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Palästina ruft: Wo bleibt der Messias?

Die muslimische Welt ist heute auf den Knien. Wo ist der Messias und Mahdi, der ihr versprochen wurde?

Von Tayyeba Batool Inder

Die muslimische Welt ist heute auf den Knien. Sie hat einen unerhörten Bedarf an moralischen und spirituellen Reformen. Und sie sucht verzweifelt nach einem Führer, der sie vereinen kann. Wo ist der Messias und Mahdi, der ihr versprochen wurde?

Zur gegenwärtigen Lage

Nach den jüngsten bewaffneten Auseinandersetzungen im Heiligen Land ist die Frage der Führung in der muslimischen Welt wieder einmal in den Vordergrund gerückt. Eine einfache Online-Recherche zeigt eine Fülle von Theorien und Vorhersagen zu diesem Thema, wobei auch Videos, die sich mit diesem Thema beschäftigen, immer häufiger zu finden sind. Das Thema, das mit Nachdruck wiederkehrt, bleibt das Kommen des Messias der Letzten Tage und des Imam Mahdi. Das Internet ist voll von Hinweisen auf den Glauben und die Erwartungen der Menschen, von den Zeichen der Endzeit bis hin zu den militärischen Übungen, die man machen müsse, um sich der Armee des lang erwarteten Messias anzuschließen. Das Thema ist so aktuell, dass sogar Netflix im Jahr 2020 eine Serie mit dem Titel “Messiah” herausgebracht hat.

Neben Palästina haben wir heute weit mehr als einen Schauplatz von Umwälzungen in muslimischen Ländern; auf der einen Seite stehen die nordafrikanischen Länder wie Algerien, Libyen, Tunesien, Ägypten u. a., die nach den inneren Wirren des Arabischen Frühlings immer noch nach Orientierung suchen. Und auf der anderen Seite haben wir den Nahen Osten, allen voran Syrien und Jemen, wo sich die Muslime gnadenlos gegenseitig zerfleischen, ganz zu schweigen vom Fall des Irak und der Türkei und die Kurdenfrage. Weiter östlich sind der Iran der Ayatollahs, das Pakistan der Mullahs und das Afghanistan der Taliban noch immer in den Schlagzeilen. Auch die Rohingya-Muslime in Burma und die Uiguren in China werden unterdrückt. Nicht zu vergessen das subsaharische Afrika mit Boko Haram und anderen Extremisten. Oder auch das Auflodern der Islamophobie im Westen und sogar in Indien in nie dagewesenem Ausmaß, was sich teils in eklatanten antimuslimischen Gesetzen niederschlägt. Es ist also unbestreitbar, dass sich die muslimische Welt heutzutage in großem Aufruhr befindet.

Die Muslime erkennen sehr wohl, dass ihre letzte Rettung in der Annahme des Messias liegt, auf den sie noch immer warten. Im Hintergrund steht die Notwendigkeit eines Führers, die sich in einer Zeit bemerkbar macht, in der die Ummah (muslimische Gemeinschaft) mehr denn je gespalten ist. Zwar gibt es sogenannte muslimische Staaten, aber diese sind eindeutig nicht auf derselben Wellenlänge, weder in der Innen- noch in der Außenpolitik. Nichts bringt sie zusammen, nichts ermöglicht es ihnen, eine einheitliche Stimme im Namen des Islams zu präsentieren. Dabei ist der Sieg des Islam ein Versprechen Allahs: “Er ist es, der seinen Gesandten mit der Rechtleitung und der Religion der Wahrheit gesandt hat, damit er sie über alle anderen Religionen stelle, auch wenn diejenigen, die Allah Götzen zur Seite stellen, dies hassen”[i].

Wann also wird diese Rettung der Ummah von Mohammad (SAW) stattfinden? Die Antwort liegt zweifellos in der Einheit dieser fragmentierten Welt unter einer Führung, die in erster Linie spirituell und nicht materiell und vorübergehend ist. Die Geschichte zeigt uns, dass religiöse Bewegungen nur durch religiöse Mittel erfolgreich waren; ihre Waffen sind Selbstreinigung und Opferbereitschaft. Sie ziehen andere durch ihre Gebote und insbesondere durch ihre Vorbildfunktion an. Dies war seit Adams Zeiten die Regel: Sie kann auch heute nicht anders sein.

