Fasih A. Rahman, Kanada
Der Heilige Qur’an lehrt, dass Fasten ein Mittel zur Erlangung der Nähe zu Allah, dem Allmächtigen, ist, wie es im folgenden Vers heißt:
»O die ihr glaubt! Fasten ist euch vorgeschrieben, wie es denen vor euch vorgeschrieben war, auf dass ihr gottesfürchtig werdet.«[1]
Das Fasten, insbesondere im Monat Ramadan, dient als eine Form der spirituellen Stärkung, die den Menschen zur Rechtschaffenheit führt und ihn vor dem Bösen bewahrt. Als Muslime fasten wir um Allahs willen und im folgenden Vers sagt Allah der Allmächtige:
»Und Fasten ist gut für euch, wenn ihr es begreift.«[2]
Während das Fasten dem Menschen bekanntlich viele spirituelle Vorteile bringt, gibt es auch immer mehr Beweise aus verschiedenen Wissenschaftszweigen, die zeigen, dass das Fasten viele gesundheitliche Vorteile für die verschiedenen Körpersysteme bringen kann. Dazu gehören das neurologische System, das Herz-Kreislauf-System und das Verdauungssystem. Darüber hinaus zeigen erste Forschungsergebnisse, dass Fasten in Kombination mit körperlicher Betätigung zu einer Verbesserung der körperlichen Fitness, des Stoffwechsels und möglicherweise des Alterungsprozesses führen kann. Während Ernährungswissenschaftler und Gesundheitsexperten weiterhin die verschiedenen Vorteile des Fastens erforschen, gibt es auch eine interessante Studie, die zu verstehen versucht, was beim Fasten auf molekularer und zellulärer Ebene geschieht.
Fasten und die Bedeutung der Zellreparatur
Wissenschaftler versuchen, die Mechanismen und Prozesse herauszufinden, die zu den verschiedenen physischen Auswirkungen des Fastens beitragen könnten. Das »Wie« zu verstehen, kann wichtige Erkenntnisse für die Krankheitsvorbeugung liefern. In einer Studie des New England Journal of Medicine wird berichtet, dass intermittierendes Fasten – ähnlich dem Fasten im Monat Ramadan, bei dem die Nahrungsaufnahme auf eine begrenzte Anzahl von Stunden am Tag beschränkt ist – zu Veränderungen bei Insulin, Wachstumshormonen und dem Aminosäurestoffwechsel führen kann. Diese Veränderungen können bestimmte zelluläre Prozesse aktivieren und sich auf verschiedene Organsysteme und die Physiologie des Körpers auswirken.
Einer dieser Prozesse, von dem man annimmt, dass er im Körper während des Fastens verstärkt oder beschleunigt wird, ist die »Autophagie«. Die Autophagie ist ein wichtiger zellulärer Prozess, der es dem Körper ermöglicht, abgebaute Zellbestandteile zu recyceln und die Zellerneuerung zu fördern. Während des Fastens, wenn der Körper in einen milden Zustand von Nährstoffstress versetzt wird, schalten die zellulären Prozesse des Körpers von einer Wachstumsphase auf eine Reparaturphase um. Ohne die ständige Zufuhr von Nahrung, insbesondere von Kohlenhydraten, kann der Insulinspiegel während des Fastens sinken, was dem Körper signalisiert, die gespeicherten Energiequellen zu nutzen. Diese Änderung der Energienutzung könnte zusammen mit anderen Signalen den Zellen signalisieren, die Autophagie zu verstärken und in eine Reparaturphase überzugehen. Neue Forschungsergebnisse deuten beispielsweise darauf hin, dass es eine Wechselwirkung zwischen dem Insulinspiegel und der Autophagie geben könnte, so dass ein höherer Insulinspiegel die Autophagie hemmen könnte und umgekehrt. Auch andere Stoffwechselveränderungen während des Fastens können dem Körper signalisieren, in diese Reparaturphase einzutreten und die Autophagie zu erhöhen, bei der funktionsuntüchtige oder beschädigte Zellproteine abgebaut werden.
