

Die Seldschuken
In dieser Zeit, als das Reich des Kalifats zerfallen war und das einst unter einem einzigen muslimischen Herrscher vereinte Reich zu einer Ansammlung verstreuter Dynastien wurde, kam eine neue Bevölkerungsgruppe zum Vorschein, ein neues Volk akzeptierte den Islam und mit ihrem frischen Eifer floss neues Blut in die sterbenden Venen. Die türkischen Seldschuken akzeptierten den Islam; sie brachten eine Generation von muslimischen Kriegern hervor, denen die Kreuzfahrer mehr als alles andere ihr wiederholtes Scheitern verdankten.

Der erste Sultan der Seldschuken verstarb 1063. Ihm folgte Alp Arslan. Es war eine Epoche unvergleichlichen Wohlstands und Sicherheit. Aus ihr ging der großartige muslimische Staatsmann aller Zeiten hervor: Nizam al-Mulk. Der abbasidische Kalif regierte weiterhin über Bagdad, übergab jedoch die weltliche Macht an die seldschukischen Sultane. Das Königreich der Seldschuken erstreckte sich von Afghanistan bis hin zum anderen Ende der arabischen Halbinsel. Außer Ägypten und Spanien war die gesamte islamische Welt vereint, und nach dieser Zeit hat sie sich nie auf dieselbe Weise vereinen können.

Nach Alp Arslan folgte sein Sohn Malik Shah. Seine Ära war die Blütezeit der Bildung, Grundlagenforschung in Mathematik und den Wissenschaften. 1074 wurde das Observatorium errichtet, wo der renommierte Omar Khayyam arbeitete. Der Jalali-Kalender wurde eingeführt, der nach dem Urteil eines neuzeitlichen Gelehrten, präziser ist als der heutige gregorianische Kalender. Die Nizamia-Universität in Bagdad wurde gegründet. Dieser Universität wurde die Ehre zuteil, dass einer ihrer Lehrstühle von einem renommierten muslimischen Dialektiker Al-Ghazali eingenommen wurde. 

Gegen Ende des 12. Jahrhunderts begann die Macht der Seldschuken zu zerfallen. Trotz dieses Machtverfalls hatten sie jedoch genug Vitalität, um die Kreuzfahrer zurückzuschlagen. Der großartige Saladin aus Scotts Romanen blühte um 1170. Es ist merkwürdig, dass die Haltung gegenüber den Kreuzzügen in christlichen und islamischen Ländern völlig unterschiedlich war. Während sie im Westen als Heiliger Krieg angesehen wurden und die gesamte militärische Macht hinter ihnen stand, wurden sie in den islamischen Ländern als lokale Angelegenheiten, lokale Verwüstungen wahrgenommen, mit denen die Gouverneure der betroffenen Provinzen effektiv umgehen konnten. Im Jahre 1171 nach der entscheidenden Schlacht von Hattin, als Saladin mehrere Gefangene der Franken zum Kalifen Al-Nasir nach Bagdad sandte, enthielt die Kriegsbeute ein Kreuz aus Eisen und Bronze, worin das Holz des echten Kreuzes eingelegt war. Es wurde in der Nähe von Bagdad begraben. 

In der späteren Phase der Seldschuken-Epoche wuchs ein Geschwür in der islamischen Gesellschaft. Die Nizari-Ismailiten, auch bekannt als die Assassinen, gewannen an Stärke. Sie errungen absolute Kontrolle über einige Festungen wie die von Alamuts, aber der Schrecken, den sie mit ihren geheimen Aktivitäten verbreiteten, machte sie zu einer großen Macht im Land. 

Eine Manuskriptseite aus Al-Ghazalis Buch »Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften«. Während der seldschukischen Periode wurden große wissenschaftliche Fortschritte gemacht, besonders in der Zeit von Malik Shah. Es wurden Observatorien errichtet, der Jalali-Kalender erstellt und die Universität Jamia Nizami gegründet. 
  Mit freundlicher Genehmigung der tunesischen Staatsbibliothek. 