Das Konzept des Messias

“Und Er wird ihn (die Wiederkunft des Propheten) aus anderen von ihnen erwecken, die sich ihnen noch nicht zugesellt haben. Er ist der Mächtige, der Weise”[ii].

Dieser Vers wurde offenbart, als der Heilige Prophet (SAW) im Kreise seiner Gefährten saß. Abu Hurairah (RA) fragte ihn mehrmals, auf wen genau sich Allah darin beziehe. Als er dann seine Hand auf die Schulter von Salman dem Perser legte, antwortete der Gesandte Allahs: “Selbst wenn der Glaube bis zu den Plejaden aufsteigen würde, gäbe es einen Mann aus seinem Volke, der ihn auf die Erde zurückbringen würde.”[iii]

Die Ankunft einer Person persischer Herkunft, deren Aufgabe die Wiedergeburt des Islams sein werde, wird hier explizit genannt. Gut 13 Jahrhunderte nach der Entstehung des Islam verkündete Mirza Ghulam Ahmad aus Qadian (as) unter göttlicher Anweisung öffentlich, dass er der vom Heiligen Propheten (saw) angekündigte Messias sei: Es stellte sich auch heraus, dass er auch persischer Abstammung ist.

Der Messias wird in den Überlieferungen des Propheten Muhammad (saw) auch mit dem Namen des Messias der Juden “Isa Ibn Maryam”, Jesus, Sohn der Maria, beschrieben. Dieser Titel wurde von vielen Muslimen wörtlich genommen und führte dazu, dass sie auf das persönliche Kommen des biblischen Jesus warteten und folglich die Verkündigung von Mirza Ghulam Ahmad ablehnten. Die wahre Bedeutung dieses Titels liege Ahmad zufolge in Wirklichkeit in der großen Ähnlichkeit, die zwischen den beiden Personen bestehe, wodurch der Eindruck entsteht, dass sich die Geschichte wiederholt.

Beim Studium des Heiligen Qur’an fällt auf, dass es eine Parallele zwischen der Entwicklung der israelitischen und der ismaelitischen Linie gibt. Der letzte Nachfolger der israelitischen Linie erschien im 14. Jahrhundert nach Moses in der Person des Messias von Nazareth – Jesus. Ebenso ist es notwendig, dass der Messias der Ummah von Muhammad (saw) im frühen 14. Jahrhundert der islamischen Zeitrechnung erscheint. Und genau wie Jesus, dessen Ziel vor allem die Reform des Judentums war, hat der Messias der Umma von Muhammad (saw) seine Bestimmung in der Reform des Islams. Fatalerweise lehnen die Muslime ihren Messias genauso ab wie die Juden, die ihren Messias ablehnen, weil sie das zweite Kommen von Elias in Person erwarten. Und die Muslime lehnen ihren Messias ab, weil sie das Kommen von Jesus (AS) persönlich erwarten.

Welche Funktion hat dieser viel diskutierte Messias? Per Definition ist ein Messias der Reformer einer bereits etablierten Religion, ohne irgendwelche neuen göttlichen Gesetze einzubringen. Die primäre Aufgabe des Messias besteht indes darin, das Böse zu bekämpfen. Diesen Kampf führt er jedoch nicht, indem er zu den Waffen greift. Diejenigen, die einen blutrünstigen Messias als Kriegs- und Militärherrn erwarten, irren sich also. Das Prinzip der Reformierung auf der einen Seite und das Agierens auf dem Schlachtfeld auf der anderen sind auch heute noch unvereinbar. Der Messias führt keinen blutigen Krieg und zieht auch nicht in die Schlacht. Der Kampf gegen das Böse wird durch die Feder geführt, mit Beweisen und Argumenten. Für ihn wurde prophezeit, dass er den bewaffneten Kampf zur Verteidigung der Religion abschaffen würde, da es auch keinen derartigen Angriff mehr geben würde. Stattdessen würde er den Attacken der intellektuellen Eliten und politischen Mächte mit Argumenten begegnen.

