Weltreligionen

Die Notwendigkeit der Religion – Teil 1/2

Am 5. März 1921 hatten einige Studenten in Lahore eine Audienz bei Seiner Heiligkeit Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA, dem zweiten weltweiten Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat. In der Sitzung sagten sie Folgendes:

»Es gibt keine Notwendigkeit für eine Religion und sie dient auch keinem Zweck. Wenn Menschen aus gewissen Vorteilen heraus sie annehmen, dann ist das nicht schlecht.«

Seine Heiligkeit Hadhrat Mirza Bashiruddin Mahmud AhmadRA gab darauf die folgende Antwort:

»Es gibt zwei Arten von Notwendigkeiten; erstens, eine bestimmte Sache bringt einem persönliche Vorteile. Man geht davon aus, dass durch ihre Annahme Vorteile zu erzielen sind. Bei der zweiten Art von Notwendigkeit zieht der Mensch keinen persönlichen Gewinn in Betracht, sondern der Sache wohnt eine Qualität inne. Ein Beispiel dafür ist die Beziehung, die man zu seinen Eltern hat. Sobald man das Erwachsenenalter erreicht hat, dient man seinen Eltern ohne die Erwartung einer Gegenleistung. Was man von ihnen nehmen wollte, hat man ja bereits in Anspruch genommen. Zu diesem Zeitpunkt im Leben dient man ihnen nicht mehr zum persönlichen Vorteil. Im Gegenteil, man dient ihnen nur deshalb, weil sie die Eltern sind und bei manchen Dingen geschieht das aus moralischer Verpflichtung heraus.

Nun lassen Sie uns zur Religion übergehen und zunächst herausfinden, welchen Nutzen wir von der Religion haben. Und zweitens, empfinden wir eine persönliche Anziehung zu ihr? Wenn wir darüber nachdenken, stellen wir fest, dass beide Aspekte in der Religion zu finden sind, da sie Vorteile für uns enthält, die wir zurzeit benötigen, aber auch alles, was wir in Zukunft benötigen werden. Zweitens enthält sie eine solche Anziehungskraft und Vorteile für den Menschen auf persönlicher Ebene, dass man sich zur Religion hingezogen fühlt.

Wie kann die Menschheit inmitten des zunehmenden Materialismus den wahren Sinn und Nutzen der Religion wirklich erkennen?
Lightspring | Shutterstock

Der Grund für die Vernachlässigung der Religion

Meiner Meinung nach ist der Grund für die Vernachlässigung der Religion der, dass man über die Religion mit begrenztem Verständnis nachdenkt. Menschen tun das, wo sie offensichtlich das Potenzial sehen, Vermögen zu erwerben. Dies ist jedoch bei der Religion nicht der Fall. Auch wenn sie daran glauben, dann haben sie sie von ihren Eltern übernommen. Dann kommt es auch vor, dass sie häufig große finanzielle Opfer für die Religion erbringen müssen. Da die Einstellung der Menschen in dieser Zeit stark zum Materialismus tendiert, sind sie der Religion abgeneigt. Dies beweist jedoch nicht, dass die Religion keinen Nutzen hat. Vielmehr ist es eine Tatsache, dass die Religion nicht wirklich praktiziert wird, oder wenn sie ausgeübt wird, dann auf eine falsche Weise. Wenn man also nicht einmal die Religion praktiziert und sie durch seine eigene Unwissenheit und Naivität vernachlässigt, welchen Nutzen kann sie dann bringen? Wenn der Vorteil einer Sache erwiesen ist, wäre es vernünftig, sie unbedingt zu praktizieren. Schaut, es gibt viele Dinge, deren Anwendung die Menschen aufgegeben haben. Als die Wissenschaft jedoch ihren Nutzen bewies, wurden sie wieder anerkannt. Zum Beispiel finden wir in der Medizin, dass Flohsamenschalen von griechischen Ärzten seit Jahrhunderten verschrieben wurden, da sie sich bei der Behandlung von Durchfall bewährt haben. Andere Ärzte lehnten diesen Nutzen jedoch ab. Später, als sie vom Nutzen der Flohsamenschalen erfuhren, haben sie die Anwendung wieder aufgenommen.

