Aktuelle und soziale Themen

Was tun gegen Rassismus?

Im Rahmen der interkulturellen Wochen in Groß-Gerau wurde von der Ahmadiyya Muslim Jamaat am Freitag, den 25. September um 19:15 Uhr, eine Podiumsdiskussion zum Thema »Religionen gegen Rassismus – Was tragen Religionen zu einer gerechten Gesellschaft bei?« in der Groß-Gerauer Stadthalle organisiert. 

Zu den Podiumsteilnehmern zählten der Pfarrer Herr Wolfgang Prawitz vom evangelischen Dekanat Groß-Gerau und Rüsselsheim, die Bundestagsabgeordnete Frau Christine Buchholz (Die Linke), Herr Michael Gahler, Mitglied des Europäischen Parlaments, Herr Dr. Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums Hessen, Frau Nilüfer Kuş, Koordinatorin des Landkreises Groß-Gerau gegen Rechtsextremismus und Rassismus und Herr Abdullah Wagishauser, der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland. 

Nach Begrüßung der Gäste erfolgte eine zum Thema passende Rezitation aus dem Heiligen Qur’an mit anschließender deutscher Übersetzung. Anschließend hielt der Bürgermeister von Groß-Gerau, Herr Erhard Walther, ein Grußwort und gab zugleich kritische Impulse zum Thema der Veranstaltung, die vom Moderator der Podiumsdiskussion, Salman Tyyab, zu Beginn der Diskussion gleich aufgegriffen wurden.

Pfarrer Prawitz, der auch im Aktionsbündnis gegen Rassismus aktiv ist, stellte klar, dass bestimmte Menschengruppe in Europa ausgeschlossen und verfolgt wurden, aber dies sei keineswegs religiös motiviert gewesen. Genauso wenig sehe er die ersten drei Gebote als Problem. 

Dass der Islam eine Strafe für Apostasie vorsähe, widerlegte Herr Abdullah Wagishauser anhand klarer Aussagen aus dem Heiligen Qur’an, wonach es z. B. keinen Zwang im Glauben geben dürfe (2:257). Zudem bekräftigte er, dass Deutschland wohl ein Rassismus-Problem habe, so wie alle anderen Länder auch. Man könnte soweit gehen zu sagen, dass es keine Institution, ob staatliche oder religiöse, gebe, die kein Rassismus-Problem hätte und führte dies u.a. auf Egoismus und Überlegenheitsgedanken der Menschen zurück. 

v.r.n.l.: Herr Wagishauser, Herr Tyyab, Herr Prawitz

Frau Christine Buchholz sprach darüber, was der Rassismus für die Menschen bedeute, die ihn erfahren. Rassismus sei historisch entstanden und gewachsen und ziele auf die Spaltung der Gesellschaft ab und werde instrumentalisiert, um von gesellschaftlichen Problemen abzulenken. In Krisenzeiten würden rassistische Ressentiments ausgespielt werden. Sie setze sich im politischen Berlin auch dafür ein, dass anti-muslimischer Rassismus von der Politik als eines der Auswüchse erkannt werde und wogegen gezielt angegangen werden müsse. 

Herr Michael Gahler sehe die Politik in der Verantwortung, nicht nur auf die Stimmungslage in der Bevölkerung zu schauen, wie z.B. die Frage der Flüchtlinge, wo auch unterschwellig Rassismus eine Rolle spiele. Die politische Führung müsse die Ängste der Bürger ernst nehmen, dass ihnen nichts weggenommen werde, wenn Flüchtlinge aufgenommen würden. 

v.r.n.l.: Herr Gahler, Frau Buchholz

Rassismus habe etwas mit der Einstellung des Menschen zu tun, so Dr. Reiner Becker vom hessischen Demokratiezentrum. Diese Einstellung äußere sich dann im Verhalten der Menschen. Man könne vielerorts in der Gesellschaft bebobachten, dass sich die Diskursräume nach rechts verschoben haben und eine Gewöhnung an rechte, rassistische Diskurse peu à peu stattgefunden habe, ob in Kommunalparlamenten, im Bundestag oder in den sozialen Netzwerken. Das Thema Rassismus erzeuge auch Abwehr, wenn es um seine Bewältigung gehe.