Werden diese geschädigten Komponenten nicht entfernt, können sie sich ansammeln und möglicherweise zusätzliche Schäden an den Zellen verursachen, die zu Krankheiten führen oder die Alterung beschleunigen können. Die Situation ist vergleichbar mit dem Szenario, dass eine Person wochenlang ihren Müll nicht aus der Wohnung entfernt, wodurch Gerüche oder schädliche Abfallprodukte freigesetzt werden, die eine Person krank machen können. Genauso ist die Anhäufung von beschädigten Komponenten giftig für die Zellumgebung. Während sich die Autophagieprozesse entfalten, können auch andere Prozesse in den Zellen aktiviert werden, z.B. diejenigen, die an der DNA-Reparatur beteiligt sind, um die Zellreparatur einzuleiten.
Ursprünge der Entdeckung
Die wissenschaftlichen Ursprünge zum Verständnis des Autophagie-Prozesses gehen auf die 1950er und 60er Jahre zurück, als der belgische Wissenschaftler Christian de Duve entdeckte, dass eine bestimmte Organelle (Strukturen innerhalb von Zellen, die eine bestimmte Funktion erfüllen), das so genannte Lysosom, für den Abbau von Zellmaterial verantwortlich war. De Duve entdeckte, dass Lysosomen verschiedene Materialien innerhalb der Zelle »fressen« können, und erhielt für seine Entdeckung 1974 den Nobelpreis in Medizin. Seine Erkenntnisse warfen jedoch Fragen über den spezifischen Prozess auf, der es den Zellen ermöglichte, Material innerhalb der Zelle zu »fressen«. Einige Jahrzehnte später identifizierte eine Gruppe japanischer Wissenschaftler unter der Leitung von Yoshinori Ohsumi die Gene, die für die Selbstverzehrung (Autophagie bedeutet im Griechischen »selbst« und »essen«) in Hefe verantwortlich sind. Diese Erkenntnisse führten zur Entdeckung ähnlicher Gene beim Menschen und zu einem besseren Verständnis des molekularen Prozesses. In der Folge wurde festgestellt, dass die Rolle der Autophagie bzw. ihre Störung mit mehreren menschlichen Krankheiten in Verbindung gebracht wird, darunter bestimmte Krebsarten, Stoffwechselstörungen und neurologische Erkrankungen. Für seine Entdeckung wurde Ohsumi 2016 mit dem Nobelpreis in Medizin ausgezeichnet.
Ausblick auf zukünftige Forschung
Bisher wurden die meisten Forschungsarbeiten, die die Rolle des Fastens auf die Autophagie und die Zellerneuerung untersuchten, im Labor unter Verwendung von Zelllinien und einfacheren Modellen von Hefe oder Mäusen durchgeführt. Anhand dieser Modelle konnte genau untersucht werden, wie Kalorienrestriktion und Fasten das Ausmaß der Autophagie in verschiedenen Zellen und unter verschiedenen Situationen beeinflussen können. Auch klinische Studien am Menschen, in denen der Autophagieprozess und die Auswirkungen des Fastens untersucht wurden, sind bereits angelaufen. In solchen Studien kann das Ausmaß der Autophagie durch die Entnahme von Gewebeproben in verschiedenen Phasen des Fastens einer Person bewertet werden. Es müssen noch weitere Forschungen durchgeführt werden, um zu verstehen, wie Dauer, Häufigkeit und andere Aspekte des Fastens die Autophagie und mögliche gesundheitliche Auswirkungen beeinflussen können.
Wie es im Heiligen Qur’an heißt, ist das Fasten in der Tat gut für uns und die Erforschung der biologischen Mechanismen, wie sich das Fasten auf den Körper auswirken kann, wird von anhaltendem Interesse sein. Sicher ist jedoch, dass das Fasten im Monat Ramadan, wenn man der Anleitung des Heiligen Qur’an und den Lehren des Heiligen ProphetenSAW folgt, eine Gelegenheit bietet, unsere Spiritualität und unseren Geist zu beleben. Mit der Zeit wird die Forschung weiter aufzeigen, wie es auch die mikroskopisch kleinen zellulären Komponenten in unserem Körper regenerieren kann.
Über den Autor: Fasih Ahmad Rahman ist Doktorand in der Abteilung für Kinesiologie an der Universität von Waterloo, Kanada. Seine Forschung konzentriert sich auf das Studium der zellulären Prozesse, die an der Muskelentwicklung und -regeneration beteiligt sind.
Anmerkungen:
[1] Der Heilige Qur’an 2:184
[2] Der Heilige Qur’an 2:185
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