Wenn Menschen einen Glauben befolgen, aber die Folgen ihrer Taten unfruchtbar sind, dann ist ihre Methode fehlerhaft. Wenn sie dann ihren Glauben aufgeben, kann man über sie sagen, dass sie ihn zumindest nach einem Versuch aufgegeben haben. Solche Menschen verdienen jedoch keinen Respekt, die ihre Religion als Irrtum betrachten, sie aber nicht ohne Weiteres ablehnen können. Wenn man sich umschaut, so wird man viele solcher Menschen unter den Anhängern der Religionen finden.

Auf die Art und Weise der Anwendung kommt es an

Man sollte analysieren, ob die Art und Weise, wie etwas angewandt wird, richtig oder falsch ist. Wenn man trotz richtiger Anwendung ein negatives Ergebnis erzielt, dann ist das Angewandte fehlerhaft. Wenn jedoch durch die falsche Anwendung ein negatives Ergebnis erzielt wird, dann ist das Angewandte an sich nicht unbedingt fehlerhaft. Zum Beispiel ist das Medikament Chinin bei der Behandlung von Malaria-Fieber von Vorteil; wenn es jedoch jemand einer Person verabreicht, die an Fleckfieber leidet, und dann die Vorteile von Chinin leugnet, dann würde diese Person falsch liegen. Wir sehen, dass in unserem Land [dem indischen Subkontinent] viele Dinge als nutzlos erachtet weggeschmissen werden, aber die Europäer haben von denselben Dingen Nutzen gezogen. In Indien gibt es zum Beispiel Bambuswälder, von denen viele verfallen. Die Europäer haben jedoch aus Bambus Papier hergestellt und durch diese hervorragende Anwendung einen Nutzen gezogen.

Die Ordnungsstruktur des Universums erfordert einen Schöpfer

Nun denken wir über den Zustand des Menschen nach, ob er denn nicht den Bläschen im Meer gleicht, die zwar unterschiedliche Formen haben, aber sofort vergehen. Abgesehen davon gibt es andere Welten. Über andere Planeten gibt es keine eindeutigen Beweise, aber beim Mars geht man davon aus, dass es dort Leben geben könnte. Wenn wir über den Menschen nachdenken, so stellen wir fest, dass dieser nicht ohne Grund erschaffen wurde. Dann sind die ihm zur Verfügung stehenden Mittel am besten geeignet und perfekt. Erst kürzlich sagte ein amerikanischer Astronom voraus, dass ein Komet mit der Erde kollidieren würde, wodurch sie in Bruchstücke zerfallen würde. Vor diesem Hintergrund begingen viele Menschen in Europa Selbstmord. Andere waren der Auffassung, dass es nicht zu einer Kollision kommen werde, aber bestimmte Gase entstehen würden, wodurch es zur Erstickung kommen würde. Doch der (lang ersehnte) Tag kam und verging. Es stellte sich heraus, dass es sich um so kleine Teile handelte, die überhaupt keine Auswirkung auf die Erde hatten. Bei anderen Himmelsobjekten geht man auch davon aus, dass wenn sie sich der Erde nähern, sie sofort ihre Flugbahn ändern. Diese Veränderungen deuten darauf hin, dass es sich hierbei nicht um reine Zufälle handelt, sondern dass es ein Wesen gibt, das willentlich diese Veränderungen herbeiführt. Wenn man zum Beispiel einen Ziegel auf dem Boden liegen sieht, kann man davon ausgehen, dass er von selbst oder durch den Wind gefallen ist; bei einem Gebäude würde man jedoch nicht annehmen, dass es von selbst entstanden ist. Oder wenn irgendwo Tinte ausläuft, dann ist es möglich, dass daraus die Form eines menschlichen Auges entsteht, aber es ist unmöglich, dass ausgelaufene Tinte sich in ein vollständiges Bild eines Menschen verwandelt, komplett mit Augen, Nase und Gesicht, und dass daraus auch die menschlichen Ausdrücke der Trauer und Freude hervorgehen. Ein derartiges Porträt eines Menschen würde darauf hindeuten, dass es das Werk eines erfahrenen Malers sein muss.