Die Mongolen
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts war die Macht der Seldschuken zerfallen. Eine andere Dynastie mag ihren Platz eingenommen haben, aber um 1220 ereignete sich eine der größten Eruptionen in der Weltgeschichte. Die Nomadenstämme Zentralasiens, die Mongolen, schwärmten über die ganze zivilisierte Welt (sowohl Europa als auch Asien) und wurden allesamt von Dschingis Khan und Hülegü Khan wie von einer Lawine verschüttet. Um 1260 schien es, dass die politische Macht des Islam zurecht verpufft war; Bagdad war dem Erdboden gleichgemacht worden; das Kalifat wurde ausgelöscht; die islamischen Länder, Persien, Transoxanien [umfasste das Gebiet der heutigen Staaten Usbekistan, Kirgisistan, Kasachstan und Tadschikistan] und der Irak lagen völlig verwüstet. 

Aber dann geschah wieder ein Wunder: Die Religion der Eroberten eroberte [die Herzen] der Eroberer. Ich werde hier kurz die Geschichte der Mongolen wiedergeben: Warum die Mongolen auf diese Weise aufsteigen konnten, hat keiner endgültig erforschen können: »In seiner Plötzlichkeit, Zerstörungskraft und entsetzlichen Bösartigkeit, kaltblütigen zwecklosen Grausamkeit, unwiderstehlichen, aber kurzlebigen Gewalt ähnelt der Angriff der Mongolen eher einer brutalen Katastrophe der blinden Naturkräfte als einem Phänomen der Menschheitsgeschichte.«1 

Um 1220 marschierten sie in islamische und europäische Länder ein. In Europa plünderten sie Moskau, Rostow, Kiew und Krakau. Auf ihrem zweiten Feldzug unter Hülegü in 1258 vernichteten sie Bagdad und das islamische Kalifat. Es schien so, als kämen sie nur um zu morden und zu zerstören. Alle islamischen Länder – einer nach dem anderen – zerfielen nach ihrem Ansturm. Sie waren nicht mutig genug; wenn sie die kapitulierten Einwohner einer Stadt verschonten, dann nur um entweder von ihren Fähigkeiten zu profitieren oder sie gegen ihre Landsleute einzusetzen. 

»Dutzende armselige Gefangene begleiteten die vorrückenden Heere, errichteten die Maschinen der Belagerer und wurden in die Wände vorgenommenen Brüche gedrängt, um mit ihrem Körpern Graben und Rinnen zu füllen; schließlich wurden sie, wenn sie dem Tod noch entkamen, mit dem Schwert getötet, um Platz für eine neue Gruppe von Opfern aus frischen Eroberungen zu machen. Ihre Grausamkeit war einkalkuliert und darauf ausgelegt, mit einer Lähmung des Schreckens jene als nächstes anzugreifen, die sie sich vornahmen, während sie hinter sich Ruinen und Leichenhäuser zurückließen.«2 

Um sicherzustellen, dass niemand überlebte, zogen sie sich zunächst aus der geplünderten Stadt zurück und schickten eine Militäreinheit wieder zur Ruine zurück, um dort jene Armseligen zu töten, die aus ihren Verstecken herausgekommen waren. Das Ausmaß des Schreckens lässt sich aus der Schilderung von Ibn-ul-Athir (geschrieben in 1230) entnehmen:

»Mir wurde berichtet, dass einer von ihnen einen Mann gefangen nahm. Er führte jedoch keine Waffe bei sich und befahl dem Gefangenen: ›Mit dem Kopf auf dem Boden und keine Bewegung!‹ Er gehorchte dem. Daraufhin ging der Tartar und holte sein Schwert und tötete ihn damit.«

Sie bekannte sich zu keiner Konfession. Die Verwüstung der Zentren islamischer Zivilisation begünstigte ihnen die Gunst des Papstes so sehr, dass Seine Heiligkeit erfreut war, Ögedei Khan und anderen Briefe mit seiner eigenen Unterschrift zu schreiben. Der Papst erkannte ihre Perfidie erst, als ihre Scharen die christlichen Länder mit gleicher Unbefangenheit zu verwüsten begannen.

