
Ein Kommentar von Umair Khalid
Es ist nun ein Jahr vergangen, seit die Welt Zeuge wurde, wie die Menschlichkeit versagt, das humanitäre Völkerrecht mit Füßen getreten und jede Glaubwürdigkeit zunichtegemacht wird. Der Anschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 löste in Israel eine Welle des Zorns aus, die Tausende unschuldige Menschen zu spüren bekamen. Eine Vergeltung von apokalyptischem Grauen folgte auf diesen Vorfall.
Am 7. Oktober 2023 drangen Kämpfer der Hamas in Israel ein, töteten über 1.200 Menschen und entführten mehr als 240 Personen in den Gazastreifen. Dieses grausame Ereignis löste weltweit Entsetzen aus. Ich erinnere mich, wie fassungslos ich war, als ich davon erfuhr. Doch zu diesem Zeitpunkt konnte niemand ahnen, welche weitreichenden Konsequenzen dieser Angriff haben würde. Am darauffolgenden Tag erklärte Israel den Kriegszustand, verhängte eine vollständige Blockade des Gazastreifens und stoppte jegliche Einfuhr von Waren und Lebensmitteln sowie die Versorgung mit Wasser und Energie. Zusätzlich forderte das israelische Militär die palästinensische Zivilbevölkerung auf, den nördlichen Gazastreifen zu verlassen. Über eine Million Menschen waren davon betroffen.
Diese Menschen, die weder Hab und Gut besaßen noch wussten, wohin sie fliehen sollten, oder ob im Süden überhaupt Unterkünfte für sie vorhanden waren, standen vor einer ungewissen Zukunft. Eine Million Menschen, die nicht ahnten, welches unsägliche Leid in den kommenden Wochen auf sie wartete. Eine Million Menschen, darunter schwangere Frauen, Kinder, Bedürftige und Senioren, die in den Tod getrieben wurden. Eine Million Menschen, deren Schicksal von der israelischen Regierung bereits besiegelt schien – ein Leben in Elend und ein qualvolles Sterben ohne jede Aussicht auf Frieden.
Bis heute wird weiterhin diskutiert, wer Opfer und wer Täter ist. Fest steht jedoch, dass die Antwort auf diese Frage nichts am Leid der über eine Million geflüchteten Palästinenser ändern wird. Sie waren ihrem Schicksal hoffnungslos ausgeliefert – einem Schicksal, das seitens der israelischen Regierung klar und unmissverständlich definiert wurde:
Am 8. Oktober 2023, einen Tag nach dem Angriff der Hamas, sagte Premierminister Benjamin Netanjahu in einer Fernsehansprache: »Wir werden Gaza zu einer Insel aus Ruinen machen.«[1]
Daniel Hagari, der Sprecher der israelischen Armee, sagte am 10. Oktober 2023 in der Zeitung Haaretz: »Wir werfen hunderte Tonnen von Bomben auf Gaza. Der Fokus liegt auf Zerstörung, nicht auf Genauigkeit!«[2]
»Ich möchte der Welt sagen, was man in Israel über mich längst weiß: Gaza ist mir egal. Gaza ist mir im wahrsten Sinne egal«, sagte May Golan, Israels Frauenministerin, am 13. Oktober im Interview mit ILTV.
Klingen so die Worte von Staatsführern eines demokratischen Rechtsstaats? Doch dies waren keine leeren Drohungen – es war die bittere Wahrheit, die sich erfüllen sollte. Es klang beinahe apokalyptisch, und genauso kam es: Zivilisten wurden massenhaft getötet, darunter Tausende Frauen und Kinder. Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht, ganze Städte in Schutt und Asche gelegt. Sie hatten recht – es ging nicht um Genauigkeit, sondern um pure Zerstörung. Es war ihr epochales Werk, als ob sie mit einem schwarzen Stift ein ganzes Land von der Weltkarte endgültig tilgen und dessen Existenz für immer auslöschen wollten.
Es ist entsetzlich zu beobachten, wie ein Rechtsstaat massenhaft Zivilisten tötet, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Im Gegenteil – er erhält Zuspruch, Unterstützung und Beistand. Der deutsche Bundeskanzler nannte diese Form des Beistands deutsche Staatsräson und sagte Israel seine uneingeschränkte Unterstützung zu. Als ich dies hörte, fragte ich mich: In welcher Welt leben wir, in der ein Massaker gutgeheißen, der Täter mit Geld und Waffen unterstützt wird und am Ende vor den eigenen Bürgern von Frieden und Gerechtigkeit gesprochen wird?
Ich bin Vater und Sohn zugleich und blicke eigentlich hoffnungsvoll in die Zukunft. Doch zugleich sehe ich täglich die Leichen von Kindern, die unter den Trümmern in Gaza liegen. Ich sehe, wie unzählige Mütter getötet werden und wie viele junge Menschen ihrer Zukunft beraubt und getötet werden. Das Erste, was in diesem Krieg starb, war die Menschlichkeit – und mit ihr die Gerechtigkeit.
Doch genug ist genug! Woche für Woche sah ich dieses Unheil, die Bilder toter Menschen, verzweifelte Eltern, die ihre toten Kinder in den Armen halten, und mein Herz weinte. Wo bleibt die Gerechtigkeit? Wo sind die Stimmen unserer sogenannten Menschenrechtler und Demokraten wie Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Joe Biden, Ursula von der Leyen sowie all die anderen? War ihr gesamtes Mitgefühl und ihre Empathie nur für die Ukraine reserviert, als diese von Russland angegriffen wurde, sodass für Gaza nichts mehr übrig blieb?