Nun schaut, das Auge wurde erschaffen und dafür wurde die Sonne Hunderttausende Kilometer entfernt geschaffen. Genauso wurde der Magen erschaffen und für die Verdauung wurden auch Nahrungsmittel erschaffen. All diese Vorkehrungen weisen darauf hin, dass das Universum von einem Wesen reguliert wird, das nach Seinem Willen handelt und dass es kein Zufall ist. Die Beschaffenheit der Welt deutet darauf hin, dass sie einen Schöpfer hat, der mit der Schöpfung etwas bezweckt. Es kann nicht sein, dass er nach dem Erschaffen alles sich selbst überlassen hat. Zufall bedeutet, dass etwas ohne Ordnung und Struktur ist, aber etwas mit Ordnung und Struktur kann nicht als Zufall bezeichnet werden.

Wie kann man das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Religion schaffen?

Folglich hat das menschliche Leben einen Sinn und die Religion ist für den Menschen von Nutzen. Den Nutzen von vielen Dingen nimmt man nicht wahr. So konnten wir beispielsweise vor der Erfindung des Zuges seinen Nutzen nicht erkennen. Nachdem nun Züge erfunden sind, kritisiert man Länder, die keine Eisenbahn haben, weil diese ein Grundbedürfnis sei. Genauso, als es die Post so nicht gab, hat man ihre Notwendigkeit auch nicht erkannt. Doch seit sie eingeführt wurde, beschwert man sich dort, wo es sie nicht gibt. Nach dem gleichen Prinzip: solange man Gott nicht erfährt, kann man Seine Notwendigkeit nicht spüren. Wenn man Ihn jedoch erfährt, dann kann man Ihn nicht mehr leugnen. Genauso kann der Mensch sein Leben ohne Ihn nicht gut führen. Die Frage nach der Notwendigkeit der Religion ist also abhängig von der Existenz Gottes. Wenn Gott existiert, dann braucht man auch die Religion.

Beweis für die Existenz Gottes

Es stellt sich nun die Frage: Was ist der Beweis für die Existenz Gottes? Und wenn Er existiert, welchen Einfluss hat Er auf uns? Es ist eine Tatsache, dass alles einen gewissen Einfluss ausübt, und das Gleiche gilt auch für Gott. Ein amerikanischer Wissenschaftler hatte geschrieben, wenn es Gott gibt, dann sollte Er, weil Er mitfühlender ist als die Eltern, uns gegenüber mehr Mitgefühl zeigen als die Eltern. Er sollte zu uns sprechen. Seine Forderung war naturgemäß berechtigt. Wenn also Gott existiert und Er derjenige ist, der uns erschaffen hat, dann sollten wir auch Beweise für Seine Existenz finden. Denn wenn Er keine Beziehung zu uns Menschen hat, dann wäre Seine Anbetung sinnlos. Das ist die Wahrheit. Wie ich bereits erwähnt habe, existiert Gott und Er tut dies in einer Weise, dass Er diejenigen belohnt, die eine Beziehung zu Ihm aufbauen und diejenigen bestraft, die Ihm gegenüber ungehorsam sind. Er zeigt Seine Eigenschaften. Er ist nicht stumm. Er zeigt Seinen Dienern die Wege, die zu Seinem Wohlgefallen führen.

Alle Religionen beanspruchen, dass Gott zu ihren jeweiligen Gründern gesprochen habe. Die Sikhs verweisen auf ihre Gurus und die Anhänger anderer Religionen jeweils auf ihre Heiligen. Aber alle verweisen auf ihre vergangenen Heiligen. Muslime glauben auch, dass Gott zum Heiligen ProphetenSAW gesprochen hat. Eigentlich haben Muslime schon seit jeher geglaubt, dass Gott zu Seinen Lieben sprechen würde, aber in letzter Zeit hat sich auch unter ihnen dieser Irrtum verbreitet, dass Gott nun nicht mehr spräche.