Die Mongolen erwiesen sich als eine furchterregende Streitkraft, die einen großen Teil Europas und Asiens eroberten. Aber auch sie akzeptierten schließlich den Islam. 
© Peter Hermes Furian / Shutterstock

In der islamischen Geschichte gab es kein Ereignis mit ähnlicher Tragweite. Die Zerstörung Bagdads als Metropole des Islam und seine Reduzierung auf ein Provinzstädtchen und die Ermordung des Kalifen traf einen tödlichen Schlag auf den Anschein der Einheit, die unter den islamischen Nationen existierte. Die Plünderung Bagdads dauerte eine Woche und kostete 80.000 Menschen das Leben. Der Verlust, den die muslimische Wissenschaft erlitt und nie wieder ihr ursprüngliches Niveau erreichte, ist unbeschreiblich und sprengt die Vorstellungskraft. Nicht nur wurden Tausende von unbezahlbaren Büchern zerstört, sondern auch die Tradition der präzisen Gelehrsamkeit und die originelle Forschung wurde fast zerstört. Aber trotz allem konnten sie die Religion des Islam nicht auslöschen. Sie selbst fielen ihr zum Opfer. Um 1275 hatten die mongolischen Herrscher den Islam angenommen. Seitdem waren eben jene Mongolen die größten Verfechter des Islam.

Timur
Die politische Geschichte der nächsten 200 Jahre besteht aus der Herrschaft muslimischer mongolischer Prinzen in Persien bis etwa 1350, während osmanische Türken sich in Kleinasien etablierten. In Ägypten herrschten die Nachkommen von Saladin. Nach 1350 tauchte in Zentralasien ein neuer Eroberer auf – Timur. Er bekannte sich zum Islam, verfolgte jedoch kein anderes Ziel als die Eroberung und Herrschaft der Welt. Wie Dschingis Khan vor ihm marschierte er durch Persien, Indien, Afghanistan, Teilen Russlands und einigen Teilen von China.  Sein bemerkenswertester Sieg war 1402 über Bayezid I., dem Sultan der Türkei. Für eine Weile erwies sich der Fortschritt der Osmanen als die dominanteste Kraft im Islam, aber schlussendlich blieben seine Eroberungen kurzlebig. Seine Nachfolger herrschten fast hundert Jahre lang über Zentralasien und Persien, als sie von den Safawiden verdrängt wurden. Die mongolische Epoche, in der Timur eingeschlossen wurde, begann um 1250 und endete um 1500 n. Chr., außer in Indien, wo die Mogulherrschaft effektiv bis etwa 1750 n. Chr. andauerte.

Es wäre wohl nicht unangebracht, hier aufzuhören und eine Bestandsaufnahme der islamischen Gelehrte zu unternehmen. Wir stoßen dabei auf großartige religiöse Namen. Als erstes wäre Shah Shams Tabriz zu nennen. Sein Schüler Maulana Jalal-ud-Din Rumi schrieb um 1260 matnawī. Der Autor beschreibt seine Arbeit [in seinem Werk] matnawī als: »Die Ursprünge der Wurzeln der Religion und Entdeckung der Geheimnisse der Wiedervereinigung und sicheren Wissens.« Im 13. Jahrhundert erlebte die Sufi-Bewegung ihre Blütezeit. Sheikh Mohyuddin Ibn Arabi, der namhafteste Gelehrte im mittelalterlichen Islam, gebürtiger Andalusier, ging nach Damaskus und starb dort 1240. Im literarischen Bereich sind Hafiz-e-Shirazi und Sa’adi Shirazi gehören zu dieser Epoche, während Naseeruddin al-Tusi im 13. Jahrhundert in sein Werk mathematische und astrologische Tabellen zusammentrug. Im Bereich der Historik wurden einige der großartigsten Bücher in dieser Zeit geschrieben. Ibnul-Athir, Ibn Arabshah sind einige der großartigen Historiker. Shah Nimatullah, geboren in 1330, schrieb in Aleppo seine berühmte Voraussage über die Ankunft des Verheißenen Messias und seinem Verheißenen Sohn. 

Das Bild zeigt den Herrscher Timur als Sieger über Mamluk, dem Sultan von Ägypten. Er machte umfangreiche Eroberungen, die jedoch nicht länger als ein Jahrhundert hielten. 