Der Begriff des Mahdi

Die Aufgabe des Mahdi besteht seinerseits darin, die Tugend wiederherzustellen. Das bedeutet, dass der Mahdi angesichts der exponentiellen Verbreitung von religiösen Neuerungen, Sünden und Lastern als Führer fungieren wird. Der Mahdi trägt die Doppelrolle des Stellvertreters Allahs und der spirituellen Manifestation des Heiligen Propheten (saw). Zur Erfüllung seiner Funktion erlangt der Mahdi das Glaubenswissen direkt von Gott; er hat keinen anderen Lehrer, der ihn den Qur’an und die Hadithe nach dieser oder jener Denkschule lehrt.

Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad (as) behauptet, dass er die Geheimnisse des Glaubens direkt, ohne irgendwelche Mittelsmänner, erfahren hat. Er geht noch weiter, indem er betont, dass der Messias und der Mahdi nicht zwei getrennte Individuen sind, sondern dass sich beide Titel auf dieselbe Person beziehen. Der Begriff Mahdi bedeutet wörtlich “der Geführte”, und es kann nicht behauptet werden, dass der Messias nicht göttlich geführt sein würde. Diese Behauptung der Vereinigung der beiden Entitäten im Kommen ein und derselben Person wird durch einen Hadith des Propheten (saw) bestätigt, in dem er erklärt: “La Al-Mahdi Illa Issa – Der Mahdi ist nichts anderes als der Messias.” [iv]

Um nun auf die Führungsproblematik innerhalb der muslimischen Welt zurückzukommen: Auch die Logik verlangt die Notwendigkeit einer Einheit dieser beiden Rollen. Es ist naiv zu glauben, dass die Ummah des Propheten Muhammad (saw) durch zwei verschiedene Personen vereint werden könne. Der technologische Fortschritt, der die Kommunikation erleichtert und die Welt sofort und ständig vernetzt, bestätigt, dass ein einziger Anführer ausreicht.

Wenn wir behaupten, dass der Messias zu Beginn des 14. islamischen Jahrhunderts gekommen ist, befinden wir uns heute bereits im 15. Der Messias ist zwar gekommen, aber er ist auch schon wieder gegangen. Wo lässt uns das in der Frage der Führung stehen?

Das Kalifat – die gegenwärtige Rettung der muslimischen Welt

In seinem Werk Al-Wassiyat schreibt der Erschienene Messias (as): “Ich bin als die Macht Gottes auf die Erde gekommen, und ich bin eine Verkörperung der Göttlichen Macht, und nach mir werden andere kommen, die die Manifestation Seiner Zweiten Macht sein werden.” Hier kündigte er in unmissverständlichen Worten die Wiedereinführung des sogenannten Kalifats, der Stellvertreterschaft, an, das auf folgendem göttlichen Versprechen beruht: “Allah hat denen von euch, die glauben und gute Werke tun, versprochen, dass Er sie gewiss zu Stellvertretern auf Erden machen wird, so wie Er diejenigen, die vor ihnen waren, zu Stellvertretern gemacht hat.”[v] Nach dem Tod von Mirza Ghulam Ahmad (AS) im Jahr 1908 begann somit die zweite Ära des islamischen Kalifats.

Seit 113 Jahren sind wir Zeugen der göttlichen Gunst in Übereinstimmung mit den Versprechungen Gottes, die sich Wort für Wort gemäß der Prophezeiung von Mirza Ghulam Ahmad (as) erfüllen. Nach seiner Ankunft wurden neue Kapitel in der islamischen Geschichte geschrieben, zu denen auch die Zeit des gegenwärtigen Fünften Kalifen gehört. Dieser, Hazrat Mirza Masroor Ahmad, sagte in seiner Freitagsansprache am Freitag, den 28. Mai 2021:

“Die [Ahmadiyya] Gemeinschaft wurde in dieser Periode auf außergewöhnliche Weise bekannt und anerkannt, und zwar in allen Klassen der Gesellschaft und auf allen Ebenen. Ich bin eine sehr schwache Person, und dieser Fortschritt ist keineswegs aufgrund einer meiner Eigenschaften zustande gekommen. Wenn die Ahmadiyya Gemeinde in den Staaten dieser Welt, bei den Herrschern und in den Parlamenten bekannt ist und vorgestellt wird, dann nur aufgrund der göttlichen Gnade, aufgrund der Gebete des Verheißenen Messias (as) und aufgrund der Erfüllung der Prophezeiungen des Heiligen Propheten (saw). Wir sind jeden Tag Zeugen dieser göttlichen Gnaden. […] Möge Allah dafür sorgen, dass wir bald die Flagge des Islam und des Heiligen Propheten (saw) überall wehen sehen und die Einheit Gottes in der Welt etabliert wird.”

Eine solche Demut und Würdigung der Gunst Allahs vermittelt die Botschaft, dass das gegenwärtige Kalifat nicht nach politischer Herrschaft strebt. Das Ziel ist vielmehr die moralische und spirituelle Reform der muslimischen Welt.
Aber könnte es nicht sein, dass eine neue Gemeinschaft nur einen weiteren Riss in der muslimischen Welt verursacht? Die Antwort ist, dass die Ahmadiyya Gemeinschaft mit ihrer Berufung, die Muslime zu vereinen und ihnen ein gemeinsames Programm zu geben, keine Neuerung oder separatistische Bewegung darstellt. Im Gegenteil: Die Muslime waren ohne Organisation und Islam Ahmadiyya hat das Ziel, ihnen eine Organisation zu verschaffen, die von einem Oberhaupt angeführt wird, das sie leitet. Da Islam Ahmadiyya eine rein religiöse Organisation ist, die keine staatlichen oder politischen Bestrebungen hat, wird sie nicht die Misserfolge erleiden, mit denen Staaten konfrontiert waren, die einerseits versuchten, die Muslime zu vereinen, und andererseits ihre nationalen, politischen und diplomatischen Interessen verfolgten.

Der Sieg des Islam wird kommen, wenn die Muslime dieser von Allah auserwählten Gemeinschaft beitreten, die in nur einem Jahrhundert einen kometenhaften Aufstieg erlebt hat; ein Beitritt, der eine Selbstreform nach islamischen Regeln, an die der Verheißene Messias (as) erinnerte, mit sich bringt. Dieser Sieg wird zweifellos kommen, denn Allah selbst hat ihn versprochen.

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Über die Autorin: Tayyeba Batool Inder ist eine Mauritianerin muslimischen Glaubens. Sie hat einen doppelten Bachelor-Abschluss in Rechtswissenschaften mit Schwerpunkt Politikwissenschaften und in Geschichte, Zivilisationen und internationalen Herausforderungen von der Universität Paris-Sorbonne in Abu Dhabi. Sie ist aktiv an der Erstellung von Inhalten und der Produktion für den Sender MTA International beteiligt.

[i] Der Heilige Koran, Kapitel 61, Vers 10.
[ii] Der Heilige Koran, Kapitel 62, Vers 4.
[iii] Bukhārī Kitāb-Ut-Tafsīr.
[iv] Ibn Majah, Hadith Nummer 4039
[v] Der Heilige Koran, Kapitel 24, Vers 56.

Bibliographie :

The Holy Quran with English translation and commentary, Islam International Publications, 1988.
Der Heilige Quran, arabischer Text und eine Übersetzung, Islam International Publications Ltd, 1998.
What is Ahmadiyyat?, Hazrat Mirza Bashir ud Din Mahmood Ahmad, 4th edition, 1963.
Malfuzat, vol. 1, First English translation, 2018, S. 39-40, S. 47-48.
Malfuzat, vol. 2, First English translation, 2019, S. 167-168.
A book of Religious Knowledge, Waheed Ahmad, Fazl-i-Umar Press, Ohio, USA, 1995.
Essence of Islam, vol. IV, 2006, pg 52
Al Wassiyat, Hazrat Mirza Ghulam Ahmad
Freitagspredigt, Hazrat Mirza Masroor Ahmad, 28. Mai 2021

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