Die Überlegenheit des Islam über andere Religionen

Anhänger aller Religionen haben zu Beginn ihrer Religion geglaubt, dass Gott sprechen würde. Die jetzige Ablehnung deutet darauf hin, dass diese Religionen nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand sind. Allerdings erklärt der Islam bis heute das, was Kern und Kennzeichen aller Religionen ist, nämlich die Kommunikation mit Gott. So hat Gott in dieser Zeit Sein Wort durch den Verheißenen MessiasAS der Welt präsentiert und nach seinem Tod ist diese Kommunikation nicht zu Ende gegangen, sondern setzt sich durch die Gnade Gottes fort.

Ein Beispiel der Kommunikation mit Gott

Ich werde von meiner persönlichen Erfahrung berichten. Vor kurzem wurde ein Arzt namens Matloob Khan von einer medizinischen Hochschule in den Irak geschickt. Von seinen Kollegen und in offiziellen Berichten wurde gemeldet, er sei gestorben. Sein bereits sehr alter Vater war vor dieser Nachricht in Qadian gewesen. Ich ging davon aus, Matloob Khan wäre sein einziger Sohn; später erfuhr ich, dass sie insgesamt sieben Brüder waren. Gleichwohl war ich zutiefst beunruhigt wegen der Annahme, er sei der einzige Sohn seiner Eltern und wegen dem hohen Alter seines Vaters. Ich war auch über die Mutlosigkeit der Medizinstudenten zutiefst beunruhigt, die bekanntgaben, den Militärdienst zu verweigern, als sie vom Tod Matloob Khans hörten. In Anbetracht all dessen habe ich gebetet und mir wurde in einem Traum mitgeteilt, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche, da Matloob Khan am Leben sei. Am Morgen habe ich meinen Bruder darüber informiert, der wiederum die Angehörigen Matloob Khans informierte, und schließlich wurde diese Nachricht allgemein bekannt. Wenige Tage nach diesem Vorfall erreichte uns die Nachricht, dass er tatsächlich lebe. Er wurde vom Feind gefangen genommen und fälschlicherweise für tot erklärt.

Könnte sich das menschliche Gehirn diese Nachricht ausdenken? Wenn man erwägt, dies sei durch die eigene Vorstellung geschehen, so ist dies unmöglich, da der Verstand normalerweise die eigenen Gedanken widerspiegelt. Wenn man entgegen allen Umständen und Vorstellungen in einem Traum etwas erfährt und das auch in Erfüllung geht, dann beweist dies wiederum, dass Gott diejenigen, die eine Bindung zu Ihm haben, Selbst informiert und sie vor Leid und Trauer bewahrt. Die Trauer, die ich in meinem Herzen durch diese Nachricht empfand, hat mein Herr auf diese Weise beseitigt. In unserer Gemeinschaft gibt es hunderte solcher Menschen, zu denen Gott spricht, ihnen Ehre gewährt, ihre Gegner demütigt und ihnen zunächst Hilfe versichert und dann Sein Versprechen einlöst. Auch wenn sich die ganze Welt gegen sie zusammenschließt, so scheitert diese und sie sind erfolgreich.

Ursprünglich 1921 in Urdu gehalten, wurde diese Rede zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt und hier zum Nutzen unserer Leser veröffentlicht.

Lesen Sie Teil 2 hier!

Referenzen:
– Al-Fazl, 14. März 1921
– Anwarul’ Ulum; Band 6, S. 3-10

Kommentar hinzufügen

Klicken Sie hier, um einen Kommentar zu posten

Aktuelle Freitagsansprache

Multimedia

Neueste Kommentare

  1. Mögen die Menschen aus der Geschichte endlich lernen, die Politiker ihre Verantwortung ernst nehmen und das Leben, das höchste Gut…

  2. Dieser Artikel müssten sich alle Politiker bei uns durchlesen und einmal durch das Herz gehen lassen bevor sie andere mit…

Archiv