Die Periode der nationalen Dynastien
Um 1500 n. Chr. beginnt die vierte Periode unserer Geschichte. 
Im Jahr 1500 gelangten die Safawiden – eine schiitische Dynastie – an die Macht in Persien. Persien war während seiner gesamten Geschichte schiitisch gewesen, aber es war das erste Mal, dass eine schiitische Dynastie an die Macht kam. Dies hat den Verlauf der zukünftigen Geschichte tiefgreifend beeinflusst. Die islamische Welt war sozusagen in zwei antagonistische Lager geteilt: 
– das schiitische Persien, Teile Afghanistans und des Irak 
– das Osmanische Reich der Türken, bestehend aus der Türkei, Teilen des Irak, Arabien, Syrien, Ägypten und Algier. Spanien gehörte nicht mehr zur muslimischen Einflusssphäre. In Indien herrschten die Nachkommen von Timur – der Großmoguln.

Von 1500 bis 1700 n. Chr. erleben wir große Königreiche – das Reich der Großmoguln Akbar, Jahangir, Shah Jahan und Aurangzeb in Indien; das der Safawiden Shah Ismail, Tahmasp und Shah Abbas in Persien sowie das Osmanische Reich unter Mohammad I., Selim I. und Sulaiman der Prächtige. In der Zeit der Großmoguln war die größte Weltmacht. Für Persien war dies das goldene Zeitalter des Wohlstands und Wohlergehens. Die Türken regierten das größte Reich, das sie jemals hatten. 

Unter den türkischen Sultanen eroberte Selim I. Ägypten, Syrien und Hedschas, Teile des heutigen Saudi-Arabien, und nahm den Titel »Kalif« an. Sulaiman der Prächtige, der von 1510-1566 herrschte, eroberte Belgrad und Teile Polens. Wien wurde von der türkischen Armee belagert. Zudem besaß die türkische Armee die stärkste Flotte der Welt. Das türkische Reich erstreckte sich vom Grenzgebiet Deutschland bis zur persischen Grenze. Obwohl der Zentralismus des Islam in dieser Zeit verschwunden war, stand die islamische Welt politisch auf ihrem Höhepunkt. Osteuropa lag dem Türkischen Reich zu Füßen. Ein zeitgenössischer europäischer Historiker hielt fest: »Außer einem Krieg gegen Persien gibt es nichts, was den Türken davon abhalten könnte, uns in Europa zu vernichten.« 

Der Taj Mahal, den der Mogulherrscher Shah Jahan als Mausoleum für seine Frau erbaute, symbolisiert den Wohlstand und die Macht der Mogulherrscher im 16. und 17. Jahrhundert. 
  © User Asitjain | Wikimedia Commons | Released under CC BY-SA 3.0ed Panorama

Nach 1700 n. Chr.
Die türkische Macht in Europa blieb bis 1800 bestehen. Aber das Mogulreich in Indien begann zu zerfallen und wurde im Laufe der nächsten zwei Jahrhunderte allmählich von der britischen Vorherrschaft abgelöst. Die Safawiden in Persien verloren ihren Einfluss und im Jahr 1727 wurde Persien von den Afghanen erobert. Die Afghanen waren Sunniten und verabscheuten die schiitischen Perser bitter. Dies war das erste Mal nach Sultan Mahmud (um 1000 n. Chr.), dass die Afghanen sich als eine unabhängige Einheit behaupteten. Sie wurden jedoch kurz danach schon von Nadir Shah aus Persien vertrieben, der sich von den bescheidenen Anfängen erhob, schließlich alle Macht ergriff und über ganz Persien herrschte. Seine Eroberungen waren genauso bemerkenswert wie die von Timur oder Napoleon. 

Abschließend zur Geschichte Persiens: Nadir Shahs Familie wurde bald abgesetzt und die Kadscharen nahmen ihren Platz ein. Sie herrschten über Persien bis zur Revolution von 1906, als sich die Perser eine Verfassung gaben. Den Kadscharen folgte 1925 Reza Shah Pahlavi. Während des letzten Kriegs dankte Reza Shah zugunsten seines Sohnes ab, dem gegenwärtigen Shah. 

