von Samina Tabassum
In der Vorweihnachtszeit 2020 verkaufte der gemeinnützige Verein „Tor zum Leben – Lifegate Rehabilation“1, unter anderem von palästinensischen Kindern und Jugendlichen angefertigte Holzarbeiten. Der Erlös sollte die Menschen mit Behinderung in Beit Yala, einer mehrheitlich von Christen bewohnten Stadt in Palästina unterstützen. Die Kinder und Jugendlichen hatten Sterne, Tannenbäume und andere Figuren aus dem einheimischen Holz von Olivenbäumen geschnitzt, die besonders zum Weihnachtsfest passten. Ich habe mich damals für zwei sehr schöne Kamelfiguren entschieden, weil mich die feine Arbeit der kleinen „Künstler“ beeindruckte. Die beiden Dekorationsstücke erinnern mich an die Menschen im Nahost und ich frage mich ganz besonders heute, wie es ihnen geht. Denn nach dem Angriff der Hamas und den Bombardierungen der israelischen Armee liegt nicht nur Gaza zu einem großen Teil in Schutt und Asche. Auch das Westjordanland ist von Repressalien durch israelische Soldaten und durch jüdische Siedler betroffen.
In Chrismon, einem Magazin der Evangelischen Kirche wurde vor Kurzem ein Interview veröffentlicht, das ein anderes Bild von Israel zeichnet, das ich bislang kaum kannte. Issa, ein christlicher Palästinenser und Ökobauer aus einem Dorf in der Nähe von Ramallah, der eigentlich anders heißt, aber aufgrund der Bedrohung anonym bleiben möchte, berichtet von Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, von Verhaftungen und von Toten. Die Gewalt der israelischen Armee und damit die Wut der palästinensischen Einheimischen auf sie wächst immer weiter.
Als er von der Interviewerin gefragt wird, ob er auch wütend auf die Hamas ist, antwortet er:
„Diese Frage finde ich problematisch. Sie testet meine Moral und Menschlichkeit. Ich wüsste nicht, womit die westlichen Länder oder Institutionen das Privileg verdient hätten, meine Moral und Menschlichkeit zu testen. Die westlichen Länder haben so gut wie nichts für den palästinensischen Freiheitskampf erreicht, aber stattdessen das israelische Militär und über Umwege selbst die illegalen Siedler verteidigt, finanziert, unterstützt und bewaffnet, die mein Volk töten, inhaftieren und foltern, und das schon seit Jahrzehnten. Bevor ich also diese Frage beantworte, möchte ich zunächst wissen: Ist Deutschland wütend auf Israel?“2
Ökobauer Issa hofft auf keine Regierung, aber er vertraut auf die „internationale Gemeinschaft der Menschen“, die zu einem Ende des Krieges, der Besatzung und der sozialen Ungleichheit beitragen kann. Und er stellt weitere Fragen, die zum Innehalten und zum Besinnen auf die Menschlichkeit auffordern:
„Haben unsere christlichen Brüder und Schwestern in Europa vergessen, woher die christlichen Werte und Ideen stammen? Aus diesem Teil der Welt! Haben sie ihre christlichen Brüder und Schwestern, die hier leben, vergessen? Stattdessen haben sie sich hinter ein Land gestellt, das gegen viele unserer christlichen Werte arbeitet und so viel getan hat, um uns aus unserem Land, dem Land Jesu, zu vertreiben. Dieser Ort – dieses Land gehört genauso zu uns, wie wir als Christen – als Palästinenser zu ihm gehören.“3
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Quelle 1:
https://www.lifegate-reha.org/wp-content/uploads/2020/12/20201116_sz_009.pdf
Quelle 2,3:
https://chrismon.de/artikel/55091/krieg-israel-und-gaza-bericht-aus-dem-westjordanland
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