Ahmadiyya

Grußwort der ehem. Bundesjustizministerin Katarina Barley auf der Jalsa Salana Deutschland 2018

Eure Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, 
sehr geehrter Herr Bundesvorsitzender Abdullah Wagishauser, 
sehr geehrte Frau Ahmad-Hübsch,
liebe Damen, liebe Herren,

ich bedanke mich zunächst ganz herzlich für die Gelegenheit, heute zu Ihnen zu sprechen. Es ist eine große Ehre für mich, bei dieser großen, lebendigen und spirituellen Versammlung eingeladen zu sein.

Am Eingang steht sowohl die deutsche als auch die Fahne Ihrer Religionsgemeinschaft und das ist ein sehr schönes Symbol, denn es zeigt, dass in diesem Land beides Platz hat: das Weltliche und das Geistliche.

Und es ist ja mehr als ein Symbol. Bemerkenswert ist die große Offenheit, auf die ihre Glaubensgemeinschaft großen Wert legt und auf diese zu Recht stolz ist. Und Sie laden auch Politikerinnen und Politiker wie mich und die ganze Gesellschaft zum Dialog ein. Auch hier auf der Veranstaltung wird es wieder viele Reden und Gedichte, Begegnungen in verschiedenen Sprachen und auch auf Deutsch geben und heute Nachmittag werden Sie einen Teil ihrer Veranstaltung auch für Nichtmitglieder öffnen. 

Offenheit weckt Interesse und beugt Vorurteilen vor. Diesen Ansatz finde ich überzeugend und sympathisch und gerade in diesen Zeiten ist er besonders wichtig, denn wir erleben, dass gerade dort die Vorurteile besonders groß sind, wo der Kontakt besonders wenig herrscht. Deswegen ist der Ansatz, Kontakt zu suchen und zu informieren und andere teilhaben zu lassen, aus meiner Sicht genau der Richtige. 

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, als Bundesjustizministerin bin ich auch die Hüterin der Verfassung – so nennt man das – und dazu gehört auch natürlich die Religionsfreiheit, die in unserem Land, die in Artikel 4 des Grundgesetzes verankert ist. Ich will vielleicht die ersten beiden Absätze des Artikels zitieren: »Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Und die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.«

Wir sehen es in Deutschland als ganz selbstverständlich an, dass Veranstaltungen wie diese im öffentlichen Räumen stattfinden und dass sie ihre Religion in dieser Messehalle auch leben. Das erkennen auch meistens diejenigen an, die grundsätzlich gegenüber Religion generell oder dem Islam gegenüber inhaltlich kritisch eingestellt sind. Aber es ist auch gerade in diesen Zeiten, die wir gerade in Deutschland erleben, besonders wichtig, diese Freiheit der Religionen zu betonen. Sowohl in Deutschland als auch in der Welt zu dieser Freiheit offensiv zu stehen, denn dieser freiheitliche Umgang mit Religionen ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Gerade Ihre Gemeinschaft hat darunter zu leiden, dass es nicht überall auf dieser Welt Religionsfreiheit gibt und auch da, wo sie auf dem Papier steht, es nicht überall gelebt wird. In manchen Ländern ist Ihre Religion verboten. Gemeindemitglieder werden schikaniert oder sogar verfolgt und umso wichtiger ist es, alles zu tun, um diese elementaren Grundrechte wie die Religionsfreiheit, zu schützen, hier wie anderswo. Die Religionsfreiheit unseres Grundgesetzes bedeutet, dass sich der Staat nicht in eine Religion einmischen darf und umgekehrt bedeutet es, dass die Religion auch keinen Einfluss auf den Staat und die Politik erhält. 

Als überzeugte Demokratin ist klar für mich, dass der demokratisch gewählte Gesetzgeber verbindliche Gesetze machen darf – für alle. Und dass nur demokratisch legitimierte Behörden hoheitliche Befugnisse haben dürfen und dass nur gewählte Richterinnen und Richter recht sprechen dürfen. Und es ist richtig und wichtig, dass Ihre Gemeinschaft diese Grundsätze teilt. Wobei man diese Fragen natürlich gegenüber Religionen auch immer stellt: Wie stark ist die Verbindung? Wie stark sind die Rechtssetzungen? Wie stark greift das über? Das betrifft auch die katholische Kirche: Die hat in Deutschland ein eigenes Arbeitsrecht und das ist immer wieder Gegenstand der Diskussion und wir dürfen uns keine Illusionen machen, gerade in diesen Zeiten steht der Islam besonders unter Beobachtung hier und weltweit.

Und ich weiß, dass viele Menschen, die muslimischen Glaubens sind, in der Gesellschaft das Gefühl haben, sich rechtfertigen zu müssen mehr als andere und ich kann mir vorstellen, ich kann mich hineinversetzen, dass dies eine Belastung darstellt, vielleicht nochmal besonders für die jüngere Generation, denn spätestens seit 2001, seit dem 11. September, gibt es immer diese Debatte, die ständig darum kreist, ob vom Islam auch Gewalt ausgeht. 
Und wenn wir jetzt sehen, dass in jüngster Zeit, gestern war es glaube ich, sogar eine Repräsentantin einer deutschen Volkspartei der Meinung ist, dass Muslime in ihrer Partei keinen Platz haben, dann ist es wirklich hoch alarmierend. Es muss deshalb unser aller Ziel sein, Ihr Ziel, aber auch unser Ziel, deutlich zu machen, dass islamischer Glaube und islamischer Extremismus etwas verschiedenes sind und klarzumachen, dass es auch im Islam eine große Vielfalt gibt. 

Ihre Glaubensgemeinschaft setzt auf Dialog, auf Offenheit: »Love for All, Hatred for None.« Das ist eine großartige Überschrift, ein großartiger Leitspruch, den ich sofort auch als meinen akzeptieren würde. Ein friedliches Zusammenleben aller Menschen ist Ihr Ziel und Ihre gelebte Praxis und in diesen Zeiten, auch in Deutschland, brauchen wir Stimmen, wie Ihre mehr denn je. 
Ich freue mich deshalb, dass Sie so intensiv diesen Dialog auch mit der Politik suchen und finde es deshalb auch wichtig darauf einzugehen und bedanke mich deswegen nochmal für die Einladung, die ich sehr gern angenommen habe. 

Mein Kollege, Thorsten Schäfer-Gümbel, aus Hessen hat mir erzählt, dass er vor einigen Jahren auch hier sprechen durfte und auch sonst einen sehr intensiven Dialog zu Ihrer Landesorganisation in Hessen unterhält. Das freut mich und ich möchte anbieten, dass ich diesen Dialog auch sehr gerne fortführen möchte und ich freue mich, wenn ich im Anschluss des Grußwortes auch noch mehr über Ihre Anliegen und auch vielleicht über Ihre Sorgen in diesen schwierigen Zeiten erfahren kann.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Versammlung und bedanke mich nochmal sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

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