Was die türkische Geschichte anbelangt, so tritt nach 1700 mit dem Krieg gegen Russland ein großer Wendepunkt ein.  Zunächst waren die Türken erfolgreich und 1710 wurde die Armee von Peter dem Großen von totaler Zerstörung bedroht. Doch um 1770 begann der Stern der Türken zu sinken. Der Krim gelang 1788 ihre Unabhängigkeit von der Türkei. Als Napoleon 1798 in Ägypten einmarschierte, brach Frankreich, konventioneller Verbündeter der Türkei, mit seiner traditionellen Rolle. 

Das von Muhammad Ali geführte Ägypten verließ daraufhin die türkische Sphäre und wurde für einige Zeit unabhängig. Etwa zur selben Zeit wurde Algier von den Franzosen eingenommen. 

Mithilfe europäischer Mächte gelang den Griechen um 1820 die Unabhängigkeit von den Türken. Das türkische Kalifat verlor immer mehr an Boden, bis die »Jungtürken« 1910 die Macht aus der Hand des Kalifen ergriffen. Die Türkei schloss sich im Ersten Weltkrieg der falschen Seite an und verlor all ihre europäischen und asiatischen Besitztümer. Die arabischen Länder, so wie sie heute existieren, sind nach dem ersten Weltkrieg hervorgekommen. Die Türkei hat unter Kemal Atatürk eine politische Verjüngung erlebt und zählt heute zu den fortschrittlichsten islamischen Ländern. 

Bevor ich abschließe, werde ich alle unabhängigen islamischen Länder nacheinander aufgreifen und ihre Geschichte zusammenfassen – jede von ihrem nationalen Standpunkt ausgehend, beginnend im äußersten Osten.

Das Osmanische Reich herrschte über einen Großteil der islamischen Welt, löste sich jedoch in den 1920er-Jahren auf. 
© Peter Hermes Furian / Shutterstock

Unabhängige islamische Länder
Indonesien: Schon sehr früh begann der Islam sich durch die aktive Verkündigung arabischer Händler in Java und Sumatra bekannt zu machen. Allerdings wurde erst im 13. und 14. Jahrhundert seine politische Macht bedeutend. Die arabische Schrift ersetzte Kavi (Altjavanisch). Unter den verschiedenen Fürstentümern, die von muslimischen Fürsten regiert wurden, sollte hier das Sultanat von Aceh in Sumatra erwähnt werden, und nicht nur wegen seiner Herrlichkeit im 16. Jahrhundert, sondern auch wegen des Widerstands, den es den Holländern erst im 19. Jahrhundert bot. Indonesien erlangte seine Unabhängigkeit von den Holländern und ist nun das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt.

Pakistan: Muslime kamen im 8. Jahrhundert nach Indien. Die muslimische Vorherrschaft etablierte sich jedoch im 12. Jahrhundert. Für 300 Jahre wurde Indien von verschiedenen afghanischen Dynastien beherrscht. Sie wurden 1526 von den Moguln ersetzt. Nach 200 Jahren ging die Mogulherrschaft zu Ende, als die Engländer [die Herrschaft] übernahmen. Pakistan – der Ausdruck des indischen Islam für die Freiheit – wurde im August 1947 gegründet. 

Afghanistan: Afghanistan war ein Teil des Reichs der Umayyaden und der Abbasiden. Als die Ghaznawiden-Dynastie dort herrschte, hatte es um etwa 1000 n. Chr. das erste Mal eine getrennte Existenz. Danach teilte Afghanistan das Schicksal Persiens in seiner wechselvollen Geschichte. Es war nicht mehr als eine Provinz, manchmal des islamischen indischen Reichs, manchmal des persischen Reichs. 
1725 erhoben sich die Afghanen jedoch wieder und erlangten einen unabhängigen Status. Im 19. Jahrhundert stießen sie mit Großbritannien zusammen. Seitdem existiert Afghanistan jedoch als eine unabhängige Staatsgewalt. 

Persien: Persien war ein Teil des Reichs der Umayyaden und Abbasiden. Im 11. und 12. Jahrhundert fiel es unter der Herrschaft der Seldschuken. Für die nächsten hundert Jahre herrschten mongolische Fürsten darüber. Von 1350 bis 1500 herrschten Timur und seine Nachkommenschaft, während von 1500 bis 1700 die Safawiden die Herrschaft übernahmen. Danach etablierte sich die Kadschar-Dynastie. Die Verfassung, der Ausdruck der persischen Demokratie, wurde 1907 eingeführt, unter der der jetzige Shah das Land regiert.