Entgegen allen Erwartungen und Hoffnungen werde es Rassismus weiterhin geben, so das Resümee von Herrn Dr. Becker, weil die Bewältigung dieses Problems auf vielerlei Ebenen stattfinden muss. Dies sei auch damit verbunden, dass es um harte politische Auseinandersetzungen gehe. Diese dürfe man aber nicht scheuen. 

Frau Kuş, Herr Dr. Becker

Frau Nilüfer Kuş, Koordinatorin im Netzwerk gegen Rassismus, ging auf die Frage des Moderators ein, ob man erst Tote brauche, damit über dieses Thema gesprochen werde. Es gebe viele Opfer rassistischer Gewalt in Deutschland, zuletzt in Hanau. Die Erfahrung zeige aber, dass dies kurzfristig wahrgenommen werde, aber ganz oft werde dies wieder vergessen. Zudem sei die mediale Berichterstattung und die Art, wie über Rassismus gesprochen werde, davon abhängig, wer ermordet werde. Dabei stelle sich die Frage, ob das eine Leben mehr Wert wäre, als das andere. Sie appellierte dafür, dass man über Rassismus offen sprechen und auf rassistische Strukturen hinweisen müsse. Genauso sollten die Opfer nicht davor abschrecken, von ihrer Erfahrung zu berichten bzw. diese den entsprechenden Stellen zu melden. 

Nachdem dieses Thema ausgiebig von Podiumsteilnehmern besprochen wurde, gab der Moderator auch den Besuchern die Möglichkeit für Fragen und Redebeiträge. Dabei wurde auch nach konkreten Maßnahmen gefragt, welche die Religionen gegen Rassismus leisten würden. 

Der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Herr Wagishauser, ging darauf ein, dass man dieses Thema theologisch in den Gemeinden anhand religiöser Gebote aus dem Heiligen Qur’an, der Praxis des Heiligen ProphetenSAW und seiner Aussagen aufarbeite. Zudem greife der Kalif der Ahmadiyya Muslim Jamaat in seinen Freitagsansprachen dieses Thema auf. In seinen vergangenen Freitagsansprache wurde über das Leben von Hadhrat BilalRA, ein aus Abessinien [Äthiopien] stammender Sklave, berichtet, der trotz anderer Herkunft und Hautfarbe große Anerkennung vom Heiligen ProphetenSAW und seinen Kalifen erfahren habe. Zudem habe die Gemeinde eine bundesweite Aktion »Muslime gegen Rassismus« gestartet und am 03. Oktober werde es auch im Rahmen des virtuellen Tags der offenen Moscheen in Wiesbaden eine Podiumsdiskussion über dieses Thema geben, die live ausgestrahlt wird. 

Über Rassismus werde auch in den evangelischen Gottesdiensten gesprochen, so Pfarrer Prawitz. Seit 2004 werden in Groß-Gerau die interkulturellen Wochen durchgeführt, um den Menschen einen Begegnungsort anzubieten, wo Menschen unterschiedlicher Religionen und unterschiedlicher Kulturen zusammenkommen und miteinander ins Gespräch kommen könnten. Es gebe ein evangelisches Zentrum für interkulturelle Bildung in Mörfelden, aber genauso auch andere Stellen. Zudem werde auch öffentlich Stellung bezogen, wenn es rassistische Vorfälle gibt. 

»Die Veranstaltung war gut besucht, was auch das Interesse der Besucher zu diesem Thema widerspiegele«, so Danyyal Azher Tariq, der für die Organisation dieser Veranstaltung zuständig war. Die Veranstaltung zeigte aber auch, dass die Bewältigung des Rassismus jeglicher Art eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleibt, bei der der Beitrag eines jeden einzelnen zählt. 

Nach der Podiumsdiskussion wurde auch für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt. Dass diese Podiumsdiskussion trotz Corona abgehalten werden konnte, ist der sorgfältigen Planung der Veranstalter zu verdanken, die u.a. die Sitzordnung so gestaltet hatten, dass genügend Abstand zwischen den Besuchern eingehalten wurde. Zudem wurden die Kontaktdaten erfasst und auf jedem Tisch Händedesinfektionsmittel ausgelegt. 

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