Basics

Grundlagen des Fastens

Muslime fasten aus verschiedenen Gründen. Einfach ausgedrückt glauben wir, dass wir uns in vielerlei Hinsicht bessern.

von Mansoor Clarke, UK

Jährlich kehrt – etwas zeitversetzt – der Monat Ramadan wieder. Während sich etwa 1,6 Milliarden Muslime auf diese Reise begeben, werfen wir einen genauen Blick auf diesen muslimischen Fastenmonat.

Worum geht es?
Muslime fasten aus verschiedenen Gründen, jedoch einfach ausgedrückt glauben wir, dass wir dadurch unseren Zustand in vielerlei Hinsicht bessern.

Der Islam beschreibt die beiden Hauptverantwortungen eines Muslims als die Erfüllung der Rechte Gottes und die Erfüllung der Rechte der Schöpfung Gottes.

Ṣaum – oder das Fasten – ist eine der fünf Säulen des Islam und es lehrt uns wichtige menschliche Eigenschaften wie Mitgefühl, Disziplin und Geduld. Aber es ermöglicht den Muslimen auch, sich das Wohlgefallen Gottes zu verdienen, denn Allah hat erklärt, dass Er selbst der Lohn für die Fastenden ist. Auf diese Weise ermöglicht das Fasten den Muslimen, sowohl ihre Beziehung zu Gott als auch zu den Mitmenschen durch gute Taten und gute Moral zu verbessern.

Macht der Hunger den Menschen heilig?

Einfach nur eine zerdrückte Avocado auf ein Brot zu streichen, ist wohl kein sicher garantierter Weg ins Paradies. Dies liegt daran, dass das Fasten viel mehr ist, als nur hungrig zu bleiben.

Der Islam lehrt, dass das Fasten Körper und Seele trainiert, sich selbst zu kontrollieren. Ein Muslim enthält sich freiwillig von Dingen wie Nahrung und Wasser, die ihm eigentlich erlaubt sind, um Zurückhaltung und eine Reihe anderer Eigenschaften zu fördern. Auf diese Weise fällt es einem Muslim nach Ende dieses Trainings und der Rückkehr zum normalen Alltag oft leichter, sich von Dingen fernzuhalten, die der Islam verbietet. Zudem geht es beim Fasten um weit mehr als nur ums Essen. Mehr Gottesdienste, Selbstreflexion und Wohltätigkeit tragen zu dem bei, was das Fasten ausmacht.

Das Fasten im Islam entfaltet die Willenskraft und schult den Körper und die Seele, nicht auf vorübergehende Freuden zu bauen, sondern sich auf höhere Ziele zu konzentrieren.

Das Fasten während des Ramadans ist für alle erwachsenen gesunden Muslime obligatorisch, jedoch gelten Ausnahmen für jene, die auf eine Zufuhr von Nahrung oder Medikamente angewiesen sind, wie z. B. Kranke, Reisende oder werdende und stillende Mütter. 

Das Aussetzen des Fastens während des Ramadans kann verschiedene Gründe haben, allerdings gibt es für jene Betroffene einfache Wege, um sich statt des Fastens Allah auf andere Art zuzuwenden, also das Fasten in gewisser Weise zu ersetzen.

Diejenigen, die nicht in der Lage sind, an einem bestimmten Tag zu fasten, können eine fidya oder Ablöse geben, die in der heutigen Zeit die Speisung eines Bedürftigen oder die Zahlung eines bestimmten Spendenbetrages zur Versorgung eines Armen sein kann. Daneben kann man, wenn man sich beispielsweise von einer Erkrankung erholt hat, auch zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr das Fasten als Ausgleich nachholen.

Ist das Fasten etwas Einzigartiges im Islam?

Fasten wird in vielen Religionen und Konfessionen auf der ganzen Welt praktiziert, wenn auch in unterschiedlichen Formen, mit unterschiedlichen Richtlinien und zu unterschiedlichen Zwecken. Der Heilige Qur’an zeigt deutlich, dass das Fasten eine alte Tradition ist. Viele Propheten und Heilige haben das Fasten als ein Mittel zur Schärfung ihrer spirituellen Fähigkeiten ausgeübt. Heutzutage gibt es alles, von fett- und kohlenhydratarmer bis hin zur Atkins-, Warrior- oder 5:2-Diät, und wir sehen, dass Fasten nicht nur innerhalb der Religionen praktiziert wird.

Dennoch ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass es beim Fasten nicht nur um die Unterbrechung der Nahrungszufuhr geht. Das vom Islam vorgeschriebene Fasten findet von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang statt und dauert einen Mondmonat. Die Enthaltung von Nahrung und Wasser (so schwierig es für manche auch sein mag) ist einfach ein Mittel zur Förderung des spirituellen und individuellen Fortschritts.

In anderen Religionen werden, wie z.B. in der christlichen Fastenzeit, Formen des Fastens praktiziert, in der bestimmte Dinge zur Enthaltung ausgewählt werden. So auch am Ekadashi-Tag für die Hindus, an dem Lebensmittel wie Reis, Getreide und Mehl gemieden werden, oder der jährliche Jom Kippur, also der Versöhnungstag im Judentum, an dem viele Juden neben dem Verzicht auf Essen und Trinken auch keine Lederschuhe tragen.

Wann endet der Fastenmonat Ramadan?

Der Monat Ramadan richtet sich nach dem Mondkalender und ändert sich daher jedes Jahr leicht je nach den Mondverläufen. Der Ramadan beginnt und endet mit einem Vollmond-Zyklus, wobei das Ende des Fastens mit der Sichtung des Neumondes erklärt wird. Heutzutage kann dies mit Hilfe moderner Technologie vorhergesagt werden, da wir im Voraus wissen können, wann der Mond mit dem bloßen Auge sichtbar sein wird.

Nach Sichtung des Neumondes wird der Fastenmonat für beendet erklärt und der folgende Tag als Tag des ʿīdu l-fiṭr angekündigt: ein Tag des Gottesdienstes, der Besinnung und des Feierns.

Das ʿīd bringt die ganze Gemeinschaft zusammen, um Gott anzubeten und bietet die Möglichkeit, den festen Entschluss zu fassen, die Veränderungen und die geistigen Fortschritte, die im vergangenen gesegneten Monat erreicht wurden, aufrechtzuerhalten.

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Über den Autor: Mansoor Clarke ist ein britischer Imam, der in Großbritannien geboren wurde. Vor dem Theologiestudium strebte er eine Karriere als Journalist an. Er hat zahlreiche Vorträge an einigen der besten Universitäten Großbritanniens gehalten und schreibt regelmäßig Beiträge für Zeitungen und Rundfunkmedien. Mansoor hat als Sprecher der Ahmadiyya Muslim Gemeinde gedient und hat unter anderem bei der BBC, ITV und Sky gesprochen. Er ist auf  Twitter unter @mansoor_clarke zu finden.

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