Zentralasien: Das Gebiet, das aus Transoxanien und Generalgouvernement Turkestan bestand, bildete bis ins 18. Jahrhundert einen Teil Persiens. In den nächsten 100 Jahren eroberte Russland nach und nach Buchara, Taschkent und Samarkand. Nun ist man zurückhaltend, diese unter den Sowjets als islamische Länder zu bezeichnen, weil sie wenig Kontakt mit dem Rest der islamischen Welt haben.

Die arabischen Länder: Irak, Syrien (Palästina eingeschlossen, das in der gesamten islamischen Geschichte ein Teil von Syrien war) und Saudi-Arabien teilten bis 1500 n. Chr. das Schicksal von Persien. Danach zählten sie zum Osmanischen Reich. Mit der Unterstützung der Briten gewannen sie während des Ersten Weltkriegs ihre Unabhängigkeit. Aber die Briten brachen nach dem Krieg ihr Versprechen und gaben Syrien den Franzosen ab und behielten Irak und Transjordanien bei sich. 
Erst nach dem Krieg3 haben Syrien, der Irak und Transjordanien ihre Unabhängigkeit erlangt. 

Die Türkei: Der Islam gelang zuerst durch die Abbasiden in die Türkei. Die Osmanen migrierten um 1288 dorthin. Konstantinopel wurde 1453 von Mohammed I. eingenommen. Die Türkei entwickelte sich zu einer Großmacht. Im 19. begann ihr Stern jedoch zu sinken. Im Ersten Weltkrieg kostete der Türkei die Allianz mit Deutschland ihre kompletten Besitztümer in Europa, Asien und Afrika.

Ägypten: Ägypten wurde bis 750 von den Umayyaden beherrscht, dann bis 1170 von den Fatimiden, anschließend bis etwa 1500 von den Mamluken, als Selim I. Ägypten eroberte und es in das Türkische Reich eingliederte. Im 19. Jahrhundert erlangte es die Unabhängigkeit, verlor diese aber wieder an die Briten. Der darauffolgende Aufstieg Ägyptens in den Angelegenheiten des Nahen Osten und sein Ringen gegen Großbritannien ist alles jüngste Geschichte. Nun zeichnet sich Ägypten als die wichtigste Macht im Nahen Osten aus. 

Dies schließt unsere Untersuchung der Karte der islamischen Welt ab.
Es gibt ein herrliches Ereignis in der Geschichte des Islams, das ich für den Schluss aufgehoben habe. 
Ich habe bereits erwähnt, dass sich die religiöse Vitalität des Islam zum Tiefpunkt der islamischen politischen Macht immer wieder zeigte. Die politische Macht des Islam erreichte gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihren Tiefpunkt und um diese Zeit stieg Ahmadiyyat empor. Hadhrat AhmadAS, der Verheißene Messias und Mahdi, erschien 1889 in Qadian und durch ihn wird sich der Islam spirituell und politisch erneuern. 

Referenzen:
1. E.G. Brown, A Literary History of Persia (1906), 427. Übersetzt und zitiert aus D’Ohsson’s Histoire des Mongols, Bd. I, S. 387.
2. Brown, S. 434.
3. Der Zweite Weltkrieg [Redaktion]

Kommentar hinzufügen

Klicken Sie hier, um einen Kommentar zu posten

Aktuelle Freitagsansprache

Multimedia

Neueste Kommentare

  1. Sehr interessant! Schreiben Sie auch etwas über die Prügelstrafe in der Kindererziehung entsprechend der Islamischen Religion? Gewalt gegen Kinder dürfte…

  2. Mögen die Menschen aus der Geschichte endlich lernen, die Politiker ihre Verantwortung ernst nehmen und das Leben, das höchste Gut…

  3. Dieser Artikel müssten sich alle Politiker bei uns durchlesen und einmal durch das Herz gehen lassen bevor sie andere mit…

Archiv