Für die Produktion einer Reportage zum Nahostkonflikt habe ich verschiedene Menschen interviewt. Schon früh fiel mir auf, dass viele von ihnen Angst hatten, sich vor der Kamera offen gegen das Vorgehen Israels zu äußern. Doch es gab auch diejenigen, die mutig waren und offen über die einseitige Berichterstattung und die Doppelmoral der Politik sprachen. Besonders Jugendliche erzählten mir, wie stark ihr Misstrauen gegenüber den Mainstream-Medien seitdem gewachsen ist und dass sie sich mittlerweile fast ausschließlich über Social Media informieren.
Social Media – genau das hatte Israel, unsere Politik und Leitmedien nämlich völlig übersehen und vergessen. Menschen aus Gaza nutzen diese Plattformen, um der Welt die Wahrheit zu zeigen. Während die israelische Regierung die Pressefreiheit missachtete, Journalisten die Einreise ins Kriegsgebiet untersagte und die Berichterstattung massiv kontrollierte, gelang es dennoch einigen Journalisten aus Gaza, der Welt die Realität zu zeigen. Diese Journalisten waren Helden, die ihr Leben riskierten, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und der Welt zu zeigen, was in Gaza wirklich geschieht. Doch auch sie wurden nicht verschont: Über 120 Journalisten wurden durch die israelischen Streitkräfte getötet – obwohl das Genfer Abkommen klar besagt, dass Journalisten in Kriegsgebieten als Zivilpersonen gelten und entsprechend geschützt sind.
Somit wurde auch das Genfer Abkommen, der erste völkerrechtliche Vertrag, vollständig ignoriert. Die Reaktion unseres Bundeskanzlers Olaf Scholz auf all dies war jedoch sehr eindeutig:
»Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien, die ihn leiten, und deshalb kann man sicher sein, dass die israelische Armee auch bei dem, was sie macht, die Regeln beachten wird, die sich aus dem Völkerrecht ergeben. Daran habe ich keinen Zweifel.«[3]
Heute, genau ein Jahr später, möchte ich die humanitären Prinzipien dieses demokratischen Staates in Zahlen darstellen (Stand 6. Oktober 2024):[4]
- 41.778 Menschen wurden getötet, darunter fast 16.500 Kinder.
- Über 96.794 Menschen wurden verletzt, und mehr als 10.000 gelten als vermisst.
- Mehr als die Hälfte der Häuser im Gazastreifen wurden beschädigt oder zerstört.
- 65 % des Straßennetzes sind unpassierbar
- Nur 17 von 36 Krankenhäusern sind teilweise funktionsfähig.
Sieht so Humanität aus? Mit jedem vergehenden Tag steigen die Opferzahlen weiter an. Jeder vergangene Tag hinterlässt mehr Entsetzen und Hoffnungslosigkeit, und jeder neue Tag bringt uns einen Schritt näher an eine globale Krise, die Hunderttausenden, vielleicht sogar Millionen, das Leben kosten könnte. Diese drohende Katastrophe hat einen Namen – der Dritte Weltkrieg.
Während Sie diese Zeilen lesen, fallen weiterhin Bomben, sterben Menschen, und unsere Regierung schaut tatenlos zu.
Doch ich habe Hoffnung, Hoffnung auf ein Ende dieses Krieges. Tief in meinem Herzen lebt ein Funke des Glaubens an das Gute. Auch diese Hoffnung hat einen Namen – Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA.

Das weltweite Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat, der Kalif Hadhrat Mirza Masroor AhmadABA, warnt seit dem ersten Tag die Weltführer und mahnt vor den drohenden Gefahren einer globalen Katastrophe. Ich bin als gläubiger Ahmadi-Muslim fest überzeugt, dass die Gebete und Bemühungen des Kalifen die Menschheit vor einer nuklearen Katastrophe bewahren können – vorausgesetzt, die Menschen nehmen seine Warnungen ernst:
»Es scheint jetzt so, als stehe der Krieg vor der Tür bzw. er hat schon begonnen. Der Weltkrieg hat bereits begonnen. Doch die Regierenden der Welt kümmert es nicht. Sie denken, sie selbst werden in Sicherheit sein und die Bevölkerung wird sterben. Doch sie erliegen einem Irrtum. In solchen Zeiten ist es besonders wichtig, dass Ahmadis sich Gott nähern und einen Zustand der Bedrängnis und der Rastlosigkeit in ihrem Gebet entwickeln, damit sie vor deren Übel [der ungerechten Regierungen] bewahrt werden können. Beten Sie auch für die Menschen unter ihnen, die eine gute Natur haben, dass sie vor dem Unheil verschont bleiben.«[5]
Alle Ahmadi-Muslime auf der Welt forderte Seine HeiligkeitABA auf:
»Ahmadis sollten versuchen, den Menschen dort durch Hilfsorganisationen mit Nahrung, Medikamenten oder anderen Gütern zu helfen. Es sollten auch Anstrengungen unternommen werden, in eigenen Kreisen sich für die Beendigung der Ungerechtigkeiten einzusetzen. Ich habe schon früher dazu aufgerufen, Briefe an Politiker zu schreiben, und das wurde auch getan. Wir dürfen jedoch nicht müde werden. Erklären Sie den Politikern, dass das, was sie tun, vollkommen falsch ist.«[6]
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Referenzen:
[2] ‘We’re focused on maximum damage’: ground offensive into Gaza seems imminent | Israel | The Guardian
[3] Pressestatement von Bundeskanzler Scholz beim Europäischen Rat am 26. Oktober 2023 in Brüssel
[4] Israel-Gaza war in maps and charts: Live tracker | Israel-Palestine conflict News | Al Jazeera
[5] Freitagsansprache vom 05. April 2024
[6] Freitagsansprache vom 08. März 2024
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