hier zu Teil 1/7
von Chaudhry Masroor Ahmad, Frankfurt/Main
Sie haben eine erfolgversprechende Geschäftsidee und begeistern sich für den Inhalt Ihrer Arbeit auf eine Weise, die über die Möglichkeiten eines Angestelltenverhältnisses hinausgeht? Die freie Arbeitszeiteinteilung und der Wunsch, seine eigenen Ideen und Vorstellungen selbständig umsetzen zu können, sind nur einige der vielen Gründe, weshalb Geschäftsleute ein eigenes Unternehmen gründen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft und verleihen der nationalen Wirtschaft als innovative Leistungsträger wichtige Impulse.
Die Ahmadiyya Muslim Jamaat steht dem Unternehmertum traditionell sehr wohlwollend gegenüber, insbesondere im Hinblick auf die Geschichte Indiens und Pakistans, die vom Kolonialismus geprägt war:
»Die Inder verbringen beispielsweise seit geraumer Zeit ein Leben in Knechtschaft. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass ein solch sklavenähnliches Leben sehr schmerzhafte und unglückliche Konsequenzen nach sich zieht. […] Der Kampf eines beherrschten und versklavten Volkes jedoch besteht nur darin, für andere zu arbeiten und sein Brot zu erwerben oder in die Schule zu gehen und zu lernen. […] Genauso verwechselt ein besetztes und versklavtes Volk seine Faulheit mit Gemütlichkeit und Harmonie und in einem solchen Volk gilt der Mangel an Begeisterung und Leidenschaft als Ruhe und Zufriedenheit.«29
Der Aufbau und Betrieb einer eigenen Geschäftstätigkeit wirkt diesen kulturellen Einflüssen entgegen und stärkt erwiesenermaßen die eigene Leistungsbereitschaft und das Durchhaltevermögen. Gott sei Dank leben wir in einem ökonomischen Umfeld, in dem die Start-up-Kultur hoch angesehen ist und der Staat junge Gründer mit vielfältigen Fördermitteln (z.B. Gründungszuschuss) unterstützt. Der Zugang zu Fremdkapital ist deutlich einfacher als noch vor wenigen Jahren; und die Verdienstmöglichkeiten übersteigen bei Weitem das Einkommen eines Angestellten.
»Sie sollen nicht danach schauen, dass sie durch diese und jene Ausbildung in diesem und jenem Institut eine Anstellung erhalten werden. Eigentlich sollten sie nicht einmal daran denken, dass sie irgendeine Anstellung erhalten werden, denn wir sehen, dass in jedem hoch zivilisierten Land die Selbstständigen im Vergleich zu anderen Angestellten wohlhabender waren. Der geringste Teil der Bevölkerung besteht aus Selbstständigen, der Großteil besteht aus anderen Angestellten. […] Angestellte werden vom Reichtum der Nation versorgt. Wenn ihr Handel betreibt, in der Industrie tätig seid, euch auf Erfindungen stürzt; dann erst versorgt ihr eine Nation. Und es ist klar, dass der Versorger um Längen besser als der Versorgte ist.«30
Als Unternehmer versorgt man nicht nur sich selbst, sondern trägt auch zum Einkommenserwerb seiner Bediensteten bei. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass der Islam in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis beide, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in die Pflicht nimmt:
Hadhrat Ibn-e Umar (RA) überlieferte, dass der Heilige Prophet (SAW) sagte:
„Bezahle dem Arbeiter den Lohn seiner Leistung, ehe sein Schweiß getrocknet ist.“ 31
Der Chef muss gerecht entlohnen, und zwar zeitnah. Der Arbeiter wiederum soll derart engagiert arbeiten, dass er im übertragenen Sinne dabei „schwitzt“. Die Grundlage der islamischen Arbeitsethik bilden dabei stets die moralischen Werte der Wahrhaftigkeit und Fairness. Ehrlichen Händlern wird gar der Rang von Märtyrern zugesprochen. Hadhrat Abdullah bin Umar (RA) berichtete, dass der Heilige Prophet (SAW) sagte:
„Ein fairer und ehrlicher muslimischer Händler wird am Tage des Jüngsten Gerichts zu den Märtyrern zählen.“32
Unter dem Lichte dieser Überlieferung müssen sich neben den Selbständigen auch Angestellte und Arbeitslose gleichermaßen die Fragen stellen, wie genau sie es denn mit der Wahrheit nehmen. Geben sie bei der Einkommens- oder Gewerbesteuererklärung ihre Einnahmen pflicht- und wahrheitsgemäß an? Wenn sie Empfänger staatlicher Unterstützung sind, haben sie alle Nebeneinkünfte gewissenhaft deklariert? Es existieren tatsächlich unendlich viele Möglichkeiten, unseren märtyrerhaften Stand für einen erbärmlichen weltlichen Vorteil zu verspielen.
Fazit
Der weltliche Beruf und der persönliche Beitrag für den Fortschritt der Gesellschaft haben eine enge Beziehung zur Religion des Islam. Die Ahmadiyya Muslim Jamaat profitiert von den Erfahrungen der Berufstätigen bei der ehrenamtlichen Tätigkeit, da sie neue Impulse von außen erhält. Außerdem ist einem ehrlichen und erfolgreichen Arbeiter oder Unternehmer nicht nur das Wohlgefallen Gottes sicher, sondern auch die Anerkennung der anderen Menschen. Ahmadi Muslime als Repräsentanten des Islam erhalten damit eine zusätzliche Möglichkeit, die Schönheit dieser Lehren in die Welt zu tragen.
_______________________
29 Fackel für den Weg, Seite 72
30 Fackel für den Weg, Seite 723
31 Sunan Ibn Māǧa
32 Sunan Ibn Māǧa
Kommentar hinzufügen