Da der Islam durch das System der Pardah (die Trennung von Geschlechtern in der Öffentlichkeit durch Schleier etc.) weniger Möglichkeiten bietet, dass junge Männer und junge Frauen sich kennenlernen, ist es für manchen westlichen Beobachter ein großes Rätsel, wie sich im Islam Partnerschaften ergeben. In der Tat gibt es im Islam die sogenannte ‘Liebesheirat’ selten. Natürlich kommt es vor, dass innerhalb der näheren oder entfernteren Verwandtschaft junge Leute einander begegnen, die sich ineinander verlieben und dann heiraten. Der Qur’an legt fest, innerhalb welcher Verwandtschaftsgrade eine Heirat erlaubt bzw. verboten ist:
“Und heiratet nicht solche Frauen, die eure Väter geheiratet hatten, außer das sei bereits geschehen (d.h. vor diesem Verbot). Es war schändlich, zornerregend -, ein übler Brauch! Verboten sind euch eure Mütter und eure Töchter und eure Schwestern, eures Vaters Schwestern und eurer Mütter Schwestern, die Bruderstöchter und die Schwestertöchter, eure Milchmütter, die euch gesäugt, und eure Milchschwestern, und die Mütter eurer Frauen und eure Stieftöchter – die in eurem Schutz sind – von euren Frauen, denen ihr schon beigewohnt, doch wenn ihr ihnen noch nicht beigewohnt habt, dann soll’s euch keine Sünde sein. Ferner die Frauen eurer Söhne, die von euren Lenden sind; auch dass ihr zwei Schwestern gleichzeitig habt, außer das sei bereits geschehen; wahrlich, Allah ist allverzeihend, barmherzig. Und (verboten sind euch) verheiratete Frauen, ausgenommen solche, die eure Rechte besitzt. Eine Verordnung Allahs für euch. Und erlaubt sind euch alle anderen, dass ihr sie sucht mit den Mitteln eures Vermögens, nur in richtiger Ehe und nicht in Unzucht. Und für die Freuden, die ihr von ihnen empfangt, gebt ihnen eine Morgengabe, wie festgesetzt, und es soll keine Sünde für euch liegen in irgend etwas, worüber ihr euch gegenseitig einigt nach der Festsetzung (der Morgengabe). Wahrlich, Allah ist allwissend, allweise.” (Hl. Qur’an 4:23-25)
In der Regel aber werden im Islam Heiraten arrangiert. Im heiratsfähigen Alter beginnen die Familien sich im Verwandtenkreis, bei Freunden, innerhalb der Gemeinde etc. nach Kandidat/innen umzusehen. Es werden Gespräche geführt, inwieweit der Partner von seiner Religiosität, seinem Wissensstand, seiner Bildung und von seiner sozialen Stellung etc. her zu einer Partnerin passt und umgekehrt. In den einzelnen Gemeinden gibt es des Öfteren Heiratsbüros, an die sich die Suchenden wenden. Meint man, eine passende Person gefunden zu haben, werden zwischen den Parteien Fotos ausgetauscht und/oder Treffen arrangiert, wo die Partner sich sehen können.
Das eigentliche Suchen aber sollte durch Gebete stattfinden. Der Prophet Muhammad hat den Muslimen ein spezielles Gebet anvertraut, das sogenannte Istikhara-Gebet, das oft über einen Zeitraum von Wochen ziemlich unermüdlich gebetet wird, vor allem nachts. Zum Istikhara werden nicht nur die möglichen zukünftigen Eheleute aufgerufen, sondern auch die engsten Verwandten und als fromm geltende Freunde etc. Erhofft wird durch das Istikhara, dass Allah etwa durch einen Traum oder auch eine günstige Fügung der Umstände ein Zeichen gibt, ob die Ausgewählten auch wirklich zusammenpassen.
Für westliche Ohren mag es seltsam klingen, dass man sich in Fragen einer geplanten Ehe nicht auf die eigene Vorstellung und die eigenen Gefühle verlässt, sondern ein Zeichen des Himmels sucht. Unter frommen Muslimen ist die Praxis des Istikhara aber in der Tat üblich, und sie zeitigt Erfolge.
Ist man in den beiden Familien schließlich übereingekommen, eine Ehe zu arrangieren – was nicht ohne die ausdrückliche Zustimmung von Braut und Bräutigam geht, so zumindest hatte es der Prophet gelehrt – wird die Nikah anberaumt, die Eheschließung in der Moschee, bei der seitens der beiden Familien öffentlich die Zustimmung zur Heirat erklärt werden muss. Nach einer Predigt durch den Imam findet dann die sogenannte Rukhstana statt, die Heimführung der Braut durch den Bräutigam.
Oft aber vergehen zwischen der Nikah und der Rukhstana viele Monate oder sogar Jahre. Bei der Nikah muß der Bräutigam zudem öffentlich erklären, welche Höhe die Mahr (Morgengabe) beträgt. Dieser Betrag – eine Summe Geld, die beispielsweise auf etwa 6 Monatsgehälter des Bräutigams festgelegt sein kann – muss der Ehefrau ausbezahlt werden und steht ihr zur freien Verfügung.
Diese Sitte ist durch den Qur’an eingerichtet worden, um der Ehefrau, die ja innerhalb der Ehe nicht mehr die Möglichkeit genießt, wie als Alleinstehende Geld zu verdienen, eine finanzielle Unabhängigkeit zu garantieren. Natürlich kann eine Ehefrau auch arbeiten gehen, aber in der Regel wird sie sich vorrangig zunächst um ihre Kinder kümmern. Sie kann mit ihrer Morgengabe tun und lassen, was sie will; Geschäfte führen, es anlegen, es für private Dinge ausgeben etc. Dem Ehemann obliegt es, die Familie zu ernähren. Selbst wenn die Ehefrau auch arbeiten geht, ist sie seitens des islamischen Rechts nicht verpflichtet, etwas von ihrem Vermögen an die Familie abzugeben. Aus dieser Regel erklärt sich, dass die Erbschaftsgesetze des Islams, wie sie der Heilige Qur’an festlegt, den männlichen Erben mehr zugestehen als den weiblichen. Diese vermeintliche Ungerechtigkeit ist, im Lichte der Tatsache besehen, dass der Ehemann für seine Familie aufkommen muss, die Frau hingegen keine derartige Verpflichtung hat, als ausgleichende Maßnahme verständlich.
Vorlage: Hadayatullah Hübsch, Islam-99, Nienburg 1998 (modifiziert von Die Revue der Religionen)
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